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Enerige & Management > Stadtwerke - "Jede vermiedene Tonne Treibhausgase zählt"
Bild: Jonas Rosenberger / E&M
STADTWERKE:
"Jede vermiedene Tonne Treibhausgase zählt"
Die Stadtwerke Konstanz sind in einer besonderen Lage. Sie liegen an der EU-Außengrenze und haben spezielle Geschäftsfelder. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Norbert Reuter.
 
E&M: Herr Reuter, wären Sie in diesen Zeiten manchmal lieber Geschäftsführer eines ‚ganz normalen‘ Stadtwerks ohne Ausflugsschifffahrt und Bäder, nur mit Strom-, Gas- und Wasserversorgung?

Reuter: Ganz im Gegenteil. Wir haben hier viele Möglichkeiten, die Stadt zu gestalten und sogenannten Citizen Value zu schaffen. Das ist eine große Herausforderung, aber auch eine sehr erfüllende Aufgabe.

E&M: In Zeiten der Pandemie ist diese Aufgabe sicherlich besonders herausfordernd.
 
Norbert Reuter: „Wir bieten in dieser Grenzregion einen Mehrwert“
Bild: Stadtwerke Konstanz

Reuter: Das ist richtig. Wir leiden natürlich unter den Folgen der Pandemie. Aber insgesamt werden wir sie gut überstehen. Wir hatten im Mai 2020 verschiedene Szenarien durchgerechnet: Best, Real und Worst Case. Im Real Case haben wir mit einem Defizit von 22 Millionen Euro kalkuliert. So wie es jetzt aussieht, landen wir bei einem Minus von nicht einmal vier Millionen. Die Umsatzerlöse und Kosteneinsparungen waren deutlich höher als gedacht, die Zahlungsausfälle deutlich geringer. Wir rechnen damit, dass wir im laufenden Jahr in vielen Bereichen wieder auf nahezu 100 Prozent kommen.

E&M: Aber nicht bei der Ausflugsschifffahrt und den Fähren, oder?

Reuter: Da wird es noch etwas länger dauern. Dafür wachsen andere Sparten sehr stark, etwa der Bereich Energieservice mit Nahwärmenetzen. Außerdem gehen wir davon aus, dass die Telekommunikations- und Rechenzentrumsdienstleistungen noch stärker nachgefragt werden. Die Fahrradvermietung und der Fahrradtransport auf unseren Schiffen haben schon in den vergangenen Jahren jeweils deutlich zugelegt. Der Trend wird weitergehen.

E&M: Die Telekommunikationssparte hat 2019 noch rote Zahlen geschrieben. Wann wollen Sie damit Geld verdienen?
 
In vielen Bereichen wieder nahezu auf 100 Prozent
 
Reuter: Wir sind sicher, dass wir dort ab 2024 positive Deckungsbeiträge erwirtschaften. Wir haben zwei Wohnungsbaugesellschaften unter Vertrag mit jährlich jeweils 900 Einheiten. Eine haben wir schon zum 1. Januar erfolgreich umgestellt. Die andere folgt Anfang 2022. Auf Basis dieser Verträge können wir den Break-even relativ sicher bestimmen. Die TV-Grundversorgung bildet dabei die Basis. Unserer Erfahrung nach buchen dann 50 Prozent der Kunden noch Zusatzdienste dazu − weitere Kanäle, Telefonie oder Internet.

E&M: Rechnen Sie fest mit dem Zusatzgeschäft?

Reuter: Wir sind uns sicher, dass unsere Produkte überzeugen, weil wir in dieser Grenzregion einen Mehrwert bieten. Kein anderer Betreiber bietet mehr HD- und UHD-Kanäle als wir. Und als einziger deutscher Anbieter haben wir Schweizer Sender in unserem Netz. Trotzdem haben wir konservativ kalkuliert und gehen erst einmal davon aus, dass 30 Prozent der Kunden noch Zusatzdienste buchen. Wichtig ist, dass sich das Angebot und damit die Erträge leicht skalieren lassen, etwa indem wir unser TV-Signal auch verkaufen, zum Beispiel nach Baden-Baden und Heilbronn. Eine Reihe weiterer Interessenten hat schon angefragt.

E&M: Gehen Sie die Telekommunikation in Eigenregie an?

Reuter: Wir erzeugen das TV-Signal hier bei uns am Standort, arbeiten aber bei der Entwicklung und Vermarktung der Telekommunikationsdienstleistungen in der ‚G-FIT‘ mit den Stadtwerken in Ulm, Lindau, Rosenheim und Regensburg zusammen.

E&M: Gilt das auch für den Glasfaserausbau?

Reuter: Bei der G-Fit geht es um die Entwicklung innovativer Produkte und Dienste. Den Glasfaserausbau machen wir komplett selbst. Wir haben damit schon 2010 angefangen, als man noch Überzeugungsarbeit leisten musste, dass das Geld dafür gut investiert ist. Wir hatten zunächst einen konkreten internen Bedarf für die Vernetzung mit den Kollegen in Friedrichshafen, konnten aber niemanden finden, der zu vertretbaren Konditionen für uns die aktive und die passive Technik aufbaut und betreibt. Deshalb haben wir das selbst in die Hand genommen und bauen nach und nach auch das Glasfasernetz in ganz Konstanz aus.

E&M: Heute müssen Sie die Investitionen nicht mehr rechtfertigen?

