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Enerige & Management > Photovoltaik - Seltmann: "Von einer Solar-Offensive kann nicht die Rede sein"
Bild: Fotolia, anweber
PHOTOVOLTAIK:
Seltmann: "Von einer Solar-Offensive kann nicht die Rede sein"
Thomas Seltmann, Solarstromexperte der Verbraucherzentrale NRW, ist unzufrieden mit den Photovoltaikpassagen im vorliegenden Entwurf zur EEG-Reform. Warum, erklärt er gegenüber E&M.
 
E&M: Herr Seltmann, wird es mit dem vorliegenden Entwurf für die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes möglich sein, endlich die Solaroffensive zu starten, die zum Erreichen des nationalen Klimaziels bis zum Jahr 2030 notwendig ist?

Seltmann: Nein, der bislang bekannte EEG-Kabinettsbeschluss hemmt den weiteren Solarausbau. Von einer Solaroffensive kann nicht die Rede sein.

E&M: Warum?

Seltmann: Komplizierte Regelungen werden noch komplizierter, außerdem sind zusätzliche Hürden aufgebaut. Insbesondere für die Prosumer werden die technischen und rechtlichen Hürden noch höher, ihren Solarstrom selbst zu nutzen.

E&M: Was wird komplizierter?

Seltmann: Ich denke da zum einen an die Messsystempflichten, für die es überhaupt keine nachvollziehbare Begründung gibt. Für alle Neuanlagen ab einem Kilowatt Leistung ist der Einbau der sogenannten intelligenten Messsysteme (iMSys) verpflichtend vorgesehen. Für Ü20-Anlagen, deren Betreiber sie am Netz belassen wollen, gilt anscheinend nicht einmal diese Ein-Kilowatt-Mindestgrenze. Der Gesetzgeber verspricht sich über die Smart Meter eine bessere Steuerung und die Option zur Fernablesung auch der kleinsten Solaranlagen. Diese Funktionen sind bei den Smart Meters, deren Rollout bevorsteht, noch auf Jahre nicht verfügbar. Das Gesetz schreibt technische Neuerungen vor, die es noch gar nicht gibt. Da frage ich mich, warum man so etwas macht? Selbst die Netzbetreiber haben daran kein Interesse.
 
Thomas Seltmann: "Die Bundesregierung setzt mit dem EEG-Entwurf die EU-Richtlinie nicht um, obwohl es im Gesetzentwurf behauptet wird"
Bild: Verbraucherzentrale NRW

E&M: Was finanziell zulasten der kleinen Solarbetreiber geht, oder?

Seltmann: In der Tat. Nach den Formulierungen im Gesetzentwurf müssen anscheinend die Solaranlagenbetreiber den Einbau und Betrieb der intelligenten Messsysteme bezahlen. Fachjuristen wollen aus dem Gesetzentwurf sogar herauslesen, dass dabei nicht einmal die Kostenobergrenzen des MSBG (Messstellenbetriebsgesetzes) gelten sollen. Und das obwohl diese Kostengrenzen ursprünglich bewusst hoch gewählt wurden, um den Rollout überhaupt rechtfertigen zu können. Bei den kleinen Anlagen und den dabei anfallenden geringen Einnahmen könnte der Betrieb zu einem Zuschussgeschäft werden.

E&M: Bedeutet der verpflichtende Einbau der Smart Meter nicht auch das Ende der Balkonmodule, die auf eine Einspeisevergütung meist sogar verzichten?

Seltmann: Wenn es bei der Ein-Kilowatt-Grenze bliebe, dann könnten die Steckermodule nicht betroffen sein. Der Gesetzestext ist, wie gesagt, nicht eindeutig. Was passiert bei Einsatz von alten Solarmodulen, die als Steckeranlage eingesetzt werden? Ist dann der Smart-Meter-Einbau notwendig. Deshalb wäre es eine große Erleichterung, wenn sich die Große Koalition bei den noch anstehenden parlamentarischen Beratungen darauf verständigen könnte, diese Anforderungen komplett zu streichen, bis die Technik verfügbar ist und klar ist, in welchen Fällen sie wirklich gebraucht wird.

