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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - "Regulieren ist Staatswirtschaft"
Bild: tomas / Fotolia
E&M VOR 20 JAHREN:
"Regulieren ist Staatswirtschaft"
E&M hat von Anfang an über den Wandel des Energiemarkts berichtet. In der Rubrik „Die Energiewirtschaft vor 20 Jahren“, geben wir einen Eindruck davon, was damals den Markt bewegte.
 
Mit der Liberalisierung der Energiewirtschaft im Jahr 1998 erlebte die Branche einen Paradigmenwechsel. Gebietsmonopole wurden aufgebrochen. Energieabnehmer wurden zu Kunden und Energie wurde zu einer börsengehandelten Commodity. Neue Player traten am Markt auf, alteingesessene Unternehmen verschwanden. Ausgewählte Beiträge aus unserer Zeitung und aus E&M powernews lassen Protagonisten aus dieser Zeit noch einmal zu Wort kommen und zeichnen die ehemaligen Strukturen der Branche nach.
 
Im Strommarkt nahmen Handel und Wettbewerb deutlich früher Fahrt auf, als im Gasmarkt. Zum einen sorgten langjährige Liefer- und Abnahmeverträge für starre Strukturen und die Ölpreisbindung für wenig Preisgestaltungsspielraum. Zum anderen gab es mit den verschiedenen Versionen der Verbändevereinbarung ein Durchleitungsregime, das einerseits komplex war, andererseits auf freiwilliger Basis den Netzzugang für Dritte regeln sollte. Effektiver Wettbewerb kam dadurch nicht zustande, so dass 2004 der verhandelte Netzzugang durch einen von der Bundesnetzagentur regulierten ersetzt wurde.
 
Im Februar 2001 sprach E&M-Chefredakteur und Herausgeber Helmut Sendner mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Ruhrgas AG, Friedrich Späth. Die Ruhrgas wurde später in einem aufsehenden Verfahren mit einer Ministererlaubnis von Eon übernommen und danach vollständig verschmolzen. Damit ist der Name „Ruhrgas“ Geschichte.
 
 
Am 8. Februar, einen Tag vor seinem 65. Geburtstag, lud Ruhrgas-Chef Friedrich Späth Journalisten nach Berlin zu einer Pressekonferenz ein. Seine Botschaft: Der Gaswettbewerb funktioniert, eine Regulierung würde die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährden.
 
Der Presseclub in Berlin ist nicht weit vom Sitz des Bundeswirtschaftsministers Werner Müller entfernt, der mit einer Regulierung des liberalisierten Gasmarktes droht, sollten die Wirtschaftsverbände nicht schleunigst die Verbändevereinbarung Gas neu formulieren. Müller macht Druck, weil er auch Druck aus Brüssel hat: Ende März spätestens will er ein Papier auf dem Schreibtisch, das Durchleitung, Engpassmanagement und Speicherzugang befriedigend regelt.
„In der öffentlichen Liberalisierungsdiskussion wird von interessierter Seite der Eindruck vermittelt, dass es keinen funktionierenden Gaswettbewerb in Deutschland gibt“, sagte Späth in Berlin, und er sagte, dass er anderer Meinung ist. An sechs Kernpunkten machte der im Juni aus dem Vorstand scheidende Ruhrgas-Chef seine Position klar:
 
  • Ruhrgas gestaltet die neuen Marktbedingungen aktiv mit
  • Deutschland gehört zu den Vorreitern in der EU – Ziel muss die Chancengleichheit für Unternehmen in allen EU-Ländern sein
  • Regulierung ist die schlechtere Lösung – sie führt in die Verknappung und nicht zu niedrigen Preisen
  • Händlerinteressen werden zum Maßstab der Liberalisierung, aber Händler übernehmen keine Verantwortung für die Versorgungssicherheit
  • Die Durchleitung in Deutschland funktioniert – eine Springflut von Transportverträgen ist aufgrund der Marktgegebenheiten nicht zu erwarten
  • In Deutschland herrscht ein intensiver Gas-zu-Gas-Wettbewerb – dies darf aber nicht nur am Kriterium Lieferantenwechsel gemessen werden.
 
Zu den laufenden Verhandlungen zu der Verbändevereinbarung schwieg sich Späth mit dem Hinweis aus, dass Stillschweigen vereinbart worden sei. Es gehöre zu Veränderungsprozessen, dass der „Sympathiebonus bei den Newcomern“ liegt, so Späth, aber es sei sachlich nicht haltbar, der deutschen Gaswirtschaft „pauschal die Rolle des Bremsers“ zuzuweisen. Auf die Speichernutzung und das Engpassmanagement stelle sich sein Unternehmen ein, sagte Späth, und bei der Durchleitung und der Entgeltsystematik verwies der Ruhrgas-Vorstandsvorsitzende auf einen Vergleich der EU, der zeigt, dass die Ruhrgas die günstigsten Durchleitungsgebühren in Europa hat.
 
