• Strom-Spot sinkt wegen mehr Windstroms um fast 40 Euro
  • Gericht bestätigt Baustopp für Gasprojekt bei Borkum
  • Düsseldorf verlängert mit Vorständin und Arbeitsdirektorin
  • Experten fordern Grundgesetz-Änderung für mehr Klimaschutz
  • Renaissance der Diesel-Busse durch knappe Kassen
  • Wer zahlt für den Netzumbau?
  • Das „Forum Systemstabilität“ nimmt die Arbeit auf
  • Elektromobilitäts-Verband trennt sich von Gründer Kurt Sigl
  • DWV legt „Fahrplan“ zum Hochlauf der H2-Wirtschaft vor
  • Insolventer deutscher PV-Vertrieb Eigensonne ist gerettet
Enerige & Management > Interview - Heinze: "Einfach mal selbst machen"
Bild: Fotolia, wellphoto
INTERVIEW:
Heinze: "Einfach mal selbst machen"
Von Rhedes Stadtwerke-Chef Ronald Heinze wollte E&M wissen, wie er die Selbstständigkeit seines kleinen Kommunalversorgers auch künftig sicherstellen will.
 
Knapp 20.000 Einwohner leben in Rhede im westlichen Münsterland unweit der deutsch-niederländischen Grenze. Seit 1906 hat Rhede eigene Stadtwerke, die heute im Stromsektor rund 5.600 Zählerstellen betreuen. Wie das Unternehmen mit seinen 80 Mitarbeitern, die 2019 einen Umsatz von rund 65 Mio. Euro erwirtschafteten, weiterhin selbstständig bleiben will, wollte E&M von Stadtwerke-Chef Ronald Heinze wissen.

E&M: Herr Dr. Heinze, die Stadtwerke Rhede gehören zu den kleineren in Nordrhein-Westfalen. Mit welcher Strategie wollen Sie es schaffen, dass Ihr Unternehmen auch künftig eigenständig bleibt?

Heinze: Gefühlt gehören wir zu den größeren Unternehmen im Markt (schmunzelt!), weil wir alle Tätigkeitsfelder abdecken. Unsere Kunst besteht darin, die richtigen Mitarbeiter zu finden und sie möglichst eigenverantwortlich und kreativ arbeiten zu lassen. Ich habe mich immer gegen den von Beratern gerade kleineren Stadtwerken standardmäßig empfohlenen angeblichen Königsweg „Kooperationen“ gewehrt. Kooperationen haben für mich in vielen Fällen etwas mit Feigheit zu tun. Unser Motto lautet „Einfach mal selbst machen“. Damit sind wir in der Vergangenheit gut gefahren und wollen das auch in Zukunft fortsetzen. Wichtig für mich ist es vor allem, keine eigenen Kompetenzen abzugeben. Genau das geschieht nämlich bei Kooperationen.

E&M: Das heißt in Rhede also „Kooperationen – Nein danke“?

"Ich akzeptiere auch eine gewisse Fehlerkultur"

Heinze: Ein Wort noch zu meinem letzten Satz: Wenn ich auf meine eigenen Leute bauen, dann akzeptiere ich auch eine gewisse Fehlerkultur. Wenn eine geplante Investitionsrendite mal nicht erreicht wird, dann muss ich damit leben. Wichtiger ist mir neben einer Lernkurve der Erhalt unserer Eigenständigkeit. Kooperationen machen für mich insbesondere beim Wissens- und Erfahrungsaustausch Sinn, und zwar ganz großen. Wir müssen beispielsweise nicht ein eigenes Handbuch für unseren Entstörungsdienst schreiben, sondern profitieren von vorhandenem Wissen.
 
Ronald Heinze: "Ich halte dieses übliche BWL-Voodoo-Ebit-Zahlengemisch als Bewertungssystem für die Arbeit von Stadtwerke-Geschäftsführern für überholt und nicht mehr zeitgemäß."
Bild: Stadtwerke Rhede


E&M: Können Sie Ihren eigenständigen Kurs in Rhede nach wie vor deshalb fahren, weil Ihre Zahlen stimmen?

Heinze: In der Tat, solange die Zahl rechts unten im Jahresabschluss stimmt, ist alles gut. Solange sie zudem die Daseinsvorsorge für die Bevölkerung an erster Stelle sehen, haben sie als Stadtwerke viele Freiheiten. Ich warne aber davor, nur diese eine Zahl zum Maßstab aller Dinge zu machen. Sobald ich mich auf die Sirenengesänge von diesen BWL-Beratern einlasse, die meist die Unternehmen auf mehr Einsparungen und Effizienz trimmen wollen, entstehen Probleme. Die Ergebnisse lassen sich meist kurzfristig gravierend verbessern, wichtig ist aber die Langzeitperspektive. Stadtwerke sind nun mal keine kalten, rein gewinnorientierten Unternehmen. Das muss Politik und Gesellschaft immer wieder klargemacht werden.

E&M: Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Auch Ihre Arbeit in Rhede wird vornehmlich an der Bilanz, der Gewinnabführung und den Konzessionsabgaben gemessen.

