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Enerige & Management > Bilanz - Wandel als Markenzeichen
Bild: Fotolia.com, Rynio Productions
BILANZ:
Wandel als Markenzeichen
Johannes Teyssen hat Eon verlassen. Mit einer für die Energiebranche unüblichen Radikalität hat er den Konzern innerhalb kürzester Zeit gleich zweimal umgebaut.
 
Locker und phasenweise spritzig hat Johannes Teyssen sich Ende März auf seiner letzten Bilanzpressekonferenz als Eon-Chef präsentiert. „Leo braucht keine Sorge zu haben, dass ich jeden Morgen Richtung Essen fahre“, scherzte er. Sein Nachfolger Leonhard Birnbaum, der zum 1. April den Führungsstab in der Konzernzentrale am Brüsseler Platz in Essen übernommen hat, müsse auch keine Angst haben, dass er „als Geist über die Kulisse laufe“.

Aus. Schluss. Vorbei. Mehr als ein Jahrzehnt hat der gebürtige Hildesheimer als Eon-Chef auf der heimischen Energiebühne rumgewirbelt, sie teilweise auch mit unerwarteten Manövern durcheinandergewirbelt. Teyssen hat Spuren hinterlassen. Was auch in den nicht öffentlichen TV-Clips zu hören und zu sehen war, mit denen sein Pressestab sich von ihm als bunten Farewell-Gruß zum Schluss der Bilanzpressekonferenz verabschiedete.

„Für mich gehören Sie zu den Architekten einer machbaren Energiewende“, lobte Christoph Frei, langjähriger Generalsekretär des World Energy Council, ihn via Bildschirm. Noch größeres verbales Kaliber bot Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf: „Es ist mir ein Anliegen, Ihnen als Bundeswirtschaftsminister auch ganz persönlich ein großes Danke zu sagen für eine herausragende unternehmerische Karriere.“ Richtig auf die Sahne haute der Vorstandschef der Deutschen Bank, Christian Sewing: „Du hast eine tolle Leistung gebracht als Vorstandsvorsitzender von Eon. Das Unternehmen ist ein europäischer Champion dank dir.“ Teyssen hatte, das zur Erklärung, bis 2018 einige Jahre dem Aufsichtsrat des Bankhauses angehört.

Jürgen Trittin sieht indes keinen Anlass, das Wirken von Teyssen in goldenen Farben zu malen. Die Wege des früheren Bundesumweltministers und des Eon-Lenkers haben sich in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten mehrmals gekreuzt: „Teyssen hat die Unternehmensstrategie an die energiewirtschaftlichen Realitäten angepasst. Nicht so schnell wie beispielsweise eine Energie Baden-Württemberg, aber immerhin.“

Für den Grünen ist Teyssens Eon-Zeit nicht frei von Irrungen und Wirrungen gewesen. Als „bodenständiger Niedersachse“, so Trittin leicht süffisant, habe „Teyssen mit Beharrlichkeit daran gearbeitet, kurz nach der Übernahme des Vorstandsvorsitzes den Marsch in die atomare Sackgasse mitzuorganisieren.“ Vier Monate, nachdem er von Wulf Bernotat den Vorstandsstuhl bei Eon übernommen hatte, zählte Teyssen im Sommer 2010 mit zu den gewichtigen Stimmen und Erstunterzeichnern des sogenannten Energiepolitischen Appells. Diese Lobbyinitiative der vier großen Stromkonzerne hatte sich den Ausstieg aus dem Atomausstieg zum Ziel gesetzt − was die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung unter Angela Merkel wenig später exekutierte.

 
Johannes Teyssen
Bild: Eon / Maurizio Nannucci


Teyssens Drängen auf die Laufzeitverlängerung passte zu seinem Auftreten in jenen Tagen. Der studierte Volkswirt und promovierte Jurist hatte Ende der 1980er-Jahre seine Berufslaufbahn bei der Preussen Elektra AG, einem der Eon-Vorgängerunternehmen, begonnen. Die Karriereleiter richtig hinauf ging es für ihn beim im Sommer 2000 gegründeten Eon-Konzern. Anfangs gehörte er zur Führungscrew von Eon Energie, dem wichtigsten Tochterunternehmen. Später rückte der durchaus nie um klare Worte verlegene Energiemanager in den Konzernvorstand und galt schnell als Bernotats Kronprinz.

