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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - "Das Thüga-Modell ist die Alternative"
Bild: Rido / Shutterstock.com
E&M VOR 20 JAHREN:
"Das Thüga-Modell ist die Alternative"
E&M hat von Anfang an über den Wandel des Energiemarkts berichtet. In der Rubrik "Die Energiewirtschaft vor 20 Jahren", geben wir einen Eindruck davon, was damals den Markt bewegte.
 
Mit der Liberalisierung der Energiewirtschaft im Jahr 1998 erlebte die Branche einen Paradigmenwechsel. Gebietsmonopole wurden aufgebrochen. Energieabnehmer wurden zu Kunden und Energie wurde zu einer börsengehandelten Commodity. Neue Player traten am Markt auf, alteingesessene Unternehmen verschwanden. Ausgewählte Beiträge aus unserer Zeitung und aus E&M Powernews lassen Protagonisten aus dieser Zeit noch einmal zu Wort kommen und zeichnen die ehemaligen Strukturen der Branche nach.

Im Jahr 2001 konnte die Thüga, die ihren Ursprung in der "Thüringer Gasgesellschaft" hat, bereits auf eine mehr als 130-jährige Geschichte zurückblicken. Im Laufe der Jahre verlor das Gasgeschäft immer mehr an Bedeutung. Stattdessen entwickelte sich immer stärker der Charakter eines Stadtwerke-Netzwerks. Im Zuge der Neuordnung der Energiewirtschaft, etwa der Fusion von VEBA und VIAG zu Eon, kam es auch bei der Thüga, an der zwischenzeitlich auch Eon einen Anteil hielt, mehrfach zu Änderungen der Beteiligungsverhältnisse. Heute ist die Thüga Aktiengesellschaft nach eigenen Angaben an rund 100 kommunalen Unternehmen der Energiewirtschaft beteiligt. Eine Reihe dieser Unternehmen ist selbst wiederum Anteilseigner der Thüga Holding GmbH & Co. KGaA.

Im Februar 2001 sprach E&M Chefredakteur und Herausgeber Helmut Sendner mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Thüga AG, Dieter Nagel.
 
