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IT & Digitalisierung
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Interview/Homestory mit Wolfgang Dörr (Ettlingen März 2021)

Herr Dörr, (Mit-)Inhaber eines IT-Systemhauses zu werden, lässt sich ja nicht direkt planen. Inwieweit hatten Sie vor der Unternehmensgründung Pläne oder Visionen, in diesem Bereich unternehmerisch tätig zu werden?

Ich würde nicht sagen, dass ich damit angetreten bin, mich im IT-Bereich selbstständig zu machen, beziehungsweise ein Unternehmen zu gründen. Ich bin kein Informatiker, ich bin ja nur ein „Wirtschaftsingenieur“, aber immerhin mit der Fachrichtung IT. Das Umfeld an der Karlsruher Uni hat einfach Spaß gemacht, es war spannend. Solche Dinge im Bereich der aufkommenden Computertechnik hat noch keiner vorher gemacht und da konnte man sich austoben. Die Frage, die wir uns gestellt haben, war: Was tun mit diesem Werkzeug? Wir sind spielerisch damit umgegangen, mit allen Vor- und Nachteilen. Es war vor allem Neugier, die uns angetrieben hat. Zudem gab es für mich eine klare Vorgabe: Ich wollte nicht Zeit meines Lebens in einem Angestelltenverhältnis arbeiten, sondern ich wollte irgendwann „auf eigenen Füßen stehen“. Damit mir keiner sagen muss oder sagen kann, wo es hingeht. Ich wollte im Zweifelsfall derjenige sein, der etwas mehr Entscheidungsbefugnis hat. Dass es zur Firmengründung bereits während des Studiums kam, hat aus meiner Sicht auch viel mit Zufall, Schicksal oder Fügung zu tun, wie immer man das bezeichnen möchte. Da sind natürlich auch ein paar Bausteine zusammengekommen. Zuallererst die richtigen Partner, in diesem Fall waren das vor allem ehemalige Kommilitonen.

 

Zitat: „Es war vor allem Neugier, die uns angetrieben hat.“

 

Sie sagen, dass Sie „nur“ Wirtschaftsingenieur sind. Es ist ja sicher auch von Vorteil, wenn man die Zahlen im Blick hat und nicht zu technik-fokussiert agiert.

Das ist richtig, wobei ich sicher nicht der große strategische Überflieger bin. Dort sehe ich Personen wie die SAP-Gründer Dietmar Hopp oder Hasso Plattner. Die IT, auch in ihren Niederungen, hat immer Spaß gemacht. Zeit meines Lebens war ich immer nahe an der Werkzeugkiste. Das ist es, was ich machen wollte und dabei bin ich auch hängengeblieben.

 

Zitat: „Zeit meines Lebens war ich immer nahe an der Werkzeugkiste. Das ist es, was ich machen wollte und dabei bin ich auch hängengeblieben.“

 

Wenn wir schon bei den „Charming Boys“ sind, da zählt ja der Microsoft-Gründer Bill Gates sicherlich auch dazu. Inwieweit hat der damalige Pioniergeist der vorwiegend aus den USA bekannten „Garagen-Gründer“ Menschen wie Sie beeinflusst?

Die Start-up-Szenerie, die wir heute haben, ist sicherlich eine ganz andere, insofern, als dort Geld keine Rolle spielt, wenn man mit der richtigen Idee zu den richtigen Leuten geht. Eines der ganz großen Probleme war damals von den Banken Geld zu bekommen. Heute bekommt man mal hier und da eine halbe Million um irgendwas entwickeln zu können, was man am Ende auch hoffentlich gut vertreiben kann. Das gab es damals noch nicht. Es war ein Geschäft von der Hand in den Mund.

