• Energie-Großhandel mit Gegenbewegung nach oben
  • Urteil: Bundestag darf über Klimaschutzgesetz abstimmen
  • Bald müssen Grafenrheinfelds Kühltürme dran glauben
  • Ampelabgeordnete entwerfen Fortsetzung des Solarpakets
  • Über Umwege kommt München doch an 1.300 neue Ladepunkte
  • Weltweites Wachstum enorm, doch immer noch zu gering
  • Wärmepumpen vom Kaffeeröster
  • Nach der Mako-Umstellung ist vor der Mako-Umstellung
  • Europaparlament schließt Wahlperiode mit NZIA ab
  • Neues Strommarkt-Design weiter zahnlos
Enerige & Management > Energiemanagement - Den eigenen Verbrauch strukturiert senken
Quelle: Stadtwerke Böblingen
ENERGIEMANAGEMENT:
Den eigenen Verbrauch strukturiert senken
Die Stadtwerke Böblingen haben bereits vor einigen Jahren das Energiemanagementsystem nach DIN ISO 50001 eingeführt − eine wichtige Grundlage für mehr Effizienz.
 
Daten erfassen, plausibilisieren und auswerten, das sind die ersten Schritte für effizienteres Wirtschaften. Auch Stadtwerke und Versorger sind im Rahmen des neuen Klimaschutzgesetzes im Bund und der verpflichtenden Wärmeplanung in Baden-Württemberg künftig für den Klimaschutz eine wichtige Stütze. Deshalb müssen sie ihren eigenen Verbrauch wie auch die effiziente Erzeugung von Wärme und Strom und die Verteilung verstärkt in den Blick nehmen.

Die Stadtwerke Böblingen haben bereits vor acht Jahren dafür ein Energiemanagementsystem eingeführt. Die KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg hat sie bei der Einführung unterstützt und steht den Mitarbeitenden des Versorgers beratend zur Seite.

Mit Einführung der DIN ISO 50001 haben die Stadtwerke Böblingen ihr Energiemanagement professionalisiert. Eine der grundlegenden Aufgaben war dabei der Aufbau eines Energiecontrolling-Systems. „Dafür haben wir rund neun Monate gebraucht. Vor allem die Aufnahme der Daten und Verbrauchswerte aller Standorte und Anlagenkomponenten wie zum Beispiel der Heizwerke, der Umspannanlagen, der Verwaltungsgebäude, der Parkhäuser oder Schwimmbäder und Wasserwerke war aufwendig“, erzählt Horst Fernsner von der Abteilung Energiemanagement bei der KEA-BW. „Man lernt, salopp gesagt, jede einzelne Pumpe kennen.“
 
Für die Einführung eines EnMS nach der DIN ISO 50001 mussten alle Verbraucher und deren Daten akribisch dokumentiert werden. Dazu gehören beispielsweise auch die Heizkraftwerke
Bild Stadtwerke Böblingen

Der Nutzen überwiegt deutlich, denn mit dem Wissen um die Anlagentechnik werden mittel- und langfristig Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen erreicht: Ein Kern des 2015 novellierten Energiedienstleistungsgesetzes (EDL-G) ist die Verpflichtung von Unternehmen, mindestens alle vier Jahre ihren Energieverbrauch von akkreditierten Experten überprüfen zu lassen. „Neben der DIN ISO 50001 wäre auch die jährliche Durchführung eines Energieaudits nach DIN EN 16247 möglich gewesen“, sagt Fernsner. „Ein wesentlicher Faktor, der für ein Energiemanagement nach DIN ISO 50001 spricht, sind Managementstrukturen und Controlling, die mit dieser Norm aufgebaut werden. Ein weiterer Nutzen für das Unternehmen ist, dass nach der jährlichen externen Überprüfung das Unternehmen berechtigt ist, auch Steuerrückvergütungen zu beantragen.“

Für die Einführung der DIN ISO 50001 haben die Stadtwerke Böblingen ein Energieteam gegründet, dass sich regelmäßig trifft. Es setzt sich aus Mitarbeitern der verschiedenen Abteilungen zusammen. Da auch die Geschäftsführung Teil des Teams ist, seien außerdem die Entscheidungswege in Böblingen kurz.
Im Fokus der Norm stehen strategische und energetische Ziele, die erreicht werden sollen. Bei dem kommunalen Versorger ergeben sich diese aus dem Konsortialvertrag und dem Leitbild. Dazu gehören unter anderem der Ausbau des bestehenden Fernwärmenetzes sowie die Erhöhung des Absatzes an Fernwärme, die Minderung der CO2-Emissionen, die Senkung des Energieverbrauchs im Unternehmen und die Erhöhung des Anteils der erzeugten KWK-Wärme.
 
Die KWK-Modernisierung in Dagersheim erhöht die Effizienz der Versorgung und ist Teil der strategischen Ziele, die die Stadtwerke Böblingen im Rahmen des Energiemanagements formuliert haben
Bild: Stadtwerke Böblingen

„Die KEA-BW steht uns bei allen Dingen beratend zur Seite und hat für uns das Controlling übernommen. Das ist bei dieser komplexen Materie sehr hilfreich“, sagt Caroline Jackson, Energiemanagementbeauftragte von den SWBB. Experte Fernsner ist auch bei den jährlichen Zertifizierungen dabei: „Zu meinen Aufgaben gehört es ebenfalls, Fragen bezüglich der Auslegung der Norm mit dem Zertifizierer zu klären.“

