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Enerige & Management > Kernkraft - In Schweden wird die Atomkraft wieder salonfähig
Bild: Fotolia.com, T. Michel
KERNKRAFT:
In Schweden wird die Atomkraft wieder salonfähig
Obwohl Schweden mehr erneuerbaren Strom produziert als jedes andere EU-Land, wollen sich darauf alleine immer weniger Menschen und Unternehmen verlassen.
 
In der EU gilt Schweden als Vorkämpfer der Energiewende. Mit mehr als 60 % deckt das Land einen größeren Teil seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen als jedes andere EU-Land. Obwohl Wind, Sonne und Biomasse eine wachsende Rolle spielen, ist die Wasserkraft das Rückgrat der schwedischen Stromerzeugung. 40 % der Elektrizität kommen aus Wasserkraftwerken.

Genausoviel wie aus Atomkraftwerken. Dabei hatte das Parlament in Stockholm schon 1980 beschlossen, bis zum Jahr 2000 aus der Kernenergie auszusteigen. Aber daraus wurde nichts. Noch immer sind sechs Kernkraftwerksblöcke am Netz.

Der Kampf gegen den Klimawandel hat für alle schwedischen Parteien höchste Priorität. Aber die Frage, woher die CO2-freie Energie kommen soll, wird mit zunehmender Verbitterung geführt. Während für Sozialdemokraten und Grüne nur die erneuerbaren Energien in Frage kommen, wollen die konservativen Schwedendemokraten und die Moderate Partei ebenso wie die Industrie auf die Atomenergie nicht verzichten.

Sie verweisen darauf, dass Schweden mit 13 Gramm CO2 pro Kilowattstunde seinen Strom preiswert und überaus klimafreundlich erzeugt. Deutschland zum Beispiel bläst für die gleiche Leistung 406 Gramm CO2 in die Luft. Schweden dürfen diesen Wettbewerbsvorteil nicht verlieren, sagen die Moderaten.

Internationale Konzerne wie der Stahlkocher SSAB oder der Bergbaukonzern LKAB sind bereit, in Zukunft auf den Einsatz fossiler Brennstoffe zu verzichten. Dafür werde aber wesentlich mehr sauberer Strom benötigt. LKAB alleine veranschlagt ihren Bedarf auf 55 Mrd. kWh pro Jahr, ein Drittel des schwedischen Stromverbrauchs in 2019. Die Industrie bezweifelt, dass solche Mengen Strom aus Wasser, Wind und Sonne alleine erzeugt werden können. Zumal das Potenzial an Wasserkraft weitgehend ausgeschöpft ist. 

Zahl der Atomkraft-Befürworter steigt

Diese Argumente fallen in der schwedischen Öffentlichkeit offenbar auf fruchtbaren Boden. Die Universität Göteborg ermittelte, dass sich inzwischen 21 % der Schweden dafür aussprechen, mehr in den Ausbau der Kernkraft zu investieren, ein Jahr zuvor waren es nur 15 %. Die Zahl der Kernkraftgegner, die einen Ausstieg befürworten, ging gleichzeitig von 19 auf 15 % zurück.

Rückenwind für die Kernkraft kommt auch aus der Wissenschaft: „Ich gehe davon aus, dass die Bedrohung durch den Klimawandel größer ist als die Gefahren der Kernenergie“, sagt der Klimaforscher Johan Rockström.

Angesichts der neuen Prioritäten verstehen immer weniger Schweden, dass der staatliche Energiekonzern Vattenfall Anfang des Jahres erneut einen funktionstüchtigen Reaktor vom Netz nehmen musste. Ihr Know-how in der Kernkraft versucht Vattenfall stattdessen in anderen Ländern wie Estland zu vermarkten. Dort sind die Schweden an der Entwicklung von Mini-Reaktoren beteiligt.

Die Schwedendemokraten werfen Sozialdemokraten und Grünen vor, sie versuchten mit dem Anti-Atomkurs den Koalitionsfrieden zu retten. Die Schließung funktionierender AKW sei ein „historischer Fehler“, sagt Parteichef Jimmie Äkesson. Bei den nächsten Wahlen, die spätestens im nächsten Jahr stattfinden, wird die Atomkraft voraussichtlich eine wichtige Rolle spielen.
 

Tom Weingärtner
© 2024 Energie & Management GmbH
Dienstag, 12.01.2021, 15:51 Uhr

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