Also Bill Gates als Lebensidol oder Führungsideal zu sehen, wäre sicherlich nicht richtig. Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen dem, was Bill Gates gemacht hat und dem was wir mit unserer deutschen Gründlichkeit umgesetzt haben. Amerikanische Pioniere hatten ja immer die Langfriststrategie im Auge gehabt. Die Strategie war, Produkte zu verschenken, beziehungsweise weltweite Schwarzinstallationen über Jahrzehnte zuzulassen und sich damit den Weltmarkt „durch die Hintertür zu kaufen“. Die Schwarzinstallationen wurden mit jeder Fortschreibung der Software-Releases immer schwieriger bis zur vollständigen Umstellung auf das Bezahlmodell wie heute mit Windows 10. Damit mussten alle, die sich an Windows gewöhnt hatten, früher oder später ihre Lizenzen kaufen. Das war das Geniale an Bill Gates und Microsoft. Die Erkenntnis, die man daraus ziehen kann, lautet: Mit einem gesunden Optimismus muss man durchs Leben gehen, trübsinnig kann nicht funktionieren.

 

Zitat: „Mit einem gesunden Optimismus muss man durchs Leben gehen, trübsinnig kann nicht funktionieren.“

 

Was waren bei Ihnen die ersten Schritte? Mit welchen Produkten sind Sie gestartet?

Mit konkreten Produkten eigentlich weniger. Gestartet sind wir alle an der Uni mit der UNIVAC 1108, also so ein alter „Vorkriegstrecker“. Wir haben Kundenlösungen mit IBM Midrange Rechnern beginnend mit IBM/3 bis IBM/38 und dann über die AS400 bis heute zur i5 entwickelt. Um es vorsichtig auszudrücken, der Kundenkreis war nicht ganz so spendabel wie die Unternehmen, die im Großrechnerbereich unterwegs waren. Deswegen ist zum Beispiel die SAP eine ganz andere Erfolgsstory. Bei deren Kunden saß das Geld etwas lockerer. Das ist ein Riesenunterschied, damit kann man einfacher Produkte kreieren. Grundsätzlich hat die SAP nichts anderes gemacht als wir: Sie hat aus ihren Kundeninstallationen den Honig gesaugt und gesagt Hurra, wir haben einen Standard. Wir haben dagegen Produkte auf Zuruf entwickelt, beispielsweise eine Auftragsabwicklung. Angefangen hat es mit dem Rechnungswesen, also Finanz- und Anlagenbuchhaltung, und dann war irgendwann das erste ERP-Modul an der Reihe für den Vertrieb, die Beschaffung oder später die Produktionssteuerung. Das war der Weg, den wir mit der command damals gegangen sind.

 

Und was waren Ihre ersten Kunden?

Einer der ersten Kunden war die Firma ISCAR – heute ein weltweit agierender Konzern aus Israel. Entwickelt hat ISCAR Laser, mit der sich unter anderem Knäckebrot schneiden lässt. Haben Sie schon mal versucht, ein Knäckebrot zu zerteilen? Da kommt Bruch raus. Mit dem Laser kann man die Dinger blitzsauber schneiden fast ohne Abfall. Anfang der Achtzigerjahre kamen die ersten Stadtwerke dazu mit Aufträgen für die Verbrauchsabrechnungen. Das ist dann der Bogen, der sich viel später wieder mit IS-U schließt. Zu den ersten Kunden zählten hier die Stadtwerke Marburg oder die GGEW Bensheim. Einer der ersten Kunden in den Achtzigerjahren, den wir heute immer noch betreuen, ist die Energie Südbayern.

 

Das war sicher eine spannende Zeit auch die Veränderungen der IT-Welt, die sich ergeben haben im Laufe der letzten 40 Jahre.

Ich kann mich über interessante Stationen in meinem Berufsleben sicher nicht beschweren.

 

Können Sie die wichtigsten nennen?

Angefangen haben wir alle mit der Lochkarte, später kamen dann die Bänder dazu und dann das, was mir unheimlich viel Spaß gemacht hat: Relationale Datenbankmanagementsysteme. Das Thema beschäftigt mich bis heute und bereitet mir immer noch Freude – das ist überhaupt keine Frage. Ansonsten waren die Entwicklungen zur AS400 für mich ebenfalls ein wesentlicher und wichtiger Teil meines Berufslebens, denn dort konnte ich gestalterisch tätig werden. Damals habe ich noch selbst Hand angelegt an die Systeme und wusste noch genau, wo die Bits und Bytes hin- und herpurzeln. Später war ich dann vorwiegend mit Managementaufgaben beschäftigt.