Heinze: Deshalb bedarf es unbedingt eines neuen Bewertungssystems, neuer Kennzahlen für die Führung eines Stadtwerks. Dieses System muss den Beitrag zur Daseinsvorsorge, zur Nachhaltigkeit, zur Resilienz sowie zum Klimaschutz und zur Energiewende beinhalten. Ich halte dieses übliche BWL-Voodoo-Ebit-Zahlengemisch für überholt und nicht mehr zeitgemäß. Deshalb mache ich mich für einen Neujustierung, wie die Arbeit von Stadtwerke zu bewerten ist, stark.

E&M: Um aber noch bei der Zahl unten rechts zu bleiben: Mit welchen neuen Aktivitäten wollen Sie es schaffen, dass Rhedes Stadtkämmerer weiterhin ein zufriedenes Lächeln im Gesicht beim Blick auf Ihre Bilanzzahlen hat?

Heinze: In Rhede profitieren wir beim laufenden Geschäft von unserem guten Image, das wir uns in den zurückliegenden Jahren erarbeitet haben. Als Ertragsbringer erweisen sich zunehmend unsere Aktivitäten bei der Telekommunikation und beim Glasfasernetzausbau. Hier haben wir außerhalb Rhedes einige Netze gegen Konkurrenten wie die Telekom oder die Deutsche Glasfaser gewinnen können. In diesen Städten haben wir auch begonnen, unsere Produkte von Energie bis hin zur Internettelefonie anzubieten. Wir haben außerdem begonnen, Dienstleistungen für andere kleinere, zum Teil neu gegründete Stadtwerke anzubieten. Diese Unternehmen fühlen sich uns auf Augenhöhe gut behandelt, deshalb sehe ich in diesem Geschäftsfeld weiteres Wachstumspotenzial für uns.

E&M: Womit wollen Sie ansonsten zusätzliches Geld verdienen?
 
Daseinsvorsorge heißt für die Stadtwerke Rhede auch das Sponsoring von Werbetafeln in der Innenstadt.
Bild: E&M, Ralf Köpke

Heinze: Wir unterstützen ein Spin-off mit fünf jungen Leuten, die für uns die Studie „Wärmewende in Rhede 2040“ erarbeiten. Der Erste Auftrag ist ein Konzept für die Nutzung des früheren Stadtwerke-Geländes, das wir gerne für ein Mehr-Generationen-Wohnprojekt nutzen wollen. Dabei soll es keine Heizkessel für jede Wohnung geben, sondern eine Wärmeversorgung über eine zentrale Einheit, die in einigen Jahren möglicherweise mit Wasserstoff betrieben werden kann. Sollte dieses Konzept im Stadtrat eine Mehrheit bekommen, verschafft uns das nicht nur Arbeit für die nächsten Jahre. Wir haben auch eine Blaupause in der Hand, die wir anderswo anbieten können.

E&M: Sie als studierter Strömungstechniker haben in den Nuller-Jahren ein Kleinwasserkraftwerk mit einer offen liegenden Förderschnecke konzipiert, das nicht nur bei Ihnen in der Region, sondern bundesweit mehrmals gebaut worden ist. Nun haben Sie eine Weiterentwicklung vorgelegt, Twinpower genannt. Warum geht es?

Heinze: In den letzten Jahren gab es merkbare Verschiebungen beim Wasserdargebot, sprich weniger Regen, weniger Wasserkraft. Damit läuft die
Schnecke wesentlich seltener im optimalen Bereich. Will man den parallel angedockten Fischpass weiterhin bei wenig Wasser betreiben, ist eine zweite Anlage notwendig, die mit wenig Wasser optimal ausgelegt ist. Diese Anforderung erfüllt ein Wasserrad bestens. Es ist zwar nicht so fischfreundlich, aber in der Zeit, in der es betrieben wird, findet keine Wanderungsbewegung statt. Die Twinpower-Technologie kann sicher auch für andere Anlagentechnik als die Schnecke interessant sein. Ich schätze, dass allein im ersten Schritt 50 MW Leistungszuwachs erreicht werden
kann.

E&M: Um die Zukunft der Stadtwerke Rhede ist Ihnen, so Ihre Botschaft, nicht bange?

Heinze: Überhaupt nicht, solange wir nicht kaputt reguliert werden. Ich denke mit unserem Motto „Einfach selbst machen“ werden wir auch in Zukunft gut fahren, wenn mir auch vieles viel zu langsam geht.
 

Zur Person

Dr. Ronald Heinze, Jg. 1958, ist seit 2004 Geschäftsführer der Stadtwerke Rhede. Der promovierte Strömungstechniker und Thermodynamiker - die akademischen Weihen erhielt er noch zu DDR-Zeiten an der Universität Dresden, war zuvor u.a. für die Stadtwerke Leipzig und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) tätig gewesen.
 

Ralf Köpke
© 2024 Energie & Management GmbH
Freitag, 30.04.2021, 10:01 Uhr

Mehr zum Thema