• Feiertage geben Preisen eine Pause
  • Energie gesucht im Chemiepark
  • Gelsenwasser erzielt 2023 gutes Ergebnis
  • VBEW ab Juli mit einer neuen Doppelspitze
  • Ford stattet Händler mit Schnellladestationen aus
  • Anschluss von Rüdersdorf ans Kernnetz unter Vorbehalt
  • Stadtwerke entwickeln Prosumer-Plattform
  • SaaS-Anbieter Ecoplanet sammelt weitere 3,5 Millionen Euro ein
  • Zeppelin meldet zweitbestes Jahr der Firmengeschichte
  • Österreich: CO2-Emissionen sinken um 5,3 Prozent
Enerige & Management > Interview - Heydecker: "PPAs werden zum zentralen Instrument der Energiewende"
Bild: BillionPhotos.com / Fotolia
INTERVIEW:
Heydecker: "PPAs werden zum zentralen Instrument der Energiewende"
Die EnBW AG baut das Geschäft mit grünen PPAs aus. Über das Wie und die Perspektiven dieser Aktivitäten sprach E&M mit Peter Heydecker, der den Handelsbereich leitet.
 
E&M: Herr, Heydecker, EnBW hat Anfang 2019 die erste solare Power-Purchase-Agreement-Vereinbarung mit dem Projektentwickler Energiekontor über gut 85 Megawatt Leistung geschlossen. Wie hat sich das Geschäft mit grünen PPAs seitdem für EnBW entwickelt?

Heydecker: Wir sind mit eigenen PPA-Verträgen im niedrigen dreistelligen Megawattbereich angekommen. Unsere Projektpipeline allein mit eigenen Vorhaben umfasst aber mittlerweile ein Volumen, das im vierstelligen Megawattbereich liegt. Wir sind jedoch längst nicht mehr allein in Deutschland unterwegs, sondern beispielsweise auch in Großbritannien, Frankreich, Skandinavien oder Spanien. Nicht nur bei uns in Deutschland beobachten wir derzeit einen rasanten Hochlauf im PPA-Markt.

E&M: Warum?

Heydecker: Diese Entwicklung wird getrieben zum einen durch die gesunkenen Kosten bei der Photovoltaik, zum anderen durch neue, nicht subventionierte Offshore-Windprojekte und das Auslaufen der EEG-Förderung bei älteren Binnenland-Windenergieanlagen. Auf der anderen Seite gibt es eine wachsende Nachfrage nach Strom aus nicht EEG-geförderten Anlagen vonseiten der Industrie und vieler Stadtwerke. PPAs werden sich, und da bin ich mir sicher, zu einem der zentralen Instrumente der Energiewende entwickeln, damit in so manchen Ländern die selbst gesteckten Klimaziele erreicht werden.

E&M: Welche Klientel aus Industrie und Gewerbe interessiert sich nach Ihren bisherigen Erfahrungen besonders für grüne PPAs? Ist es die Automobilindustrie, die im EnBW-Heimatland Baden-Württemberg ein besonderes Gewicht hat?

Heydecker: Das Interesse sehen wir in allen Branchen, von der Automobil- bis zur Chemieindustrie, um zwei für Deutschland wichtige Sektoren zu nennen. Wir haben Anfragen, die von großen bis mittelständischen Unternehmen reichen. Und von immer mehr Stadtwerken, die sich Ziele für die Klimaneutralität gesetzt haben. Was uns auffällt: Die Klimaschutzambitionen sind im Zuge der Corona-Krise klar gestärkt worden. Das hat in vielen Unternehmen offensichtlich zu einem Umdenken und zur Beschleunigung der jeweiligen Nachhaltigkeits- und Klimaschutzambition geführt. Das Ergebnis ist eine deutlich höhere Nachfrage nach PPAs, die sich für die Dekarbonisierung der Produktion und des Verbrauchs bestens eignen.

„Jeder PPA-Vertrag und jeder Kunde ist anders“

E&M: Laufen Ihnen die Kunden die Türen ein, um grüne PPAs abzuschließen, oder muss Ihr Vertrieb noch richtigen Kärrnerdienst leisten?

Heydecker: Sowohl als auch. Wir suchen im Markt Vorhaben von Projektentwicklern, deren Strom wir über ein PPA vermarkten können. Das Interesse an grünen PPAs wächst, keine Frage. Aber jeder PPA-Vertrag und jeder Kunde ist anders. Nicht jeder wünscht beispielsweise einen Vertrag mit 20-jähriger Laufzeit, auch sind die Abnahmeprofile unterschiedlich. All das erfordert für jeden Vertrag eine individuelle Verhandlung.

E&M: Heißt das, dass Sie nicht mit Standardisierungen in den Verträgen rechnen?

Heydecker: Wenn ich zurückblicke, haben wir für unseren ersten PPA-Vertrag in Deutschland mit dem Projektentwickler Energiekontor gut ein halbes Jahr verhandelt. Heute geht es schneller, weil sich in der Tat einige Vertragsbestandteile standardisieren lassen. Aber eben nicht alle. Es wäre schön, wenn wir vor allem in Europa demnächst zu weiteren Vereinheitlichungen für PPA-Verträge kommen könnten. Das würde das PPA-Geschäft für Projektentwickler, Stromabnehmer, Energieversorger und Banken schneller, günstiger und wesentlich attraktiver machen.

