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WINDKRAFT OFFSHORE:
Start der Energiewende auf See
Vor 15 Jahren ging in der Nähe des Rostocker Hafens die erste Offshore-Windturbine bundesweit in Betrieb, die wirklich in zwei Meter tiefem Wasser stand und bis heute problemlos läuft.
 
Als US-Astronaut Neil Armstrong im Juli 1969 als erster Mensch den Mond betrat, sprach er seinen Satz für die Ewigkeit: „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.“

Ganz so epochal ist der Start einer Windturbine sicherlich nicht gewesen, die vor 15 Jahren am 15. Februar 2006 offiziell in Betrieb gegangen ist. Aber immerhin kann sich diese Nordex-Anlage vom Typ N90 mit 2,5 MW Leistung mit dem Zusatz „Erste Offshore-Windenergieanlage in Deutschland“ schmücken: Denn diese N90 hatte wirklich so etwas wie nasse Füße.

Das Fundament der Windturbine war in zwei Meter Wassertiefe angebracht, und zwar im sogenannten Rostocker Breitling, einer gut 500 Hektar großen natürlichen Verbreiterung des Warnow-Flusses kurz vor seiner Mündung in die Ostsee. Zur besseren zeitlichen Einordnung: Das Testfeld Alpha Ventus, Deutschlands erster richtiger Hochseewindpark in der Nordsee, ging 2010 in Betrieb.

Alle Materialien und die Arbeiter mussten für das Breitling-Projekt per Schiff zur Baustelle transportiert werden, fast ein Novum in der Geschichte der deutschen Windbranche. Im Herbst 2004 hatte es bereits an der Unterems den Bau einer sogenannten Nearshore-Anlage gegeben, die mit einem kleinen Steg vom Ufer aus gut zu erreichen ist. Für die Errichtung der Enercon-Anlage von Typ E-112 mit 4,5 MW Leistung, kurz vor der Einfahrt in den Hafen von Emden, hatte der Windturbinenhersteller damals auch einige Schiffe eingesetzt. Beim Breitling-Projekt gab es aber schon mehr Offshorewind-Feeling als an der Ems.
 
Nach mehr als viermonatigem Aufbau stand im Februar 2006
Deutschland erste Windturbine wirklich im Wasser.
Bild: Nordex SE/Jan Oelker

„Diese ersten Offshore-Anlagen waren das Sinnbild einer Vision - der Vision, dass Offshore-Windparks eines Tages kostengünstigen grünen Strom vom Meer liefern könnten“, lobt Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windparkbetreiber Offshore (BWO), den Pioniergeist der ersten Pilotprojekte.

Für den Windturbinenhersteller Nordex ist die Pilotanlage im Umfeld des Rostocker Hafens, für die sich die Investitionskosten auf rund vier Millionen Euro belaufen haben, die einzige „Offshore-Windturbine“ in deutschen Gewässern geblieben. Dabei hatten die Entwicklungsingenieure der norddeutschen Windschmiede unter anderem extra ein Hubschrauber-Landedeck auf der Gondel designt, um so Servicekräfte bei allen Wetterlagen auf die Anlage bringen zu können. Außerdem gab es aus Sicherheitsgründen bereits einen Mittelspannungstransformator im Maschinenhaus in 80 Meter Höhe – heute Standard, damals für die Fachwelt eine Sensation.

Breitling war der Auftakt für die Entwicklung einer eigenen, getriebelosen Seewind-Maschine mit einer Leistung von sechs MW gewesen. Von diesen Plänen verabschiedete sich das Nordex-Management aber 2012 wegen zu hoher Entwicklungskosten und einer fraglichen Rentabilität.

Vielleicht zu früh. Denn die N90 im Rostocker Breitling hat sich bewährt. „Bei der Anlage mussten wir selbst nach 15 Jahren keine Hauptkomponente austauschen, was für eine Windturbine dieser Leistungsklasse außergewöhnlich ist“, resümiert Carlo Schmidt. Der Geschäftsführer der mecklenburgischen Wind-Projekt GmbH hatte Deutschlands erste Offshore-Windturbine nicht nur geplant, sondern ist mit seinem Team seit dem Start auch für die technische Betriebsführung zuständig. Nach seinen Worten produziere die N90 seit 2006 jährlich, wie geplant, knapp 6 Mio. Kilowattstunden. Worüber sich die E.dis natur GmbH (ein Tochterunternehmen aus dem großen Eon-Verbund) freuen kann, die offizieller Betreiber der Breitling-Anlage ist.

Schmidt war später mit seiner Crew auch für die Genehmigung des ersten größeren Windparks in deutschen Ostseegewässern zuständig: Projekt Baltic 1 mit einer Leistung von gut 50 MW, das später vom Energiekonzern EnBW übernommen worden ist.

In der Breitling-Anlage sieht der langjährige Windkraftprojektierer Schmidt auch heute noch den „Startschuss der Energiewende auf See in Deutschland.“ 15 Jahre nach dem offiziellen Start der N90 mit nassen Füßen sind heute 1.501 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 7.700 MW vor der deutschen Nord- und Ostseeküste in Betrieb. Mit dieser Kapazität belegt Deutschland derzeit im europäischen Vergleich den zweiten Platz hinter Großbritannien. Noch.

„Die momentane Situation der Offshore-Windbranche in Deutschland ist bedauerlich“, betont BWO-Geschäftsführer Thimm, was ihm die Jubiläumsstimmung schon vermiest, „wir befinden uns aktuell in einer Ausbaulücke, die auf eine Reduktion der Ausbauziele im Jahr 2014 zurückzuführen ist. Erst ab Sommer 2022 werden wieder neue Offshore-Windturbinen vor der deutschen Küste in Betrieb gehen.
 

Ralf Köpke
© 2024 Energie & Management GmbH
Montag, 15.02.2021, 11:15 Uhr

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