E&M: Vermissen Sie nicht auch Erleichterungen für den solaren Mieterstrom? Die Regierungskoalitionen hatten durchaus eingeräumt, dass das Mieterstromgesetz wegen Erfolglosigkeit nachgebessert werden müsse.

Seltmann: Die komplexen Regelungen beim Mieterstrom sind überhaupt nicht verbessert worden. Es werden lediglich zwei Gesetzgebungsfehler behoben. Wenn Solaranlagenbetreiber sich als Hausgemeinschaft oder ihre Mieter mit Solarstrom vom Dach versorgen wollen, werden sie rechtlich zum Energieversorger mit einer Palette von bürokratischen Pflichten, die sie beim besten Willen nicht erfüllen können (siehe unser Rechtsgutachten ). Sie werden behandelt wie ein Stromkonzern. Das ist ein Unding. Mit ihrem starren Regelwerk und der sachfremden Rechtsauslegung verhindern das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und Bundesnetzagentur gezielt die solare Eigenstromnutzung für Hausbesitzer und Wohneigentümergemeinschaften. Alle wissen: Erst wurde die Einspeisung so unattraktiv gemacht, dass man sie nur noch mit Eigenversorgung wirtschaftlich betreiben kann, und dann wurde die auch die gemeinschaftliche Eigenversorgung innerhalb der Kundenanlage immer mehr eingeschränkt.

E&M: Frustrierende Aussicht: Die solare Mieterstromnutzung kommt mit diesem EEG wieder nicht in die Gänge?

Seltmann: Es gibt in Deutschland rund zwölf Millionen Einfamilienhäuser und eine Million größere Mehrfamilienhäuser mit mehr als sechs Wohnungen, aber es gibt mehr als fünf Millionen Gebäude mit zwei bis sechs Wohnungen, wo die eine sogenannte „Gemeinschaftliche Eigenversorgung“ anwendbar wäre. Dafür muss die Politik aber endlich die rechtlichen Hürden aus dem Weg räumen. Das wäre die einfachste und beste Förderung. Es wäre sinnvoll, dass der solare Mieterstrom der Eigenstromnutzung gleichgestellt wird. Genau diese stand in einer früheren EEG-Novelle, wurde aber vom BMWi abgeblockt.

E&M: Verstoßen die von Ihnen kritisierten Regelungen nicht den Vorgaben der neuen Erneuerbare-Energien-Richtlinie aus Brüssel? Aus der EU gab es ein klares Signal, dass die Eigenstromnutzung regenerativer Energien aus Anlagen bis 30 Kilowatt Leistung gestärkt werden muss.

Seltmann: Das ist richtig. Die Bundesregierung setzt mit dem EEG-Entwurf die EU-Richtlinie nicht um, obwohl es im Gesetzentwurf behauptet wird.

E&M: Erste Bundesländer führen eine Solarpflicht für Neubauten ein. Im Bundestag stehen SPD und die Grünen hinter dieser Idee. Macht die Solarpflicht, wenn es bei diesen diskriminierenden Regelungen für die solare Eigenstromnutzung im EEG-Entwurf bleibt, überhaupt Sinn?

Seltmann: Eigentlich ist das eine Posse, die aber das positive Image der Solarenergie in der Bevölkerung gefährdet: Wenn man einerseits die kleinen Solaranlagen immer bürokratischer und unwirtschaftlicher macht und gleichzeitig zur Installation verpflichtet. Für eine demokratische, verbraucherfreundliche Energiewende ist das fatal.
 

Ralf Köpke
© 2024 Energie & Management GmbH
Montag, 02.11.2020, 10:21 Uhr

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