Reuter: Nein. Wir haben in diesem Jahr Investitionen in Höhe von rund fünf Millionen Euro geplant, um eben die zweite Wohnungsbaugesellschaft anzuschließen. Die Rückmeldungen dazu aus dem Aufsichtsrat waren durchweg positiv.

E&M: Wo haben Sie außerdem größere Investitionen geplant?

Reuter: Insgesamt werden wir 48 Millionen Euro im laufenden Jahr investieren. Die Bädergesellschaft investiert rund 15 Millionen, davon den größten Teil in den Neubau des Schwaketenbades. Unter anderem sind noch 5,3 Millionen für den Ausbau der E-Busflotte und Ladeinfrastruktur vorgesehen und rund zwei Millionen werden in die Planungen für die Elektrifizierung unserer Schiffsflotte fließen.

E&M: Sie setzen auf LNG und Batterien.

Reuter: Neben einem Fährschiff mit LNG-Antrieb werden wir in diesem Jahr noch eines von zwei batterieelektrischen Ausflugsschiffen in Betrieb nehmen. Das zweite folgt dann in zwei Jahren.

E&M: Warum setzen Sie keine batterieelektrische Fähre ein?

Reuter: Für den reinen Akkubetrieb gibt es Grenzen, weil die Energiedichte einfach noch nicht hoch genug ist. Bei den Ausflugsschiffen reicht sie gerade noch für eine Kapazität von 300 Personen an Bord. Wir haben allerdings noch eine Herausforderung: Wir haben auch denkmalgeschützte Schiffe. Dafür gibt es keine Lösungen von der Stange. Bei der Fähre müssen wir pragmatisch vorgehen. Denn hier brauchen wir einen stärkeren Antrieb. Deshalb setzen wir auf verflüssigtes Erdgas. Das reduziert deutlich die Emissionen, vermeidet sie natürlich nicht vollständig. Aber jede vermiedene Tonne Treibhausgase zählt.

E&M: Wann werden die Investitionen in die Dekarbonisierung der Flotte eingefahren sein?

Reuter: Das ist maßgeblich von den Fördermitteln abhängig. Wir gehen davon aus, dass wir einen Zuschuss in Höhe von 80 Prozent benötigen …

E&M: Obwohl die Schifffahrt bisher Gewinn gemacht hat?

Reuter: Ja, sowohl die Ausflugsschifffahrt als auch der Fähr- und Hafenbetrieb sind profitabel. Aber die Dekarbonisierung der Flotte ist eine Herkulesaufgabe, eine Aufgabe sicherlich für das nächste Jahrzehnt. Die Dekarbonisierungsstrategie der Stadt hat jedoch eine eindeutige Ausrichtung. Und die unterstützen wir.
 
„Das ist keine Lex Konstanz“
 
E&M: Für Ausflügler ist die Lage von Konstanz im Dreiländereck sehr attraktiv. Wie wirkt sie sich, vor allem die EU-Außengrenze, auf Ihre Arbeit aus?

Reuter: Wir betreiben eine grenzüberschreitende Buslinie. In Corona-Zeiten, wenn die Grenzen schließen, ist das natürlich eine Herausforderung, genauso die Umsetzung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nach Schweizer Recht. Große Chancen gibt es aber im Energievertrieb. Wir beliefern beispielsweise auch Gaskunden in der Schweiz, was uns 2019 Erlöse von mehr als 13 Millionen Euro gebracht hat.

E&M: Ist dazu eine Lex Konstanz nötig?

Reuter: Es gibt spezielle Regelungen, die uns die grenzüberschreitende Versorgung ermöglichen. Das ist aber keine Lex Konstanz, die uns Wettbewerbsvorteile gegenüber Schweizer Unternehmen verschaffen würde. Manche Regelungen behindern uns auch. Beispielsweise können wir nicht gemeinsam mit den Kollegen in Romanshorn deren sanierte Werft nutzen. Wir können kein Schiff zur Revision dorthin bringen oder gar einen neuen Motor mitliefern und dort einbauen lassen. Hier ließ sich keine pragmatische Lösung finden, um diese wertvolle Infrastruktur mit nutzen zu können. Das zeigt, dass unsere geografische Lage viele Chancen bietet, aber auch erhebliche Herausforderungen. E&M
 

Zur Person: Norbert Reuter

Seit 2014 ist der Betriebswirt und promovierte Verkehrswissenschaftler Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz und drei ihrer Tochtergesellschaften. Zuvor leitete er unter anderem vier Jahre die Saarbahn GmbH in Saarbrücken und war sechs Jahre lang Geschäftsführer der Stadtwerke Aschaffenburg Verkehrs-GmbH.
 Die Stadtwerke Konstanz2019 lag der Stromabsatz bei 210 Mio. kWh und der Gasabsatz bei 1,08 Mrd. kWh. Darüber hinaus zählen zu den Geschäftsfeldern der Stadtwerke neben Wasser und Energiedienstleistungen sowie der Telekommunikation auch die Sparten Bus- und Fährbetrieb und Fahrradvermietung. Die Ausflugsschifffahrt, der Hafen- und der Bäderbetrieb sind in eigene Tochtergesellschaften ausgegliedert. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Stadtwerke Konstanz GmbH lag 2019 bei 4,196 Mio. Euro. Dem gegenüber stand ein negatives Beteiligungsergebnis in etwa gleicher Höhe, das von der Bädergesellschaft dominiert wurde.
 

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