Späth warnte davor, den Gasmarkt zu regulieren: „Wenn es in Europa eine Regulierung wie in Kalifornien gibt, dann kann Kalifornien überall sein.“ Nach Meinung des Ruhrgas-Lenkers werde es dann zu Engpässen und Störungen bei der Versorgung kommen, allein deshalb, weil nicht mehr ausreichend investiert werde. Die Brüsseler Regulierungsvorschläge bezeichnete Späth als „extrem“, sie gingen in Richtung kalifornischer Verhältnisse. „Regulierte Systeme wie in Großbritannien und den USA sind bislang den Beweis der Überlegenheit schuldig geblieben“, so Späth, „sie müssen ständig nachreguliert werden und schaffen unflexible Strukturen.“ In Großbritannien habe es seit 1990 etwa 450 Verordnungen bei der Regulierung gegeben, mit denen sich die Gaswirtschaft beschäftigen musste.
 
Der Ruhrgas-Chef glaubt, dass „Spotmarktgeschäfte und Transporte begrenzte Markterscheinungen“ sind. „Der Wettbewerb wird sich verschärfen“, so Späth. „Wir werden versuchen, unsere Kunden zu halten. Das führt zu niedrigeren Preisen, aber nicht unbedingt zum Lieferantenwechsel.“

„Wir wollen keine Regulierung“, sagte Späth. So doch eine käme, sei er „optimistisch, dass sie vernünftig ausfällt“.
 
Werner Müller wird es wohl gehört haben.
 
Friedrich Späth (Vorstandsvorsitzender der Ruhrgas AG, 2001): „Zu solchen Hirngespinsten gebe ich keinen Kommentar ab“
Bild: Ruhrgas (E&M)

E&M: Herr Späth, seriöse Vertreter der Gaswirtschaft gehen davon aus, dass der Spotmarkt mittelfristig etwa 20 Prozent des Erdgasabsatzes ausmachen wird und dass die Preise auch um diesen Prozentsatz fallen werden: Stimmen Sie überein?
Späth: Ich würde mich hüten, solche Zahlen zu nennen. 20 Prozent Spotmarkt wären immerhin mehr als zehn Milliarden Kubikmeter. Ich kann nicht erkennen, wo die herkommen sollen, denn diese Mengen gibt es nicht frei auf dem Markt. Und was die Preise betrifft, die werden wahrscheinlich in den nächsten Monaten fallen, aber nicht wegen des Spotmarktes, sondern weil die Energiepreise, auch der Ölpreis, generell wieder runter gehen.
E&M: Die Erdgasspeicher spielen im Wettbewerb eine wichtige Rolle, die Öffnung wird von der EU und auch von Wirtschaftsminister Müller angemahnt. Gibt es dabei eine Grenze, wo Sie sagen, mit mir nicht?
Späth: Wir haben uns doch bereit erklärt, die Speicher zu öffnen und Speicherangebote zu machen.
E&M: Worum wird dann noch gestritten?
Späth: Das ist ein Punkt der Verbändevereinbarung, zu dem ich mich nicht äußern möchte, aber letztlich geht es natürlich um die Konditionen.
E&M: Darum, dass Sie so wie bei der Durchleitung Geld verdienen wollen ...
Späth: Das ist das Ziel, denn wir können Dritten keine kostenlose Dienstleistung anbieten. Im Augenblick ist es so, dass die Industrieseite Gebührenvorstellungen hat, die mit Sicherheit wirtschaftlich nicht ausreichend sind.
E&M: Sie lehnen eine Regulierung ab, aber wenn sie denn käme, dann müsse sie vernünftig sein: Was ist denn eine vernünftige Regulierung?
Späth: Regulieren ist nichts anderes als Staatswirtschaft, und die geht erfahrungsgemäß nicht gut. Die Frage dabei ist, wie stark eingegriffen wird. Wenn es so ist wie in Kalifornien, dass die Unternehmen keinen Spielraum mehr haben, dann läuft es schief. Was heute in Brüssel vorgeschlagen wird, das geht in diese Richtung. Die vernünftige Regulierung beschränkt sich auf Leitlinien, die den Unternehmen Handlungsspielraum lassen. Aber ich möchte noch einmal unmissverständlich sagen: Wir wollen keine Regulierung.
E&M: Wie schätzen Sie das Volumen an Fremdgas ein, das die Ruhrgas durch ihr Leitungsnetz transportieren wird?
Späth: Ich vermeide es, über Dinge zu reden, die heute nicht klar vorherzusagen sind.
E&M: Dazu gehört dann wohl auch, was Wintershall-Chef Detharding äußert, nämlich dass es die Ruhrgas in ein paar Jahren so nicht mehr geben wird ...
Späth: Zu solchen Hirngespinsten gebe ich keinen Kommentar ab.
 
 

Helmut Sendner/Fritz Wilhelm
© 2024 Energie & Management GmbH
Montag, 01.02.2021, 15:12 Uhr

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