 

Zitat:Ich kann mich über interessante Stationen in meinem Berufsleben sicher nicht beschweren.“

 

Sie haben SAP schon angesprochen. Welche Herausforderungen bietet die jahrelange Zusammenarbeit zwischen einem Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern und einer mittelständischen Softwareschmiede?

Die Größenunterschiede waren in den Achtzigerjahren nicht dramatisch, aber das Potenzial war bei uns mäßig im Vergleich zu dem, was die SAP realisieren konnte. Deshalb gab es von unserer Seite auch niemals Befindlichkeiten gegenüber SAP. Wir hatten immer Hochachtung in Richtung Walldorf und deren Klasse-Job in einem anderen Marktumfeld anerkannt. Die Namen kannte man, wir waren ja in räumlicher Nähe, hatten aber miteinander nie großartig Berührungspunkte bis zum Jahr 1995, als wir mit der SAP unseren Systemhaus-Vertrag ausgehandelt haben. Damals verhandelte etwa noch ein gewisser Dietmar Hopp mit uns. Wir haben damals einen der ersten Systemhausverträge mit SAP unterschrieben. Der Unterschied zu heute ist die klare Ansage. Man musste akzeptieren, dass der große Partner diktiert, welche Musik gespielt wird. Das ist einfach so. Da konnten Sie nicht dran vorbei. Ein kleines Licht wie die command im Vergleich zu der großen SAP. Da braucht man nicht darüber nachdenken, wer die Leitlinien vorgegeben hat. Der Umgang mit Dietmar Hopp war aber immer von Fairness geprägt. Nicht der kumpelhafte Typ, um Gottes Willen, das ist er bestimmt nicht; aber er hatte Verständnis für die Situation des Anderen und hat auch mal nachgegeben. Das ist ein Unterschied zu heute, denn heute fällt es ganz schwer das Wort „nachgegeben“ mit SAP in Verbindung zu bringen.

 

Auf was kommt es heute in der Zusammenarbeit mit SAP an?

Es ist wichtig, dass man bei den vielen Tausend Mitarbeitern ein paar Personen noch persönlich kennt, mit denen man sich im Zweifelsfall austauschen kann, wo man – wie heißt es so schön – auf dem kleinen Dienstweg auch mal was bewegen kann. Natürlich nicht an der Administration vorbei, sonst gibt es Ärger mit der Rechtsabteilung. Ich habe von Anfang an gesagt: Wer mit dem Teufel isst, muss einen langen Löffel haben. Dies gilt inzwischen wahrscheinlich bei allen Großen, wenn man als Kleiner mit denen Geschäfte machen will.

Als SAP-Partner sind wir auf deren Produkte angewiesen und wir wollen mit den SAP-Kunden arbeiten. Demzufolge ist klar, wir müssen ein gutes Klima und Arrangement nach Walldorf herstellen. Grundsätzlich haben wir mit der Holding, der SAP SE, wenig zu tun, sondern wir arbeiten ja vorwiegend mit den Landesgesellschaften zusammen. Es gab jedoch eine Zeit, da stand bei der SAP der Profit absolut im Vordergrund. Aber wenn man die Partnerwelt „plattwalzt“, dann hat man letztendlich auch nichts davon. Das hat man inzwischen verstanden. In letzter Zeit ist die Zusammenarbeit wieder besser und einfacher geworden.

 

Zitat: „Ich habe von Anfang an gesagt: Wer mit dem Teufel isst, muss einen langen Löffel haben.“

 

Wie hat sich der Mitarbeiterstamm bei der command entwickelt?

Gestartet sind wir mit fünf Personen, vier Gründer plus Sekretariat. Neben mir waren das zwei Mitstudenten und ein alteingesessener IBMer aus dem Bereich Rechnungswese. Maximal hatten wir zu einer bestimmten Zeit knapp 300 Mitarbeiter über die damaligen Geschäftseinheiten oxaion, die cormeta und die command. Stand heute sind wir in der cortility und command 50 Mitarbeiter.

 

Kommen wir zum Themenbereich Unternehmensstrategie. Nach welchen Grundsätzen oder nach welchen Idealen führen Sie Ihr Unternehmen?

Im Zuge der ISO9000-Zertifizierung haben wir auch diejenigen Grundsätze formuliert, nach denen wir leben und arbeiten wollen. Das sind im Wesentlichen drei: das Ziel der langfristig zufriedenen Kunden, der zufriedenen Mitarbeiter und es ist das Ziel der angemessenen Umsatzrendite.

