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Energie & Management, Ausgabe 20, 2015

15. Oktober 2015 15NETZE E s sind fast schon geflügelte Worte: Die Energiewende findet im Verteilnetz statt. Eine Reihe viel beachteter Studien hat bereits den Netzausbau- bedarf bei einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien untersucht. Sie orientieren sich an den Ausbauzielen der Bundesregierung mit ihrem vor- gegebenen Zeithorizont. Die Autoren wollen beispielsweise wissen, wie viel Netz nötig ist, damit das Stromsystem im Jahr 2032 einen Anteil an erneuer- baren Energien von über 50 Prozent verkraftet. Für Heiko Spitzer, Geschäftsführer des Beratungshauses entellgenio in München, stellen sich darüber hinaus noch weitere Fragen, die bisher seiner Auffassung nach in der öffentlichen Diskussion zu kurz gekommen sind: In welcher Zeit soll aus dem Netz mit herkömmlichen Betriebsmitteln ein wirkliches Smart Grid werden und welche finanziellen Belastungen kom- men durch diese Transformation auf die Netzbetreiber und letztendlich auf die Verbraucher zu? Und lassen sich diese Belastungen durch ein „smartes“ Timing der notwendigen Umbaumaß- nahmen verringern? In Zusammenarbeit mit der nieder- ländischen Nijmegen School of Ma- nagement an der Radboud University hat entellgenio ein Simulations- und Optimierungsmodell entwickelt, das auf Basis verschiedener Szenarien ein Kostenoptimum aufzeigt. Die Erkennt- nis, dass eine hohe Geschwindigkeit der Smartifizierung Geld kostet und durch das gebundene Kapital andere Verwendungen von vornherein aus- scheiden, mag trivial klingen. Doch es sei allemal die Überlegung angebracht, welcher Grad an Versorgungssicher- heit einer Gesellschaft welchen Preis wert ist, meinen die Projektpartner. Denn man müsse sich bewusst sein, dass man sich mit einem vollständig intelligenten Netz eine im Zweifelsfall nur unwesentlich höhereVersorgungs- sicherheit zu wesentlich höheren Kos- ten erkaufe. Anteil „smarter“ Betriebs- mittel mindestens 90 Prozent Grundsätzlich wurden zwei Wege untersucht, um zu einem intelligenten Netz zu kommen: ein passiver und ein aktiver Übergang. Passiv bedeutet den Ersatz herkömmlicher durch „smarte“ Betriebsmittel, wenn ein Schaden oder eine Störung auftritt oder Betriebs- mittel das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer erreicht haben. Aktiv bedeutet, dass schon vor dem Ende der technischen Nutzungsdauer der Aus- tausch vorgenommen wird. Die hierfür in den Modellrechnungen angesetzten Zeithorizonte betragen 15 und 25 Jahre. Am Ende der Transformation steht ein intelligentes Netz, das einen Anteil von mindestens 90 Prozent smarter Be- triebsmittel aufweist. Für diese gelten dann wesentlich kürzere technische Nutzungsdauern, denn lebensverlängernde Maßnahmen werden künftig nach Einschätzung von entellgenio immer häufiger über- sprungen. Stattdessen werde gleich Ersatz beschafft. „Genauso, wie wir es aus dem privaten Bereich, etwa bei den Haushaltsgeräten oder der Unter- haltungselektronik, kennen“, erklärt Spitzer. Ein passiver Übergang zum smarten Netz dauert der Simulation zufolge rund 60 Jahre. So lange würde es durch- schnittlich dauern, wenn sich Netz- betreiber tatsächlich kostenoptimal verhalten und die Betriebsmittel erst dann ersetzen, wenn es notwendig ist. „Das ist zwar eine lange Zeit, aber die Netze sind im Ganzen gesehen noch in einem recht guten Zustand“, gibt Spit- zer zu bedenken. Bei einem aktiven und verkürzten Übergang in einer vorgegebenen Zeit von 15 beziehungsweise 25 Jahren kommt die Analyse auf einen Anstieg der Gesamtkosten um etwa 150 Pro- zent. Der Betrachtung liegt dabei ein hypothetisches Durchschnittsnetz in Deutschland mit 65000 Anschlüssen und einem Netzbudget von jährlich 8,5 Mio. Euro zugrunde. Hochgerech- net auf das gesamte deutsche Verteil- netz, bedeutet dies Mehrkosten