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Enerige & Management > KWK - Kohleausstieg in Pforzheim perfekt
Quelle: Shutterstock/saicle/E&M
KWK:
Kohleausstieg in Pforzheim perfekt
Fünf neue Gasmotoren liefern für Pforzheim hocheffizient Strom und Wärme. Damit konnte das Steinkohle-HKW ersetzt werden.
 
Mit der Einweihung der Anlage im Juni ist der Kohleausstieg für die Stadt Pforzheim real geworden − rund 100 Jahre lang wurde im HKW Steinkohle verheizt. Seit Dezember 2020 laufen nun fünf neue Gasmotoren im Heizkraftwerk. Zusammen bringen sie es auf 68.000 Pferdestärken, die ab sofort ein wichtiger Teil der Fernwärme- und Stromversorgung für die Stadt am Tor zum Nordschwarzwald sind. Der Planungsbeginn für die Anlage war im Jahr 2018.

Zu Spitzenlastzeiten werden so rund 52 MW Wärme und Strom erzeugt und jährlich etwa 35.000 Tonnen CO2 eingespart. Damit haben die Stadtwerke Pforzheim (SWP) eine Ergänzung zu dem seit 2004 bestehenden Biomasseblock gefunden. Die fünf Gasmotoren des Herstellers Innio Jenbacher schaffen es jeweils auf eine Leistung von 10 MW − sowohl thermisch als auch elektrisch. Der Spitzenlastkessel mit 30 MW thermischer Leistung kommt aus Sachsen-Anhalt und wurde von der Firma VKK Standartkessel Köthen GmbH hergestellt.

Dank der Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung und modernster Technologien schafft das HKW es auf einen rechnerischen Gesamtwirkungsgrad von 95,7 %. Somit ist es dem Versorger gelungen, fast die gesamte eingesetzte Primärenergie zu nutzen. Mit der gesteigerten Effizienz werden rund 33 % weniger an Primärenergie verbraucht. Nicht nur Strom, auch Fernwärme für etwa 20.000 Haushalte werden fortan umweltschonend am Enzauenpark erzeugt.
 
SWP-Geschäftsführer Herbert Marquard (l.) und Oberbürgermeister Peter Boch bei der Einweihung
Bild: Stadtwerke Pforzheim

Die Innio-Motoren wurden in einem eigens für diesen Zweck erstellten Gebäude neben dem alten Heizkraftwerk und dem bestehenden Biomasseblock installiert. Der Biomasseblock deckt bereits heute die Wärmegrundlast, die Gasmotoren und der Spitzenlastkessel ergänzen ihn in Mittellast- beziehungsweise Spitzenlastzeiten insbesondere zwischen Oktober und April.

Im Biomasseblock werden Altholzschnitzel und sonstige Biomasse umgesetzt und die Kraft-Wärme-Kopplung wird − wie bei den neuen Motoren auch − eingesetzt, um sowohl Strom zu erzeugen, als auch die anfallende Wärmeenergie zunächst in Form von Wasserdampf als Fernwärme zu nutzen. Eine leistungsfähige Rauchgasreinigung sorgt dafür, dass auch die Emissionsgrenzwerte sicher eingehalten werden.

100 Jahre Kohleära gehen in Pforzheim zu Ende

Die Gasmotoren haben den bereits seit April kalt gebliebenen, kohlebefeuerten Block abgelöst, der nach dem Prinzip der zirkulierenden Wirbelschicht arbeitete und es auf eine Höchstleistung von knapp 30 MW elektrischer und 42 MW thermischer Leistung brachte. Die Zeit der Stadtgaserzeugung im Gaswerk mitberechnet, bedeutet dies das Ende einer etwa 100-jährigen Ära des Kohleeinsatzes in Pforzheim.

Sowohl mit dem Biomasseblock als auch mit den Gasmotoren ist in Pforzheim eine isolierte Stromerzeugung in den wärmeren Monaten möglich. Die im Verlauf dieser entkoppelten Stromerzeugung entstehende Wärmeenergie im Motor kann durch die auf dem Dach des Kraftwerks befindlichen Kühler rückgekühlt werden.

Mit ihrer hohen Flexibilität bieten die Gasmotoren eine wichtige dezentrale Ergänzung zur angestrebten Energiewende: Zwischen dem Start der Motoren und der Synchronisation des Generators vergehen rund 25 Sekunden, nach denen bereits Strom in das Netz eingespeist werden kann. Nach rund 3,5 Minuten läuft die Anlage auf Volllast. Mit dieser hochflexiblen Erzeugungsanlage kann eine kurzfristig auftretende Volatilität in der wetterabhängigen Energieerzeugung, wie sie beispielsweise an windstillen oder bewölkten Tagen vorkommt, kurzfristig und zielgenau ausgeglichen werden. Langfristig planen die Stadtwerke Pforzheim, den Anteil erneuerbarer Energien weiter zu erhöhen.

Dass Pforzheim in Sachen Kohleausstieg und Klimaschutz vorangeht, freut auch den Oberbürgermeister der Stadt, Peter Boch: „Es ist großartig, schon heute verkünden zu können, aus der Kohleverbrennung ausgestiegen zu sein. Lange vor dem von der Bundesregierung gesetzten Zieljahr 2038 schaffen es die Stadtwerke Pforzheim und unsere Stadt somit, diese schwierige Aufgabe zu meistern. An dieser Stelle möchte ich meinen herzlichen Dank an die Stadtwerke Pforzheim richten, die mit einer großen Weitsicht wichtige Investitionen für die Zukunft der Stadt getätigt haben.“

Zeitgleich zeige sich wieder einmal der besondere Charakter des Wirtschaftsstandorts Pforzheim, denn wichtige Spezialteile der Gasmotoren wurden nur einen Steinwurf vom HKW entfernt bei der ortsansässigen Firma Witzenmann gefertigt.

Die neuen Gasmotoren stellen einen wichtigen Schritt in Richtung CO2-Einsparung für die Pforzheimer dar. Für SWP-Geschäftsführer Herbert Marquard bedeutet dies jedoch nicht, dass sich die SWP nun zurücklehnen können: „Langfristig möchten wir unsere Motoren entweder mit CO2-neutralem Methangas − als Biogas oder aus synthetischem Gas aus Power-to-Gas-Anlagen − oder grünem Wasserstoff betreiben, um wirklich klimaneutral zu werden. Das ist nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich eine große Herausforderung. Allerdings bin ich sehr zuversichtlich, dass wir diesen nächsten Schritt ebenfalls bald gehen können.“

Die Investitionssumme beläuft sich auf etwa 75,5 Mio. Euro, ein großer Teil wird in den nächsten Jahren über die KWKG-Förderung refinanziert.
 
Die neuen Motoren in Pforzheim ersetzen den alten Kohlemeiler vollständig
Bild: Stadtwerke Pforzheim

Die Anlage auf einen Blick:
Betreiber: Stadtwerke Pforzheim
Anlage: 5 x 10 MW (thermisch/elektrisch) Gasmotoren des Herstellers Innio Jenbacher, Spitzenlastkessel von Köthen (32 MW thermisch)
Einsparung: 75 % der CO2-Emissionen gegenüber 1990 werden durch die Modernisierung eingespart, jährlich etwa 35.000 Tonnen CO2
Wirkungsgrad: 95,7 %
Ansprechpartner: Stadtwerke Pforzheim, Martin Seitz, Leiter Bereich Erzeugung, presse@stadtwerke-pforzheim.de
 

Heidi Roider
Redakteurin und Chefin vom Dienst
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