 

Bitte etwas konkreter. Wie lassen sich Mitarbeiter nach Ihrer Erfahrung am besten motivieren und für eine Sache begeistern?

Keine Diskussion: alles ist nichts wert ohne die Mitarbeiter. Für mich persönlich ist das Face-to-Face-Prinzip nach wie vor das Beste für die Mitarbeiter-Motivation. Das heißt, dass wir versuchen, die Menschen einzeln einzufangen. Je größer der Laden ist umso schwieriger ist dies einzuhalten. Im Moment sind wir bei der cortility 45 Leute, da bekommt man es noch hin, mit jedem ins Gespräch zu kommen. Wir vier Geschäftsführer haben einen guten Draht zu unseren Mitarbeitern. Das bestätigt deren Feedback, das ist ein wichtiger Punkt.

Die Face-to-Face-Motivation ist jedoch auch zeitintensiv, das wird häufig unterschätzt. Ein früherer Geschäftsführerkollege hat mich einmal gefragt: „Habt ihr uns eigentlich absichtlich so viel Freiheiten gelassen oder wolltet ihr euch einfach nicht kümmern?“ Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Freiheiten lassen und Kontrolle. Denn auf der anderen Seite muss man Mitarbeiter natürlich immer wieder rechtzeitig einfangen, bevor sie Geld verbrennen. Aber die Fragestellung hat mir gezeigt, dass nicht alles falsch gelaufen ist, was wir gemacht haben.

 

Was sind denn die Besonderheiten der Unternehmensgruppe command? Was würden Sie sagen, unterscheidet Sie von Wettbewerbern und was hat insbesondere zum Erfolg beigetragen im Laufe der Jahre?

Wir hatten anfangs sehr viele Studenten von der Uni Karlsruhe eingestellt. Die hatten zuvor noch nie einen anderen Arbeitgeber gehabt. Ein positives Signal und etwas Besonderes für sie war zu sehen, dass die Chefs richtig mitgearbeitet haben. Ein Dörr, der morgens spätestens um acht Uhr auf der Matte stand, an ihrem Schreibtisch und gearbeitet hat wie jeder andere auch. Das ist sicherlich ein Punkt, der offensichtlich bei anderen Unternehmen nicht so selbstverständlich war. Hinzu kommen die Freiheitsgrade. Wir hatten von Anfang an Vertrauensarbeitszeit. Wir haben diese Vorzüge in den Bewerbungsgesprächen schon immer deutlich adressiert: „Du kannst morgens arbeiten, dann kannst du über Mittag an den Buchtzigsee gehen, der ist gerade mal 100 Meter weg und dann kommst du nachmittags wieder und arbeitest du weiter. Kein Problem.“ Solche Freiheiten sind zwar nicht lebenswichtig, aber sie lassen sich ganz gut vermarkten. Wir haben zwar keine Tennisplätze und auch keinen Fitnessraum, aber ein paar Sachen können wir uns schon erlauben.

 

Zitat: „Wir haben zwar keine Tennisplätze und auch keinen Fitnessraum, aber ein paar Sachen können wir uns schon erlauben.“

 

Und aus welchen Fehlern haben Sie gelernt?

Wir haben immer versucht, fertige Lösung zu präsentieren und gleich damit in den Markt zu gehen. Andere Unternehmen sind mit Blaupausen auf die Reise gegangen und haben die Aufträge reingebracht und erst dann haben sie angefangen die Projekte umzusetzen. Also, da waren wir etwas zu bodenständig. Diesen Fehler haben wir erst viel später erkannt und auch korrigiert.

 

Wenn wir jetzt zur cortility kommen. Was waren die Gründe für den Aufbau einer eigenen Gesellschaft für den Bereich Energie?