in Höhe von rund 10 bis 11 Mrd. Euro im betrachteten Zeitraum. Dies sei keine Wertung, es sei aller- dings zu diskutieren beziehungsweise abzuwägen, ob die höheren Kosten des beschleunigten Übergangs und des vorzeitigen Ersatzes noch funktionsfä- higer Teile der Infrastruktur durch die Smart-Grid-typischen Eigenschaften und Vorteile des Netzes wieder kom- pensiert werden. Das Netz werde durch den frühzeitigen Austausch insgesamt eine höhere Qualität bekommen. Letztlich laufe die Diskussion auch auf die Frage hinaus, ob der Qualitäts- zuwachs vom Kunden wertgeschätzt werde. „Es kann durchaus Sinn ma- chen, das wir uns als Gesellschaft ein intelligentes Verteilnetz leisten, aber dann muss man sich auch im Klaren darüber sein, dass dort Komponenten eingebaut sind, die imVergleich zu den herkömmlichen Betriebsmitteln eine deutlich kürzere Lebensdauer haben und entsprechend häufiger ersetzt werden müssen. Auch das steigert die Kosten“, betont Spitzer. Seine Überle- gungen macht er noch am Smart Meter fest. Bislang habe man Zähler 25 Jahre und länger eingebaut lassen können. Bei intelligenten Messsystemen rechne man zurzeit aber mit weniger als zehn Jahren. Und bei Transformatoren seien ebenfalls wesentlich kürzere Zyklen abzusehen. Erhöhte Umse󿿸ungsge- schwindigkeit, höhere Kosten „Dadurch kann zudem die Risiko- position der Netzbetreiber deutlich geschwächt werden“, so der entellge- nio-Chef. Denn es werde viel Kapital gebunden, was die Handlungsspiel- räume der Unternehmen letztlich ein- schränke. Bei zusätzlich„unerwarteten Belastungsereignissen“ könne es dann zu schmerzhaften Erkenntnissen kom- men. Bei der Suche nach Lösungsan- sätzen sollte deshalb besonders auf den modularen Aufbau von Betriebs- mitteln geachtet werden, um die Kos- ten eines Austauschs so gering und die Handlungsspielräume der Infrastruk- turbetreiber so offen wie möglich zu halten.  Ganz schnell ganz smart? Der Umbau desVerteilnetzes zu einem Smart Grid bindet Kapital und engt Handlungs- spielräume der Netzbetreiber ein. Eine Analyse mittels dynamischer Simulation soll eine Diskussion darüber an- stoßen. VON FRITZ WILHELM Ne󿿸nu󿿸ung in Höchstspannung wird 2016 teurer Große Stromverbraucher müssen sich möglicherweise im kommenden Jahr auf steigende Kosten für die Netznutzung einstellen; das befürchtet die GET AG. VON ARMIN MÜLLER F ür einen Beispielkunden erhöht sich der Preis nach Berechnungen des Infor- mationsdienstleisters im Höchst- spannungsnetz von 50Hertz Transmission um 28,86 %. Ein Bei- spielkunde ist dabei jemand mit einem Jahresverbrauch von einer Terawattstunde und 7 000 Betriebs- stunden jährlich. Während bei TransnetBW die Prei- se um 11,85 % und bei Amprion um 11,32 % steigen, beläuft sich die Kos- tensteigerung bei TenneT TSO auf 6,2 %. Die Preissteigerungen ergeben sich aus ersten Analysen der GET AG zu den von den Übertragungsnetz- betreibern (ÜNB) vorläufig für 2016 veröffentlichten Preisblättern. Aller- dings sind daran noch Korrekturen bis zum Jahresende möglich. Den- noch können Verteilnetzbetreiber diese preislichen Eckdaten aus den vorgelagerten Netzen jetzt anteilig in ihre Kalkulation einbeziehen, schreibt die GET AG. Eine verän- derte Kostensituation sei vielerorts auch für die Mittel- und die Nieder- spannung zu erwarten. Nähere Ein- zelheiten müssen die Netzbetreiber spätestens bis zum 15. Oktober nen- nen. Die GET AG wird ihre Kunden über die Preisentwicklung im Netz- entgeltticker und im Cockpit, ihrem Navi für den Energievertrieb, auf dem Laufenden halten.  Wartungsarbeiten am Verteilne󿿸: Werden die höheren Kosten eines beschleunigten Übergangs und des vorzeitigen Ersa󿿸es noch funktions- fähiger Teile durch die Smart-Grid- typischen Eigenschaften des Ne󿿸es kompensiert? Bild:EnBW,PeterStumpf Terawattstunde und 7000 Betriebs-

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