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Enerige & Management > Klimaschutz - Ein digitaler Zwilling für die Erde
Bild: Shutterstock, Romolo Tavani
KLIMASCHUTZ:
Ein digitaler Zwilling für die Erde
Mit Hilfe von digitalen Zwillingen lassen sich komplexe physikalische Systeme simulieren. Das vielleicht komplexeste überhaupt, die Erde, soll künftig auch einen digital twin bekommen.
 
Um ihr Ziel einer Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, hat die EU zwei ehrgeizige Programme gestartet: den "Green Deal" und die "Digital Strategy". Als Schlüsselkomponente für die erfolgreiche Umsetzung haben Klimawissenschaftler und Informatiker die Initiative "Destination Earth" lanciert, die Mitte dieses Jahres starten wird und bis zu zehn Jahre laufen soll. In dieser Zeit soll ein hochpräzises digitales Modell der Erde entstehen, um Klimaentwicklung und Extremereignisse räumlich und zeitlich bestmöglich abzubilden.

So soll ein Informationssystem entstehen, mit dem Entwicklungsszenarien erarbeitet und getestet werden können, damit die Politik bessere Entscheidungen treffen kann. "Wenn man in Holland etwa einen zwei Meter hohen Deich plant, kann ich die Daten in meinem digitalen Zwilling durchspielen und überprüfen, ob der Deich aller Voraussicht nach auch im Jahr 2050 vor zu erwartenden Extremereignissen schützt", sagt Peter Bauer, stellvertretender Direktor für Forschung am Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) und Mitinitiator von Destination Earth. Auch für die strategische Planung von Frischwasser-​ und Lebensmittelversorgung oder Windfarmen und Solaranlagen soll der digitale Zwilling genutzt werden.

In den digitalen Zwilling sollen kontinuierlich Erdbeobachtungsdaten einfließen, um das Modell fortlaufend zu präzisieren. Neben den herkömmlich für Wetter-​ und Klimasimulationen genutzten Daten wollen die Forscher aber auch für das Klimasystem relevante Daten von menschlichen Aktivitäten in das Modell integrieren. Dadurch soll das virtuelle Modell die gesamten Prozesse an der Erdoberfläche sowie den Einfluss des Menschen in Bezug auf das Wasser-​, Nahrungs-​ und Energie-​Management möglichst realitätsnah abbildet.

Informationssystem zur Entscheidungsfindung

Die treibenden Kräfte hinter Destination Earth sind neben dem ECMWF die Europäische Weltraumorganisation ESA und die Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (EUMETSAT). Zusammen mit weiteren Klimaforschenden treibt Bauer die klimawissenschaftlichen und meteorologischen Aspekte des digitalen Zwillings der Erde voran. Dabei setzen die Experten auf das Know-how von Informatikern der ETH Zürich und des Nationalen Hochleistungsrechenzentrums der Schweiz (CSCS).

Denn um diesen großen Schritt der digitalen Revolution zu schaffen, brauche es die Vermählung der Erdwissenschaften mit den Computerwissenschaften, betont Bauer. In einer soeben in "Nature Computational Science" erschienenen Publikation  diskutiert das Team, mit welchen konkreten Maßnahmen man diese "digitale Revolution der Erdsystemwissenschaften" voranbringen möchte.

Denn in der Vergangenheit wurden in der Wetter-​ und Klimamodellierung unterschiedliche Ansätze verfolgt. Während Klimamodelle eine sehr breite Palette physikalischer Prozesse abbilden, vernachlässigen sie meist kleinräumige Vorgänge, die aber für Wettervorhersagen unerlässlich sind. Der digitale Zwilling wird beide Bereiche zusammenführen und hochauflösende Simulationen ermöglichen, die die komplexen Prozesse des Erdsystems abbilden.

Doch um das zu erreichen, so die Forschenden, muss der Code der Simulationsprogramme angepasst werden auf neue Technologien, die eine wesentlich höhere Rechenleistung versprechen. Hintergrund ist, dass die Code-Performanz mit der Entwicklung der Hardware schon seit längerer Zeit nicht mehr Schritt halten konnte. 

Algorithmen und Hardware gemeinsam denken

Um die notwendigen Verbesserungen zu erreichen, betonen die Autoren die Notwendigkeit des Co-​Designs, der gemeinsamen Entwicklung von Hardware und Algorithmen. Sie schlagen etwa vor, die Programme zur Lösung der wissenschaftlichen Probleme von jenen Algorithmen zu trennen, die die Berechnung auf der jeweiligen Systemarchitektur optimal durchführen. 

Großes Potenzial sehen die Autoren auch in der künstlichen Intelligenz (KI). Sie kann etwa für die Datenassimilation oder die Datenkomprimierung genutzt werden. KI ermöglicht, die Simulationen zu beschleunigen, indem die wichtigsten Informationen aus großen Datenmengen herausgefiltert werden.

Supercomputer mit 20 MW Leistungsbedarf

Bleibt die Frage nach Hardware, die in der Lage ist, ein so komplexes System wie die Erde zu simulieren − und die hat es in sich. Unter den heute zur Verfügung stehenden Rechnerarchitekturen identifizieren die Forschenden Supercomputer auf Basis von Grafikprozessoren (GPU) als erfolgversprechendste Option − ein Konzept, das etwa in der Öl- und Gasexploration mit großem Erfolg eingesetzt wird.

Sie schätzen, dass der Betrieb eines digitalen Zwillings in vollem Umfang ein System mit etwa 20.000 GPU erfordert, das schätzungsweise eine elektrische Leistung von 20 MW erfordert. 
 

Peter Koller
Redakteur
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Donnerstag, 25.02.2021, 13:31 Uhr

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