Dieter Nagel, Vorstandsvorsitzender der Thüga AG im Jahr 2001
Bild: E&M/Thüga

E&M: Herr Dr. Nagel, wissen Sie eigentlich, wie viel Gas die Thüga-Gruppe verkauft?
Nagel: Das steht im Geschäftsbericht: Es sind 192 Milliarden Kilowattstunden, was, über den Daumen geschätzt, etwa 20 Prozent des Gasabsatzes in Deutschland sind.
E&M: Der Hintergrund unserer Frage: Kann man ein Unternehmen mit mehr als hundert Beteiligungen überhaupt noch überblicken?
Nagel: Die Thüga ist ja nicht von heute auf morgen entstanden, sondern hat eine 130-jährige Entwicklung hinter sich. Und dabei ging es immer darum, über Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken eine Holdinggesellschaft mit Beratung zu entwickeln. Wir hatten nie das Ziel, eigenen Strom oder eigenes Gas zu verkaufen, wir wollten nie Mehrheiten an kommunalen Unternehmen, sondern immer nur der energiewirtschaftliche Ratgeber sein. Ich habe das Gefühl, dass wir das noch sehr gut im Griff haben. Wir haben hier in München eine Mannschaft mit 180 Mitarbeitern, wir haben vier Vorstände und viele Prokuristen, die sich die Betreuung der Unternehmen aufteilen und keine Probleme haben, das zu managen.
E&M: Dabei ist die gegenwärtige Situation für Sie günstiger denn je, sich weitere Beteiligungen ins Haus zu holen...
Nagel: Ja, weil durch die Liberalisierung alle Stadtväter vor der Frage stehen, können wir alleine überleben oder sollen wir bei noch hervorragenden Ergebnissen gleich alles verkaufen.
Thüga ist der festen Überzeugung, dass die Stadtwerke wegen ihrer Kundennähe eine sehr gute Überlebenschance haben. Aber sie brauchen bestimmte Dinge, die sie wegen mangelnder Größe nicht haben. Ein Stichwort sind Bündelkunden, ein anderes ist der Energieeinkauf.
POWERNEWS.ORG: Für den die Thüga die gemeinsame Stromhandelsgesellschaft Syneco gegründet hat: wie laufen die Geschäfte?
Nagel: Sehr gut. Wir erwarten in diesem Jahr ein Handelsvolumen von 15 Milliarden Kilowattstunden, das ist für einen Händler eine schöne Menge.
E&M: Mit der Deutsche Erdgas Handelsgesellschaft DEH wollen Sie das Gleiche beim Gas machen ...
Nagel: Das ist eine parallele Entwicklung, sobald der beim Gas langsam anlaufende Wettbewerb richtig in Gang gekommen ist. Für beide Gesellschaften gilt gleichermaßen, dass sie unseren Beteiligungen existenzfähige Bezugsbedingungen schaffen, wozu ein einzelnes Stadtwerk wahrscheinlich nicht fähig ist. Wichtig dabei ist auch: Beide Gesellschaften sind non profit-Unternehmen.
E&M: Die, wie die Thüga überhaupt, im Wettbewerb mit der Muttergesellschaft Eon stehen. Gibt es da keine Konflikte?
Nagel: Im Eon-Konzern spielen wir eine Sonderrolle: Wir betreuen die kommunale Seite und können deshalb bei unseren Minderheitsbeteiligungen nicht der verlängerte Vertriebsarm von Eon Energie sein. Eine der wichtigsten Thüga-Aktiva ist die Unabhängigkeit vom Vorlieferanten. Dafür gibt es im Konzern auch klare Vereinbarungen, dass wir beim Strom- und Gasbezug unabhängig sind. Deshalb ist für viele Stadtwerke, die eben keine Bindung zum Vorlieferanten haben wollen, das Thüge-Modell die Alternative.
E&M: Man mag´s kaum glauben: Sie nehmen Eon Energie Kunden weg, und das läuft konfliktfrei?
Nagel: Unsere Strategie ist darauf ausgelegt, dass unsere Beteiligungen im Wettbewerb ihre Kundenposition behalten. Das gelingt durch die Syneco recht gut. Was uns schon mal passiert, ist, dass uns unsere Mutter einen Kunden wegnimmt, aber das ist nun mal Wettbewerb.
E&M: Es steht die Fusion mit der Contigas und die Realteilung der rhenag an, wo das Bundeskartellamt schon mal leichte Bedenken angemeldet hat: Wie wollen Sie die ausräumen?
Nagel: Das Kartellamt ist gemeinsam mit Brüssel der Verursacher der Realteilung der rhenag. Eine an der Börse notierte Aktiengesellschaft real zu teilen, das ist eine höchst komplizierte Sache. Wir haben mit dem Kartellamt intensive und konstruktive Gespräche geführt und haben die Freigabe dieses Vorhabens erhalten. Entsprechendes gilt für die Zusammenführung Thüga/Contigas, die wegen der Eon-Mehrheit bei beiden Gesellschaften ohnehin weniger problematisch war.