Unsere Lösung, die auf unserer ERP-Lösung von command basierte, lief zwar bis in die Neunzigerjahre hinein, aber Zukunftschancen hatten wir damit nicht. Wir hätten diese neu aufsetzen müssen, aber das war wirtschaftlich nicht darstellbar. Die Frage war: Was machen wir mit unserem Know-how? Mit SAP haben wir uns für ein damaliges Wettbewerbsprodukt entschieden. Das hat sich angeboten, da wir ja bereits einen Systemhausvertrag hatten. 1998 haben wir uns für IS-U nominieren lassen. 2001 sind wir mit dem ersten Kunden produktiv gegangen. Heute kann ich sagen: Die Entscheidung war richtig.

 

Wäre das nicht innerhalb einer Abteilung in der command möglich gewesen?

Wir hatten eine Division SAP, ab 2005 dann die cormeta AG, die hat mit ihrer ERP-Lösung und ihrem Namen alles zugedeckt. Damit waren wir im Automotive-Bereich, im Autoteilehandel, in der Pharmaindustrie, im Maschinenbau oder in der Lebensmittelindustrie unterwegs. Wir hatten einen guten Namen im Markt. Weniger bekannt waren wir in der Energiewirtschaft, hier wurden wir eher als Anhängsel anderer Branchen wahrgenommen. Das hat den Markt für uns versaut. Mit der Ausgliederung brauchte das Kind einen eigenen Namen und einen eigenen Mantel. 2011 haben wir dann die cortility gegründet.

 

Was unterscheidet aus Ihrer Sicht und aus Ihrer Erfahrung die Kundengruppe Energieversorger von der Automobilindustrie oder von anderen Branchen? Mit der Liberalisierung 1998 dürfte sich die Welt ja etwas verändert haben.

Das kann ich nur dreimal unterstreichen. Die Mitarbeiter der Energieversorger waren damals eigentlich Beamte. Die Branche hat in den vergangenen Jahren in der Unternehmensführung viel dazugelernt. Eine Besonderheit ist das Thema Daseinsvorsorge. Dabei geht es nicht um das reine Geldverdienen, sondern der Fokus liegt auch noch auf dem, was um die Unternehmen herum passiert. Ein Prototyp dafür ist Herr Oehler, der langjährige Geschäftsführer der Stadtwerke Ettlingen, direkt hier vor der Haustüre. Er denkt über den Horizont der Stadtwerke hinaus. Der klassische Querverbund ist hier sehr ausgeprägt. In Ettlingen, einer Stadt mit 35.000 Einwohner, unterhalten die Stadtwerke etwa das Tagungszentrum Buhlsche Mühle sowie vier Bäder, eines davon ein Hallenbad. Das ist der Wahnsinn, was die Stadt sich leistet, ist aber auch der Gebietsreform geschuldet. Dieses Denken und der lokale Bezug liegen in der DNA der kommunalen Unternehmen. Das findet man so schnell nirgendwo sonst.

Die Tendenz, die wir im normalen Industriebereich durchaus erleben, dass man versucht den Anderen über den Tisch zu ziehen, ist mir in der kommunalen Wirtschaft noch nie über den Weg gelaufen. Im sonstigen Leben, da musst du bei manchen, mit denen du Geschäfte machst, dir hinterher die Finger zählen, wenn du denen die Hand gegeben hast.

 

Die E-World gilt als „die“ Branchenmesse. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Event?

Als regelmäßiger CEBIT-Besucher war ich anfangs skeptisch. Ich war davon überzeugt, dass die CEBIT auch weiterhin das Maß der Dinge sein wird. Aber das hat sich sukzessive geändert. Mein Gschäftsführer-Kollege Klaus Nitschke war schon damals mit Feuer und Flamme bei der E-World dabei und Gottseidank hat alles bestens funktioniert. Deswegen sage ich, die E-World ist heute für mich das Klassentreffen der Branche und definitiv das Ereignis des Jahres.

 

Die Branche hat in den vergangenen Jahren viele Veränderungen erfahren. Künftig wird die Digitalisierung immer wichtiger. Wie groß ist die Dimension der damit einhergehenden Disruption? Welche technologischen IT-Trends haben hier aus Ihrer Sicht das größte Veränderungspotenzial?

