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Bild: aerogondo, Fotolia.com
RECHT:
RechtEcK: Die Wärmewende gestalten durch kommunale Wärmeplanung
Warum eine kommunale Wärmeplanung für die Wärmewende notwendig ist und welche Chancen sie für Kommunen, aber auch Stadtwerke bietet, erläutern Olaf Däuper und Frederik Braun*.
 
Beginnen wir mit einer Binse: Wie es ist, kann es nicht bleiben. Der Klimawandel schreitet selbst vor dem Hintergrund der historischen wirtschaftlichen Einschnitte infolge der Corona-Pandemie ungehindert voran. Um einen Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 bis 2 Grad Celsius bis 2050 gegenüber dem Basisjahr 1990 zu begrenzen, hat sich die internationale Staatengemeinschaft im Pariser Klimaschutzabkommen auf eine Absenkung der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 % verständigt.

Die EU hat sich (unter deutscher Ratspräsidentschaft) gar für das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 positioniert; bis 2030 wird eine europaweite Treibhausgasreduktion von 55 % angestrebt. Auf diesen Wert zielt für Deutschland schon das 2019 verabschiedete Bundes-Klimaschutzgesetz. Um die ambitionierte Vorgabe binnen eines knappen Jahrzehnts zu erreichen, wurden auch für die Sektoren Energiewirtschaft und Gebäude verbindliche Reduktionsziele festgelegt, die aber vor dem Hintergrund des Ziels Klimaneutralität bis 2050 noch einmal nachgeschärft werden müssen.

Für den seit Jahrzehnten und bis heute noch immer weitgehend auf dem Einsatz fossiler Energien fußenden Wärmemarkt bedeutet all dies nicht weniger als eine Zeitenwende. Aufgrund der Abschaltung kohleverfeuernder Heizkraftwerke und der Substitution von Ölheizungen in Gebäuden dürfte sich dabei zwar zunächst bis etwa 2030 der Bedarf an fossilem Erdgas sogar erhöhen. Klar ist aber auch: Langfristig wird auch der Erdgasverbrauch deutlich rückläufig sein (müssen!), wenn wir es mit den Klimazielen ernst meinen.

Wie die Zukunft der Wärmeversorgung dann allerdings konkret aussehen wird − ob die in der Vergangenheit viel beschworene „all electric world“ tatsächlich irgendwann so kommt oder ob gasförmige Energieträger, frei nach dem Bundeswirtschaftsminister, auch langfristig „sexy“ bleiben, lässt sich heute noch nicht sicher sagen. Zumindest im Wohnungsneubau scheint die elektrische Wärmepumpe einen Siegeszug anzutreten.

Ganz anders sieht es hingegen im (viel größeren) Bestand aus: Dort wurden über die vergangenen zwei Jahrzehnte gerade einmal in 2,6 % aller Wohnungen Wärmepumpen installiert. Kombiniert mit einer aktuellen jährlichen Sanierungsquote von rund 0,8 % lässt sich so keine Revolution ausrufen.

Das wirft die Frage auf, ob Wasserstoff als klimafreundliche Alternative im Wärmemarkt die sich auftuende Lücke füllen kann. Stand jetzt ist dies − jedenfalls nach der Agenda des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) − wohl nicht vorgesehen. Noch im Februar betonte Energiestaatssekretär Andreas Feicht ganz auf Linie der 2020 verabschiedeten Nationalen Wasserstoffstrategie, Wasserstoff sei „aktuell keine Option im Wärmemarkt“.

Inwieweit sich diese Positionierung auch bei der noch in diesen Wochen erwarteten Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), die auch Regelungen für Wasserstoffnetze enthält, durchsetzt, wird sich zeigen. Das letzte Wort dürfte ohnehin erst über eine noch folgende europäische Regulierung gesprochen werden. Ob danach zumindest eine teilweise Transformation der existierenden Gasverteilnetze möglich sein wird, ist aus aktueller Sicht offen.

Wärmemarkt steht vor einer gewaltigen Transformation

Halten wir also fest: Der Wärmemarkt steht notwendigerweise vor einer gewaltigen Transformation. Von der Kommune selbst über das (oft ebenfalls kommunale) Stadtwerk bis zu privaten Bauherren können und müssen viele Akteure ihren Teil hierzu beitragen.

Ohne verlässliche Rahmenbedingungen fehlen indes die notwendigen Planungs- und Investitionssicherheiten mit bis zu 40-jährigen Amortisationszeiträumen. Zu groß ist die Gefahr von „Stranded Assets“. Wie aber lässt sich dieser Unsicherheit begegnen?

Genau an dieser Stelle kann eine kommunale Wärmeplanung das entscheidende Schlüsselinstrument sein. Das Land Baden-Württemberg zeigt, wie es gehen kann: Nach §§ 7c ff. des 2020 novellierten Landes-Klimaschutzgesetzes sind größere Gemeinden zur Aufstellung kommunaler Wärmepläne verpflichtet, kleinere Kommunen können jedoch ebenfalls freiwillig solche Pläne erarbeiten. An die Stelle diffuser, reaktiver Entscheidungen auf lückenhafter Datengrundlage tritt dann ein bewusster strategischer Planungsprozess mit dem Ziel der klimaneutralen Wärmeversorgung bis zum Jahr 2050.

Kommunale Wärmeplanung das entscheidende Schlüsselinstrument

Die erforderliche Informationsgrundlage liefert in einem ersten Schritt eine Bestandsanalyse („Wärmeatlas“), bei der Wärmeerzeugungs- und Verbrauchsdaten einschließlich der resultierenden Treibhausgasemissionen ermittelt werden. Der wird eine aus den individuellen Gegebenheiten resultierende Potenzialanalyse für lokal verfügbare erneuerbare Energien und Energieeinsparungen gegenübergestellt.

Daraus lässt sich ein Zielszenario der benötigten Versorgungsstruktur 2050 mit einem Zwischenziel für 2030 ableiten. Auf dieser Grundlage kann schließlich im Rahmen einer umfassenden kommunalen Wärmewendestrategie ein Transformationspfad mit konkreten Maßnahmen für die nächsten Jahre einschließlich des Aufbaus der benötigten Versorgungsinfrastruktur erarbeitet werden. Hierbei besteht ein weiter Gestaltungsspielraum von zum Beispiel konzessions- oder baurechtlichen Maßnahmen über Anschluss- und Benutzungszwänge bis zu Klimakonzepten oder gezielter Förderung.

Zu gegebener Zeit kann die Planung dann entsprechend veränderter Rahmenbedingungen näher konkretisiert oder angepasst werden. Auch für Stadtwerke bietet sich die Erarbeitung solcher Wärmepläne (zusammen mit der Kommune) als gewichtige strategische Option zur Geschäftsabsicherung an.

Nach alldem verwundert es nicht, dass auch das BMWi im Rahmen des aktuell laufenden „Dialogs Klimaneutrale Wärme“ die Einführung einer verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung zur Diskussion gestellt hat. Wir dürfen auf das Ergebnis gespannt sein!

* Olaf Däuper und Frederik Braun, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held, Berlin
 

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Freitag, 28.05.2021, 09:04 Uhr

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