Die Zertifizierer orientieren sich bei der Überprüfung an dem „Handbuch für das Energiemanagementsystem“, das alle Anforderungen der Norm behandelt und einen detaillierten Überblick über die Strukturen im Unternehmen, über Ziele, Kennwerte und Maßnahmen, mit denen die Ziele erreicht werden sollen, gibt
Das Monitoring und die Reports ermöglichen es, einen strukturierten Überblick über die Vebrauchsentwicklung zu erhalten. So können zum Beispiel Anlagen mit einem hohen oder ungewöhnlichen Verbrauch gezielt überwacht und optimiert werden. Für das Controlling haben die Stadtwerke für verschiedene Bereiche unterschiedlichste Kennzahlen entwickelt. „Für die Bäder nutzen wir beispielsweise den Kennwert ‚Kilowattstunde pro Badegast‘“, erklärt Fernsner. Auch diese Kennwerte habe man in den vergangenen Jahren gemeinsam entwickelt. Für das Monitoring wird die EnMS-Software Interwatt genutzt.

Wichtig dabei ist, dass nicht nur das Energieteam am Prozess beteiligt ist, sondern die gesamte Belegschaft. „Das Einbinden der Mitarbeiter ins Energiemanagement ist unglaublich wichtig“, sagt Jackson. „Denn nur die Mitarbeiter als Spezialisten ihres jeweiligen Gebietes oder ihrer Abteilung wissen, wo es Einsparpotenziale gibt.“ So konnte mithilfe eines Mitarbeiters die Pumpensteuerung der Fernwärme optimiert werden. Die Stadtwerkebeschäftigten werden daher regelmäßig über Ziele und Ergebnisse informiert und können aktiv ihre Vorschläge einbringen. Jackson: „Das ist sehr motivierend, wenn am Ende das Ziel erreicht wird.“ Allein bei dem Beispiel mit den Pumpen liege der Spareffekt bei mehr als 50.000 Euro im Jahr. Da zu einem solchen EnMS auch verpflichtend gehört, Prozessbeschreibungen zu erstellen, wird Wissen im Unternehmen für alle Mitarbeiter verfügbar gemacht. Zudem finden Schulungen und Weiterbildungen statt.

Über das Energiemanagement wurden in den vergangenen Jahren viele kleinere und große Maßnahmen umgesetzt – von Steuerungsoptimierungen über die Sanierung der Parkhausbeleuchtung bis hin zum Ausbau des Fernwärmenetzes. Zu den größeren Maßnahmen zählen auch Blockheizkraftwerke, die installiert wurden und die Spitzenlasten mit abdecken.

Die beiden erdgasbefeuerten BHKW haben jeweils eine elektrische Leistung von 2 MW und eine thermische von 2,1 MW. Eines der Aggregate ist in das bestehende Heizwerk „Grund“ an der Ernst-Reuter-Straße integriert worden. Somit ist das Heizwerk (40 MW), welches das Stadtgebiet versorgt, nun ein Heizkraftwerk.
Das zweite BHKW steht in der Energiezentrale des Technologieparks H 130 auf der Hulb und versorgt den Park im Inselbetrieb. Zudem wurde eine Verbindungsleitung zwischen der Energiezentrale und dem Fernwärmenetz geschaffen. Mit diesem Zusammenschluss der Wärmenetze kann Wärme aus dem Restmüllheizkraftwerk (RMHKW) und den installierten Blockheizkraftwerken in alle Stadtgebiete geliefert werden.

Insgesamt hat sich das Energiemanagementsystem in Böblingen bewährt und ist kontinuierlich gewachsen. „Dass wir die KEA-BW als Berater für die vielen Details haben, ist dabei sehr von Vorteil. Sie sind immer auf dem neuesten Stand“, zeigt sich Jackson zufrieden. Fernsner ergänzt: „In kommunalen Unternehmen gibt es oft viele Mitarbeiter, die ein sehr gutes Fachwissen in ihrem Bereich haben. Da ist es gut, wenn jemand einen Gesamtüberblick über alle Abteilungen hinweg hat, wie auch den Managementpart der DIN 50001 im Auge behält.“

Was die Stadtwerke Böblingen vor Jahren begonnen haben, setzten beispielsweise die Stadtwerke Heidelberg Ende vergangenen Jahres um. Auch die Heidelberger haben mithilfe der KEA-BW ein Energiemanagement nach EU-Norm DIN ISO 50001 eingeführt. „Als kommunales Unternehmen haben wir eine Vorbildfunktion, die wir gern übernehmen“, betont Falk Günther, Geschäftsführer der Stadtwerke Heidelberg Netze. „Wir investieren seit zehn Jahren in immer mehr grüne Energie und wollten nun auch verstärkt unseren eigenen Energieverbrauch ins Visier nehmen.“ Auch hier habe alles gut funktioniert. Das System konnte trotz Corona innerhalb von zehn Monaten eingeführt und zertifiziert werden.

„Das Energiemanagement der Stadtwerke Heidelberg ist jetzt aus einem Guss und bildet die Grundlage für ein dauerhaftes energieeffizientes Wirtschaften“, sagt Horst Fernsner von der KEA-BW. Er setzte das Projekt um und wird den Prozess noch rund zwei weitere Jahre begleiten. Anderen Unternehmen, die sich für ein solches Energiemanagement entscheiden, empfiehlt der KEA-BW-Experte eine gute Vorbereitung. Solch ein komplexes Projekt bewältige sich leichter, wenn viele Daten bereits erfasst sind und dafür Standards verwendet werden.
 

Heidi Roider
Redakteurin und Chefin vom Dienst
+49 (0) 8152 9311 28
eMail
facebook
© 2024 Energie & Management GmbH
Donnerstag, 05.08.2021, 09:01 Uhr

Mehr zum Thema