Disruption bringe ich in Verbindung mit den großen Fragen der Energiewende. Die wirkliche Disruption wird im Bereich der Netze stattfinden müssen. Wir können nicht unendlich Stromleitungen von A nach B spannen, wir müssen die Netze intelligent steuern. Ein weiteres Zukunftsthema ist Wasserstoff. Wir werden uns überlegen müssen, wie wir damit umgehen. Heute darf man in den Gasleitungen nur 10% Wasserstoff einspeisen. Damit kann man keinen Blumentopf gewinnen. Da muss man sich ein bisschen was einfallen lassen, wenn der Energieträger Wasserstoff eine Zukunft haben soll. Das ist aber nicht die Welt, in der wir mit IS-U zuhause sind. Bei unseren Produkten und Angeboten geht es vor allem darum, Prozesse zu harmonisieren und Systeme aufeinander abzustimmen.

 

Zitat: „Wir können nicht unendlich Stromleitungen von A nach B spannen, wir müssen die Netze intelligent steuern.“

 

Den Unternehmensteil SOA People haben Sie verkauft. Wie stark schmerzt Sie das, wenn man tatsächlich immer nur am Aufbau ist und das ganze Unternehmen wächst und gedeiht und dann verkauft man tatsächlich einen Teil.

Also, das ist durchaus ein kompliziertes Gebiet, weil das sicherlich nicht geplant war. Die Absicht war, sich irgendwann im Alter zurückzulehnen und drei florierende Unternehmen zu übergeben. Das haben wir nicht erreicht. Damit ist zumindest das Teilziel, einen kleinen Westentaschenkonzern aufzubauen, schlicht gescheitert. Aber, und das ist der wichtige Zusatz, es war unternehmerisch sowohl für die command als auch für die cormeta die richtige Entscheidung. Wir hätten aufgrund absehbar mangelnder Performance der cormeta langfristig keine Chance gehabt, uns im Markt zu halten. Das heißt, wir wären verglichen mit Konkurrenten kleiner und kleiner geworden und hätten uns selbst marginalisiert.

 

Und auch der Investitionsbedarf wäre wahrscheinlich groß gewesen?

Ja, das kommt auch dazu. Das im IT-bereich benötigte Know-how wird immer vielfältiger. Der Trend geht zum Spezialistentum. Genau dieser Entwicklung hätten wir mit cormeta nicht folgen können. Deswegen war es richtig, das so zu machen. Deswegen ist es auf der einen Seite Bedauern – ja, ist so gekommen – aber es ist auf der anderen Seite auch die Erkenntnis: es war die richtige Entscheidung, es war der richtige Weg, anders hätte es nicht funktioniert. Man kann das einfach mit dem berühmten lachenden und dem weinenden Auge betrachten.

 

Zitat: „Das im IT-Bereich benötigte Know-how wird immer vielfältiger. Der Trend geht zum Spezialistentum.“

 

Dass Sie die Entscheidung auch noch rechtzeitig getroffen haben, ist dann auch im Rückblick sicherlich nicht unbedeutend. Welche Auswirkungen hatte das für Ihre Bestandskunden? Vorteile in einem größeren Unternehmen sind ja durchaus gegeben.

Ja, definitiv. Wir haben keine einzige negative Reaktion darauf erhalten. Die Kunden sehen unter anderem die Möglichkeiten der Internationalisierung des Unternehmens. So sind fremdsprachige Installationen in französisch oder englisch heute kein Problem mehr. Zudem hat sich der Servicegrad erhöht. Heute können wir, wenn es sein muss, 24/7 anbieten. Dies konnten wir als cormeta vorher einfach nicht darstellen.

 

Geht der Trend generell mit den gestiegenen Voraussetzungen im IT-Bereich eher wieder zu größeren Einheiten, die dann auch ein größeres Leistungsspektrum anbieten können?

Ja, das würde ich auf jeden Fall unterschreiben. Und wenn Sie dann die global agierenden Investoren etwa aus Indien noch sehen, die sich hier breit gemacht haben, dann auf jeden Fall.

 

Jetzt haben wir ganz zum Schluss noch den persönlichen Teil. Rückblickend auf Ihr berufliches Wirken – auf was sind Sie besonders stolz?

