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Enerige & Management > Europaeische Union - Streit um Wasserstoff in der EU
Bild: Fotolia.com, kreatik
EUROPAEISCHE UNION:
Streit um Wasserstoff in der EU
In der EU bahnt sich ein Grundsatzstreit über die künftige Rolle von Wasserstoff in der Energiewirtschaft an.
 
Wasserstoff, sagt die EU-Abgeordnete Angelika Niebler, sei für die Europäer eine „Riesenchance“. Damit könne die EU nicht nur ihre Klimaziele erreichen, sondern ihre Industrie wieder nach vorne bringen. Die CSU-Abgeordnete vertritt die Europäische Volkspartei im Industrieausschuss des Europäischen Parlamentes und gehört zu den einflussreichsten Mitgliedern der konservativen EVP-Fraktion.

​Dort will man sich in der Klimapolitik nicht mehr treiben lassen, sondern versucht, mit Wasserstoff industriepolitisch in die Offensive zu kommen. Von der Aussicht, dass Stahlwerke, Zement- oder Chemiefabriken in der EU schon bald Wasserstoff statt Kohle verwenden, ist die CSU-Politikerin „total begeistert“. Die europäische Industrie sei bei den dafür notwendigen Technologien wie dem Bau von Elektrolyseuren „extrem gut aufgestellt“. Eine industriepolitische Option sei Wasserstoff aber nur, wenn es gelinge, schon bald große Mengen davon zu vertretbaren Preisen herzustellen.
Die Konservativen im Europaparlament begrüßen deswegen, dass die Kommission eine europäische Wasserstoffstrategie vorgelegt hat. Richtig daran sei, dass Erdgas als „Brückentechnologie“ anerkannt werde. In einer Übergangsperiode müssten Erdgas und Wasserstoff gleichzeitig im Energiemix der EU vertreten sein. Die Obfrau der Konservativen im Industrieausschuss geht davon aus, dass es dafür eine breite Mehrheit im Europäischen Parlament gibt. Deswegen müsse die EU auch den Bau von Erdgasleitungen weiter fördern.

Lautstarken Widerstand leisten vor allem die Grünen. Sie und die Umweltverbände machen geltend, dass mehr Gasleitungen auch mehr Gas bedeutet - und zwar langfristig. Denn Pipelines würden über viele Jahre abgeschrieben und über Jahrzehnte genutzt. Damit lege sich die EU noch für lange Zeit auf den Einsatz von Erdgas fest. Mit dem angestrebten Ausstieg aus den fossilen Energien sei das nicht vereinbar.

Klimalobby sieht auch CCS kritisch

Die Klimalobby will deswegen nur „grünen“ Wasserstoff akzeptieren und zwar nur dort, wo es keine technologischen Alternativen gibt. Den Einsatz von blauem oder grauem Wasserstoff, der aus fossiler Energie hergestellt wird, lehnt sie ab, auch wenn das dabei entstehende Kohlendioxid klimaneutral eingelagert wird (CCS). Die Konservativen wollen dagegen die Industrie der Zukunft auf Wasserstoff gründen. Es gehe nicht nur darum, Kohle, Öl und Gas nur in der Industrie zu ersetzen, sagt Christian Ehler, der für die Forschungspolitik in der EVP-Fraktion zuständig ist. Wasserstoff müsse auch im Verkehr oder im Wärmesektor vorangebracht werden. Denn nur wenn es einen großen Markt dafür gebe, könnten die Hersteller so große Mengen davon anbieten, dass Wasserstoff als preiswerter, industrieller Grundstoff eingesetzt werden könne. Wenn es um Geschäftsmodelle für die Wasserstoffwirtschaft gehe, sei die Kommission „nur halbherzig unterwegs“.

Unterschiedliche Vorstellungen gibt es im Parlament darüber, ob Wasserstoff im großen Umfang eingesetzt werden soll, um Gebäude und Wohnungen zu heizen. Ein weiterer Streitpunkt ist, ob grundsätzlich alle Technologien eingesetzt und gefördert werden sollen – oder ob zum Beispiel die Einlagerung von CO2 grundsätzlich nicht erwünscht ist.

Am weitesten gehen die Meinungen aber darüber auseinander, wie der Übergang von der fossilen zur emissionsfreien Welt aussehen soll. In der Strategie der Kommission vermisst Ehler den ganzheitlichen Ansatz. So mache es keinen Sinn, Dieselautos durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen, solange der Stahl und andere Ausgangsstoffe, aus denen ein E-Auto hergestellt wird, noch unter Abgabe von CO2 produziert würden. Wenn die EU bis 2050 CO2-frei wirtschaften wolle, müsse die Erzeugung von Wasserstoff viel schneller steigen, als „grüner“ Wasserstoff verfügbar sei. Dafür reiche die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien nicht aus.

Schneller Einstieg in Wasserstoff nur mit Erdgas

Ein schneller Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft sei aber nur mithilfe von Erdgas möglich. Es reiche auch nicht, immer neue Ziele zu formulieren, sagt Ehler. Die EU müsse den Einsatz ihrer Instrumente darauf ausrichten, dass diese Ziele erreicht würden. Neben einer entsprechenden Regulierung denkt er vor allem an die üppigen Fördertöpfe der EU, aber auch an die Mobilisierung von Kapital mithilfe der Nachhaltigkeits-Taxonomie. Es mache keinen Sinn, Gaspipelines als „Projekte von europäischem Interesse“ (IPCEI) zu fördern, sie aber nicht als „grüne Projekte“ auf dem Kapitalmarkt anzuerkennen.

Wenn Wasserstoff die Grundlage der europäischen Industrie werden solle, müsse vor allem die Infrastruktur schnell ausgebaut werden: eine großindustrielle Elektrolyse, leistungsfähige Pipelines und möglichst viel Einsatzmöglichkeiten. Angebot und Nachfrage müssten schnell und gezielt ausgebaut werden – nicht nur in Europa, sondern weltweit.

Denn in der EVP geht man davon aus, dass der Bedarf Europas nicht in der EU alleine gedeckt werden kann. Internationale „Energiepartnerschaften“ sollten deswegen schon jetzt angebahnt werden, um grünen Wasserstoff auch aus Übersee zu importieren.
 

Tom Weingärtner
© 2024 Energie & Management GmbH
Freitag, 05.03.2021, 16:34 Uhr

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