E&M: Sie sind zur Zeit Chef von Thüga und Contigas gleichzeitig: Ist das nicht ein bisschen viel?
Nagel: Durch den tragischen Tod von Herrn Dr. Grießel, der Alleinvorstand der Contigas war, meinte der Aufsichtsrat der Contigas, dass es im laufenden Fusionsprozess sinnvoll ist, dass ich auch Chef von Contigas werde. Das hat sich bisher als gut erwiesen, denn der Fusionsprozess läuft ohne großes Aufsehen zügig und menschlich hochanständig.
E&M: Sie haben selbst gesagt, dass beim Erdgas der Wettbewerb erst langsam in Gang kommt, deshalb droht Bundeswirtschaftsminister Müller auch mit einer Regulierung: Wie gespannt oder entspannt verfolgen Sie die Entwicklung?
Nagel: Das ist nicht wirklich mein Fachgebiet, aber als Marktwirtschaftler hoffe ich sehr, dass die Gaswirtschaft alles tun wird, um mit der Industrie einen tragfähigen Kompromiss zu erreichen. Der Druck kommt ja auch aus Brüssel, und wir sollten dem Wirtschaftsminister den Rücken stärken, damit wir zu einer marktwirtschaftlichen Lösung kommen.
E&M: Glauben Sie, dass Ihre Beteiligungsunternehmen vom Gas-Wettbewerb profitieren können?
Nagel: Beim zunehmenden Wettbewerbsdruck müssen wir aufpassen, dass wir unsere zugegebenermaßen gute Ertragslage halten können. Dazu müssen wir unseren Kostenapparat durchleuchten und wie beim Strom auch, gute Bezugskonditionen erreichen.
Wir werden über die DEH bundesweit Kunden bündeln und dabei unsere Handelskompetenz nutzen.
E&M: Am besten wäre es doch für Sie, wenn Eon die Ruhrgas übernimmt...
Nagel: Ich verfolge diese Diskussion, kann dazu aber nicht viel sagen.
E&M: Wo wollen Sie Erdgas günstiger als heute herbekommen?
Nagel: Wir werden es dort kaufen, wo es am günstigsten ist. Wie beim Strom haben wir keinerlei Präferenzen.
E&M: Ihre Beteiligung an der Avacon, so wird gemutmaßt, steht zur Disposition.
Nagel (lächelt): Daraus mache ich keinen Hehl. Es gibt eine Vereinbarung mit unserer Mutter Eon Energie, dass wir uns im Tausch mit einer anderen Beteiligung von der Avacon-Beteiligung, die für uns auch auf Grund der geringen Beteiligungsquote unternehmerisch keinen Sinn macht, mittelfristig wieder trennen werden. Gedacht ist dabei an eine gut zwölfprozentige Beteiligung an der Gasag, die das RWE als Folge der Brüsseler Auflagen zur Entflechtung an den Eon-Konzern abgeben wird.
E&M: Ab Januar 2002 können Sie steuerfrei Beteiligungen verkaufen: Was möchten Sie loswerden?
Nagel: Die Thüga erwirbt in der Regel dauerhafte Beteiligungen. Wir gehen langfristige Partnerschaften mit einer Kommune ein und wollen die aus Optimierungsgründen nicht wechseln wie ein Hemd. Ich bin demnächst 30 Jahre im Vorstand der Thüga und weiß von keinem Fall, wo wir aus einer kommunalen Ehe wieder ausgestiegen wären.
E&M: Bei aller von Ihnen beschriebenen Harmonie mit der Thüga-Mutter ist es doch so, dass Eon Energie eine eigene Gas-Strategie fährt. Kann das nicht doch Einfluss auf Ihr Unternehmen haben?
Nagel: Es ist doch völlig logisch und richtig, dass ein Unternehmen wie Eon oder Eon Energie versucht, sich neben dem Strom auch bei Gas und Wasser stärker zu etablieren. Dabei gibt es eine klare Vereinbarung zwischen uns, dass die Thüga ihre Position in der Gasendverteilung ausbaut; was der Konzern an weiteren Gasaktivitäten eventuell entwickelt, betrifft unsere Aktivitäten nicht.
 
Die Thüga-Gruppe
Die Thüga-Gruppe erzielte 1999 einen Umsatz von 11,8 Mrd. DM; der gegenwärtige Börsenwert des Unternehmens liegt bei rund 7,5 Mrd. DM. Die Gruppe lieferte an knapp 3,3 Millionen Kunden 192,3 Mrd. kWh Erdgas und an 1,8 Millionen Kunden 17 Mrd. kWh Strom. Der Wasserabsatz betrug 194 Mio. Kubikmeter.
Durch die Fusion mit der Contigas und die Übertragung der Rhenag-Beteiligungen versammelt die Gruppe etwa 110 Beteiligungsunternehmen unter ihrem Dach – die Zahl ändert sich fast monatlich nach oben.
 
 

Helmut Sendner und Fritz Wilhelm
© 2024 Energie & Management GmbH
Samstag, 20.02.2021, 17:56 Uhr

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