Da gibt es zwei Dinge, die mir rückblickend ins Auge stechen. Das eine ist sicherlich 1998, als wir uns entschieden haben, in den IS-U-Markt einzusteigen. Das war eine dieser Herausforderungen, bei der wir nicht wussten, inwieweit sich das auszahlen wird und ob es funktioniert. Aber heute kann ich sagen: Diese Entscheidung hat sich ausgezahlt. Der zweite Punkt sind langfristig zufriedene Kunden. Dieses Ziel haben wir bei einigen Unternehmen durchaus erreicht. Zu nennen sind hier etwa die VSG, die Stadtwerke Langen oder die ESB. Also ganz so doof können wir uns nicht angestellt haben, denn diese Unternehmen sind groß genug, um sich einen neuen Partner zu suchen. Dies hat sich auch auf der betriebswirtschaftlichen Seite in den vergangenen 20 Jahren ausgezahlt. Das Geschäft funktioniert. Und das ist nicht so schlecht.

 

Zitat: „Also ganz so doof können wir uns nicht angestellt haben.“

 

Aber es ist ja nicht immer nur alles positiv, es gab ja sicher auch die andere Seite. Aus welchen beruflichen Fehlentscheidung konnten Sie lernen?

Anstatt den Großrechnermarkt der IBM erobern zu wollen, haben wir uns in der Gründerzeit gegen die /360- /370-Architektur entschieden, weil wir gesagt haben, das ist uns zu groß. Das wäre sicherlich im Nachhinein – da ist man immer schlauer – ein Schachzug gewesen, wo man gesagt hätte: okay, wenn wir da eingestiegen wären, hätten es nochmal eine andere Entwicklung mit der Firma nehmen können. Zudem hat auch der Einstieg in den Bankingbereich mit der Gründung der Firma cor-fs gmbh nicht funktioniert. Das hätten wir uns sparen können. Das hat nur Geld gekostet. Inzwischen ist aber alles verschmerzt.

 

Wenn wir jetzt zum Privaten kommen: Sie sind ja auch dort recht aktiv und pflegen das eine oder andere Hobby. Wo tanken Sie Ihre Akkus wieder auf?

Man braucht ein Feld, in dem man sich zurücklehnen kann. Dazu zählen sicherlich Familie, Bekannte und Freunde, aber auch Sport, Reisen, Wandern. Die Region hier rund um Karlsruhe und Ettlingen, am Rande des Schwarzwaldes, ist ein geniales Umfeld für die Freizeitgestaltung. Es gibt jede Menge Baggerseen oder den Schwarzwald zum Wandern oder Fahrradfahren. Die Möglichkeiten der Betätigung und des Verlustierens sind groß.

 

Und sonstige Hobbies?

Gibt’s genug. Immer schon. Wenn’s dann in die Freizeit geht, dann ist Skifahren ein großes Thema. Besonders begeistert hat mich das Heli-Skiing in Kanada. Wenn man dann gegen Ende des Berufslebens über ein bisschen mehr Geld verfügt, dann kann man sich auch solche Scherze oder das Tauchen auf den Malediven erlauben. Großartig war auch die Reise im Wohnmobil in Übersee, da gibt es noch viel zu entdecken.

 

Und spielen Sie Golf?

Ich spiele im Moment Tennis. Golf ist zeitlich sehr anspruchsvoll. Die habe ich derzeit schlicht und ergreifend noch nicht, und nehme sie mir auch nicht. Das ist ja immer auch eine Frage der Prioritäten. Wenn ich demnächst den beruflichen Alltag hinter mir lassen kann, dann könnte Golf aber durchaus etwas sein, das mir sehr viel Spaß macht. Ich habe es schon ein paar Mal ausprobiert.

 

Ihr Sohn wird die Geschäftsführung von command übernehmen. Wie wichtig ist es, dass diese Übergabe klappt und gesichert ist?

Das ist ein Zungenschlag, der so einfach nicht stimmt, zumindest nicht ganz so. Sicherlich, mein Sohn übernimmt die Führung der command, aber insgesamt befinden fünf Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung darüber, wer denn nun Geschäftsführer wird. Es gibt ja bei der command keine Erbpacht auf diesen Posten. Mein Sohn Sascha ist derjenige, bei dem ich persönlich davon überzeugt bin, dass er das gut können wird. Er ist ja schon seit Jahren im Unternehmen tätig. Er besitzt als Diplom-Kaufmann alle Werkzeuge für die kommenden Aufgaben. Aber genauso wie jeder andere auch, der hier Geschäftsführer oder Vorstand war, braucht er die Unterstützung seiner Kollegen, sonst funktioniert es nicht. Natürlich werde ich ihm, so gut es geht, mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber durchaus aus der Ferne. Denn ich habe einige Geschichten gelesen, was dabei herauskommt, wenn der Vater seinen Nachfolgern klarzumachen versucht, wie man ein Unternehmen führt. Das ist dann selten ein Honigschlecken für beide, das macht keinen Spaß. Deshalb werde ich mich, so gut ich kann, bremsen.