„Neue Energie“ bei Eon Fehlanzeige

Dass Eon in dem Nuller-Jahrzehnt seinen Markenauftritt mit dem Slogan „Neue Energie“ begann, lässt Gero Lücking im Nachhinein schmunzeln: „Wirklich neu oder gar grün war damals so gut wie gar nichts im Eon-Portfolio.“ Lücking zählt zur Gründungsmannschaft beim Ökostromanbieter Lichtblick, der wenige Monate vor Eon gegründet worden war: „Eon haben wir deshalb auch nie als ernstzunehmenden Konkurrenten gesehen.“ Statt auf „Grün“ hatte das Eon-Management auf den Discounter E wie Einfach gesetzt: „Diesen vermeintlichen Billiganbieter trimmte Eon schnell auf Wirtschaftlichkeit, was andere Wettbewerber in diesem Segment nicht geschafft haben“, weiß Lücking.

Dass Eon alles andere als zu den Motoren der Energiewende in Deutschland zählte, macht der langjährige Ökostrommanager an den Investitionen fest: „Während Eon Milliarden für Windparks an Land und auf See in den USA und Großbritannien ausgegeben hat, blieben für Deutschland nur überschaubare Beträge übrig.“

Deshalb überrascht auch die Einschätzung von Professorin Claudia Kemfert nicht: „Zu Beginn seiner Tätigkeit als Eon-Chef hat Teyssen eher zu den Bremsern der Energiewende gehört, was sich erst in den letzten Jahren seiner Amtszeit geändert hat, begleitet von einer bemerkenswert klaren Selbsterkenntnis.“ Die anerkannte Energieökonomin nennt Teyssen „einen klugen Kopf, mit dem man gern diskutiert“. Und nicht nur das: „Er hat eine ausgesprochene Wandelbarkeit an den Tag gelegt, die leider viel zu selten unter den deutschen Topmanagern anzutreffen ist.“

Zu Teyssens energiewirtschaftlichem Wandel haben unter anderen Kemfert wie auch der Grüne Trittin ein Stück beigetragen. „In den Wochen nach dem Fukushima-GAU kam er zu der Erkenntnis, dass Eon mit dem bisherigen Geschäftsmodell in der Sackgasse landen würde“, erzählt der Grünen-Politiker. Um seine Pläne für die Neuaufstellung des Unternehmens zu debattieren, suchte er hinter den Kulissen über Monate hinweg das Gespräch mit Energiekennern wie Kemfert oder Trittin, die alles andere als auf seiner Linie lagen.

Gescheiterter Expansionskurs nach Südeuropa und Brasilien

Nicht nur die energiepolitische Großwetterlage nach Fukushima hatte Teyssen übrigens zu einem neuen Kurs gezwungen. Als er bei Eon an der Spitze angekommen war, erbte der neue Konzernchef einen riesigen Schuldenberg. Dieses Milliardenloch ging vor allem auf das Konto seines Vorgängers Bernotat, dessen scharfer Expansionskurs nach Südeuropa und Brasilien gescheitert war.

Teyssens Ergebnis all seiner Neustrukturierungsgespräche und -überlegungen ist bekannt: Uniper. Ende 2014 gab das Eon-Management bekannt, alle Geschäfte mit konventioneller Energieerzeugung und dem -handel in diese neue Firma mit dem Kunstnamen „Unique Performance“ auszulagern. Die „alte“ Eon sollte künftig den Fokus auf erneuerbare Energien, die Netze und Kundenlösungen legen.

