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Enerige & Management > Biogas - Langfristige Perspektiven
Bild: Fotolia.com, Jürgen Fälchle
BIOGAS:
Langfristige Perspektiven
Für viele Betreiber der ersten Biogasanlagengeneration rückt das Ende der EEG-Laufzeit näher. So auch für Friedrich Hake in Hameln, der 2005 mit der Biogasproduktion begann.
 
Obgleich sein Sohn Jan-Erick Hake motiviert in den Startlöchern steht und weitermachen will, sind die Perspektiven noch nicht klar konturiert. Spätestens in zwei Jahren wollen die Hakes definitiv entscheiden, ob es für sie weitergeht oder nicht.

Früher, weit vor der Zeit der Biogaserzeugung, gab es in Hameln eine Tierkörperverwertungsanlage. Sie sollte am Stadtrand für den Landkreis die Entsorgung verendeter Tiere übernehmen. Allerdings lief die Anlage nie richtig rund. Es stank oft bestialisch, eine Bürgerinitiative formierte sich und schließlich ging der private Betreiber in Konkurs. So standen Gebäude, Hallen und befestigtes Gelände auf kommunaler Fläche der Stadt Hameln über viele Jahr leer: Bis schließlich Landwirt Friedrich Hake auf das stillgelegte Objekt aufmerksam wurde und dort 2004 mit anderen Mitstreitern eine von der Biogas Nord konzipierte Biogasanlage mit 500 kW elektrischer Leistung baute.

 
Friedrich Hake (l.) mit Sohn Jan-Erick
Bild: Dierk Jensen

 
Der umtriebige Hake suchte damals für seinen Ackerbaubetrieb ein neues wirtschaftliches Standbein. Zusammen mit zwei weiteren Landwirten und zwei nichtlandwirtschaftlichen Akteuren gründete er die Alternative Energien Wesertal GmbH & Co. KG. Auf den letzten Drücker, wie in der damaligen Aufbruchzeit oft, speiste das Betreiberquintett im Zuge des gerade eingeführten Nawaro-Bonus Ende Dezember 2005 erstmals Strom ins Netz ein. Im darauffolgenden Jahr baute die Gesellschaft mutig ein 1-MW-Modul hinzu, das im November an den Start ging. Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn die Getreideernte war 2006 wegen hoher Niederschläge und extremer Feuchtigkeitsgehalte außerordentlich verpilzt, sodass viele Chargen aus dem Landkreis Hameln für den Ernährungs- und Futterbereich nicht mehr verwendbar waren. Stattdessen landete das Getreide im Fermenter der Biogasanlage und konnte damit energetisch sinnvoll genutzt werden.

Flexibilisierung zahlt sich aus

Sechs Jahre später wurde die Anlage an der Hildesheimer Straße flexibilisiert. „Und zwar negativ flexibilisiert“, erklärt der Zwei-Meter-Mann. „Wir stiegen in die Direktvermarktung ein. Während wir vorher immer auf Volllast fuhren, sind wir ab da im Durchschnitt auf 700 bis 750 Kilowatt Leistung runtergegangen.“ Eine gute Entscheidung, wie der Geschäftsführer im Beisein seines Sohnes unterstreicht. „Wir können wirklich nicht klagen, die Direktvermarktung über die Firma E2M ist bisher durchaus zufriedenstellend gelaufen“, fügt der 56-jährige hinzu, „uns geht es ganz gut.“

Neben der „negativen“ Flexibilisierung und der Direktstromvermarktung ist der Substratmix ein weiterer Garant des wirtschaftlichen Erfolgs. So werden die Fermenter aktuell jährlich sowohl mit rund 8.000 Tonnen Geflügelmist als auch mit 5.000 Tonnen Zuckerrüben und 6.500 Tonnen Mais − größtenteils auf eigenen Flächen der Gesellschafter angebaut − gefüttert. Mais von 25 bis 40 Hektar Anbaufläche steuert Hake pro Jahr von seinem konventionellen Ackerbaubetrieb bei. Daneben bewirtschaftet die Familie noch einen zweiten Ackerbaubetrieb mit rund 150 Hektar, der nach EU-Biorichtlinien zertifiziert ist und keinerlei Nawaros für die Vergärung liefert.