 

Zitat: „Natürlich werde ich meinem Sohn, so gut es geht, mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber durchaus aus der Ferne.“

 

Wer waren die wichtigsten Personen, die Sie in Ihrem Berufsleben getroffen haben?

Sicherlich, auch wenn der Herr Oehler mit seinen Stadtwerken Ettlingen nie Kunde der command oder cortility war, er war für mich eine der Figuren, bei denen ich sage, damit identifiziere ich ein kommunales Unternehmen. Das ist einer, der als alleiniger Geschäftsführer sein Stadtwerk im Griff hatte. Beeindruckend war es auch, Persönlichkeiten wie Hasso Plattner erlebt zu haben, obwohl ich ihn nie persönlich kennengelernt habe. Hasso Plattner in seinen Vorträgen und Dietmar Hopp in den Gesprächen haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Beides bodenständige, umgängliche Menschen, die mit Akribie und Zielstrebigkeit Milliardäre geworden sind. Vor solchen Personen kann man nur den Hut ziehen.

 

Besten Dank für das Gespräch.

 

Gerne geschehen, Herr Nallinger.
(Das Interview führte Michael Nallinger vom Pressebüro Nallinger, Riemerling)

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Die cortility gmbh unterstützt Energieversorgungsunternehmen mit branchenspezifischen Software-Produkten und Beratungsleistungen; im Fokus steht dabei das komplette SAP-Portfolio für Energieversorger inklusive SAP S/4HANA. Der IT-Dienstleister verfügt insbesondere über umfangreiche Erfahrung mit Stadtwerken und mittelgroßen Energieversorgern. Die Ergänzungsprodukte von cortility zu den SAP-Lösungen sind genau auf die Branchenprozesse zugeschnitten und ermöglichen Stadtwerken eine Kosten-/Nutzen-optimierte Umsetzung aktueller Erfordernisse. Die cortility Paketlösungen setzen EVU und deren Rechenzentren in der DACH-Region ein.

Die entscheidenden Stärken des Dienstleisters sind Kundennähe bei der Produktentwicklung und Software-Einführung, ein individueller Support und die Qualifikation sowie das SAP-Know-how der Mitarbeiter. Dabei greift cortility auf branchenspezifische Projekterfahrung aus mehr als 20 Jahren zurück.

Das zweite strategische Standbein von cortility ist das Geschäftsfeld Dokumentenmanagementsysteme (DMS). Besonders Augenmerk legt cortility dabei auf reibungslose Workflows im mittelständischen Umfeld und eine kosteneffiziente SAP-Integration.

Die cortility gmbh gehört zur command-Gruppe und entstand 2011 durch die Ausgründung des Geschäftsbereichs Versorgungswirtschaft der damaligen cormeta ag. cortility ist SAP Partner und Mitglied der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) sowie des BDEW. Das Unternehmen mit Sitz in Ettlingen bei Karlsruhe beschäftigt über 40 Mitarbeiter.

Oberstes Unternehmensziel ist der langfristig zufriedene Kunde. In diesem Sinn entwickelt und vertreibt cortility erprobte und moderne IT-Lösungen. Dabei gilt der Grundsatz, den Kunden umfassend und individuell zu beraten und die Lösung in für den jeweiligen Kunden optimaler Form unter Beachtung des vorgegeben Zeit- und Kostenrahmens einzuführen und langfristig zu betreuen. cortility erreicht dieses Ziel durch konsequente Optimierung der Geschäftsprozesse unter Beachtung des Grundsatzes, möglichst nah am Standard zu bleiben. Dies führt zu einem transparenten Projektcontrolling und kalkulierbaren Einführungs- und Folgekosten.

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