Diesen Paukenschlag für die heimische Stromwirtschaft, der nicht sein einziger bleiben sollte, erklärte Teyssen später gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit so: „Mal die klassische, mal die neue Energiewelt − meine Sorge war, dass unser Unternehmen auf Dauer überall durchschnittlich werden könnte. So kam es zur Aufspaltung.“ Bei diesem Gespräch hatte Teyssen sich der Medienwelt übrigens sehr verändert präsentiert: Dank einer Diät hatte er mehr als 30 Kilo abgespeckt. Kecke Bemerkung dazu in dem Interview: „Wenn Eon sich spaltet, muss ich mich selbst auch mit spalten.“

Vom eingeschlagenen Weg ließ Teyssen sich nicht abbringen. Auch ein historischer Rekordverlust von über 16 Mrd. Euro für das Geschäftsjahr 2016 ließen ihn und die für ihn zuständigen Gremien nicht wanken. Ansonsten hätte es auch seinen zweiten Coup nicht gegeben: Am 12. März 2018 verkündete Eon kurz nach Mitternacht, mit dem Dauerrivalen RWE gemeinsame Sache zu machen. Wie Teyssen bei „Kaffee, Tee, Kuchen und Plätzchen“ RWE-Chef Rolf Martin Schmitz in dessen Mönchengladbacher Privathaus das von ihm angestrebte Tauschgeschäft schmackhaft machen konnte, ist in dem Eon-Buch „Changing Energy − Wie der Eon-Konzern sich neu erfindet“ zum 20-jährigen Firmenjubiläum nachzulesen.

Mega-Deal bei Kaffee, Tee, Kuchen und Plätzchen

Beide fädeln ein gigantisches Tauschgeschäft ein, bei dem das bisherige RWE-Tochterunternehmen Innogy komplett zerschlagen wird: Eon gibt alle grünen Assets an RWE ab. Im Gegenzug übernimmt Eon das Netz- und Kundengeschäft von Innogy. Innerhalb kürzester Zeit stellt Teyssen Eon zweimal neu auf − was in dieser Radikalität noch kein deutscher Energiemanager vor ihm praktiziert hat.

Dass bei all diesen Manövern die Beschäftigten mehr oder weniger in der zweiten Reihe gestanden haben, ärgert Reinhard Klopfleisch noch heute: „Bei Teyssen ist leider viel zu oft übersehen worden, dass sein Wirken viele unmittelbare Auswirkungen auf Tausende von Menschen, Existenzen und Karrieren gehabt hat“, sagt der langjährige Energie-Referatsleiter der Gewerkschaft Verdi. Mit Teyssen hätten die Arbeitnehmervertreter „eine ganz Menge teilweise harter Konflikte“ gehabt. Die Verhandlungen mit Teyssen seien „sozialverträgliche Kraftakte“ gewesen, um bei allen Umbauplänen möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Derzeit segle Eon, sozialpolitisch gesehen, in einem ruhigen Fahrwasser.

Ob das auch wirtschaftlich so bleibt, wird sich in der Zeit nach Johannes Teyssen zeigen. Ende März trat „Mr. Eon“ trotz Corona-Pandemie mit einem Milliardengewinn ab, ein schöner Abschied. Dass die Milliarden weiter fließen, daran zweifelt Ben Schlemmermeier: „Da die Netze der eigentliche Ertragsbringer in dem neuen Konstrukt sind, wird Eon diesen regulierten Cashflow bald zu spüren bekommen“, sagt der langjährige Marktkenner und Chef der Unternehmensberatung LBD. Bereits die nächste Periode der Netzanreizregulierung werde Eons Gewinne deutlich schmälern. Was Teyssens Nachfolger Leonhard Birnbaum anscheinend wenig beunruhigt: „Wir können noch besser werden, als wir es heute sind“, gab er sich selbstbewusst auf der Bilanzpressekonferenz.

Birnbaum wird sich nicht nur an den Zahlen mit seinem Vorgänger messen lassen müssen, sondern auch an dessen rhetorischen Fähigkeiten. Wie selbstverständlich sieht Teyssen heute Eon als Teil der Energiewende. Gegenüber dem Handelsblatt postulierte er: „Die Energiewende findet nur mit Eon oder gar nicht statt.“ Worte des Wandels, die er vor zehn Jahren so nicht formuliert hätte. E&M
 
 

Ralf Köpke
© 2024 Energie & Management GmbH
Montag, 17.05.2021, 08:29 Uhr

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