Sohn Jan-Erick will den Betrieb weiterführen − inklusive Biogasproduktion. „Wenn es sich rechnet, würde ich auf jeden Fall gern weitermachen“, unterstreicht der 21-jährige Landwirt. Aufgrund von Personalmangel ist er auf der Biogasanlage zusammen mit drei Teilzeitkräften gegenwärtig voll eingebunden. Trotz der hohen Arbeitsanforderungen durch die Biogasanlage und die beiden landwirtschaftlichen Betriebe ist er hoch motiviert. Dabei spielt die Biogasanlage für das Familieneinkommen eine wichtige Rolle, wie Vater und Sohn bekräftigen.

Die Energieproduktion macht einen großen Teil der Einnahmen des Landwirts aus

„Rund die Hälfte unserer Einnahmen rührt aus der Energieproduktion.“ Und das, obwohl die Nutzung der jährlich erzeugten 1,4 Mio. MWh Wärme an ihrem Standort noch nicht mal optimal läuft. So wollte Hake in der Vergangenheit seine Wärme in ein benachbartes Gewerbegebiet abgeben, doch habe man preislich nie gegen die Abwärme der nahe gelegenen Müllverbrennungsanlage konkurrieren können. Auch die 2014 schon weit fortgeschrittenen Planungen, ein Satelliten-BHKW auf dem Produktionsgelände eines Holzbrikettherstellers zu errichten, scheiterten jäh, weil dieser pleiteging. Ein weiterer Versuch, die anfallende Wärme langfristig besser zu nutzen, war der Erwerb einer Bandtrocknung, die 2008 in Betrieb ging. Doch stellte sich schnell heraus, dass eine Gärrestetrocknung wenig Sinn macht, weil die flüssigen Gärreste wegen der kurzen Fahrstrecken zu den arrondierten Ackerflächen eigentlich gar kein Problem darstellten. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde der Bandtrockner umdisponiert und trocknet heute Späne und Holzhackschnitzel. Die übrige Wärme wird optional auch für die Containertrocknung von Getreide oder Hülsenfrüchten genutzt, beispielsweise von den in diesem Jahr sehr feucht geernteten Bioackerbohnen.

Dennoch sind die Perspektiven für Biogas nach der EEG-Zeit Ende 2025 noch nicht eindeutig absehbar. „Für mich ist nach wie vor nicht klar zu erkennen, wie sich die Anfang 2021 in Kraft tretende CO2-Bepreisung auf die Energiemärkte auswirken wird. Derzeit kann ich es daher betriebswirtschaftlich noch gar nicht einkalkulieren“, wirft Hake ein, der dem erweiterten Vorstand des niedersächsischen Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) angehört. „Wenn es bei den ausgelobten 18,4 Cent pro Kilowattstunde bei kommenden Ausschreibungsrunden und bei einer Bemessungsgrenze von 45 Prozent der bisher installierten Leistung bliebe, dann können wir damit leben“, hält Hake einen Weiterbetrieb nach 2025 für wirtschaftlich möglich. Auch über eine Biogastankstelle, die den Fuhrpark des landwirtschaftlichen Logistikunternehmens eines Mitgesellschafters mit Kraftstoff komplett versorgen könnte, wurde in der Vergangenheit schon nachgedacht. Dagegen war eine „positive“ Flexibilisierung der 1,5-MW-Anlage nie eine realistische Option, wie Friedrich Hake einwirft, „da ist mir das Risiko der Investition einfach zu groß“.

Dabei kommt den Hakes in den kommenden Ausschreibungsrunden sicherlich zugute, dass sie seit vielen Jahren ihre Anlage im „negativen“ Flexibilisierungsmodus laufen lassen. Sie müssten also bei einem Zuschlag über rund 750 kW in den nächsten Jahren keine großen Zusatzinvestitionen tätigen und könnten mit den bestehenden Aggregaten und dem besagten Substratmix weitere zehn Jahre weitermachen. Unabhängig davon hält Hake senior es aber für unbedingt notwendig, dass die bisher strikte Trennung von Nawaro- und Abfallanlagen aus den zurückliegenden EEG überwunden werden müsste, um vor allem Reststoffe aus Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion besser als bisher verwerten zu können. Beispielsweise ließen sich dann die Rübenabfälle von den umliegenden Zuckerfabriken verwerten. „Das würde doch Sinn machen“, meint Hake. E&M
 

Dierk Jensen
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Montag, 01.02.2021, 08:34 Uhr

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