E&M: EnBW nennt sich mittlerweile gern einen Enabler für das PPA-Geschäft. Was heißt das konkret?
 
Peter Heydecker: „PPAs sind für uns der Schlüssel zwischen der Ökostromproduktion und den Kunden“
Foto: EnBW AG

Heydecker: Aufseiten der Projektentwickler gibt es wirklich eine Reihe guter Ingenieure, die superb große Solarparks planen und bauen können. Die Finanzierung ist aber oftmals eine ganz eigene Hausnummer. Und da kommen wir ins Spiel. Wir verfügen über eine gute Bonität, was hilft, die Bankenfinanzierung leichter zu stemmen, wenn wir uns mit einem von EnBW garantierten PPA hinter das Projekt stellen. Außerdem blicken wir, was genauso wichtig ist, auf ein großes Know-how bei der Stromvermarktung, der Strukturierung und dem Vertrieb von Stromprodukten. Wir können mit den Marktrisiken bei nicht geförderten Projekten umgehen. PPAs sind deshalb für uns der Schlüssel zwischen der Ökostromproduktion und den Kunden.

„Die Zahl der Akteure beim PPA-Geschäft hat zugenommen“

E&M: EnBW hat jüngst neue Wachstumspläne für die Schaffung eigener regenerativer Energien bis Mitte der 2020er-Jahre verkündet. Welche Rolle spielen dabei PPAs, um diese Ausbauoffensive zu finanzieren?

Heydecker: PPAs sind ein wichtiger Baustein in der Vermarktung und Absicherung von CO2-freiem Strom, aber bei Weitem nicht der einzige. Die EnBW hat genügend andere Alternativen, um neue Wind- und Solarparks zu finanzieren, wie zum Beispiel ‚Green Bonds‘, also Kapitalmarktanleihen speziell zur Finanzierung von erneuerbaren Projekten, oder auch Joint Ventures mit finanzstarken Partnern. So plant die EnBW beispielsweise zwei große Offshore-Windparks in der Irischen See zusammen mit dem BP-Konzern. Bei solchen Vorhaben wird selbstverständlich auch an den Abschluss von PPA-Verträgen mit interessierten Abnehmern gedacht.

E&M: EnBW setzt bei den PPAs unter anderem auf großflächige Solarparks. Befürchten Sie, dass es für solche Solarparkprojekte hierzulande über kurz oder lang eine ähnliche Akzeptanzdiskussion gibt wie seit geraumer Zeit bei der Windkraft?

Heydecker: Auch neue regenerative Anlagen wie die großen Solarparks sind auf die Akzeptanz der Bevölkerung angewiesen. Die EnBW legt daher großen Wert auf den Dialog mit betroffenen Gemeinden, Bürgern und Behörden.

E&M: Bundesweit soll 2030 der Ökostromanteil an der Erzeugung bei mindestens 65 Prozent liegen. Wie viele der Projekte werden, wenn Sie in Ihre Glaskugel schauen, prozentual gesehen bis dahin über das klassische EEG gefördert und wie viele über PPAs finanziert?

Heydecker: Solch eine Schätzung abzugeben, ist in der Tat schwer. Wichtig ist, dass es ein Förderinstrument wie das EEG auch weiterhin geben wird. Einen neuen Windstandort an Land mit etwa 2.000 Volllaststunden rein über ein PPA zu finanzieren, ist derzeit nicht möglich. Wir brauchen für eine erfolgreiche Energiewende aber viele Binnenlandwindparks. PPAs sehe ich vor allem im Solarsektor und zunehmend auch bei der Offshore-Windenergie.

E&M: Erwartungen Sie beim PPA-Geschäft auf der Anbieter- und Enabler-Seite in absehbarer Zeit eine Oligopolisierung? Setzen sich die Unternehmen mit dem meisten Geld und dem größten Know-how durch?

Heydecker: Eine solche Gefahr sehe ich nicht. Wer sich all die PPA-Abschlüsse aus dem vergangenen Jahr anschaut, dem fällt auf, dass die Zahl der Akteure zugenommen hat. Und das ist gut so. Ein PPA-Vertrag wird immer von mehreren Partnern umgesetzt, die alle ihre eigenen spezifischen Fähigkeiten haben. Genau dieses Zusammenspiel machen PPAs so interessant. Wenn es die PPAs zum Ausbau der erneuerbaren Energien nicht bereits gäbe, müssten sie erfunden werden.
 

Zur Person

Peter Heydecker, Jahrgang 1966, leitet seit dem 1. Februar 2017 den Handelsbereich bei der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). Zu den früheren Stationen des gebürtigen Schweizers und studierten Elektroingenieurs zählen unter anderem Engagements für den globalen Rohstoffkonzern Vitol, den Schweizer Alpiq-Konzern und Enron Europe.
 

Ralf Köpke
© 2024 Energie & Management GmbH
Mittwoch, 09.06.2021, 09:00 Uhr

Mehr zum Thema