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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - Powerline: Warten auf den Vermarktungs-Start
Bild: Shutterstock, luchunyu
E&M VOR 20 JAHREN:
Powerline: Warten auf den Vermarktungs-Start
Schon vor 20 Jahren haben kommunale Energieversorger die Telekommunikation als mögliches Geschäftsfeld angesehen.
 
Viel wird derzeit über neue Geschäftsfelder jenseits des Kilowattstunden-Verkaufs diskutiert. Mit der Digitalisierung ist die Telekommunikation noch stärker in den Blick der Energieversorger gerückt. Aber auch vor 20 Jahren war die Infrastruktur für Sprach- und Datenkommunikation schon ein großes Thema − insbesondere die Powerline-Technik. E&M-Redakteur Armin Müller hat die Pläne und Aktivitäten der Branche für einen Beitrag im April 2001 unter die Lupe genommen.


Um die vor einem Jahr avisierte Markteinführungen der Powerline-Technik ist es stiller geworden. Mit MVV kündigt jetzt jedoch ein weiterer Stromversorger die Vermarktung an.
 
Roland Hartung, Chef der MVV, gibt sich kämpferisch: "Die letzte Meile auf dem Weg zum Kunden hat nicht Eon oder RWE, sondern der regionale Verteiler." Genau diesen Vorteil gelte es auszunutzen, auch wenn das Stadtwerk dabei der Telekom in die Quere kommt. Hartung: "Wir müssen das Stromnetz für mehr als nur für die Stromlieferung nutzen. Wir können den zweiten Festnetzzugang für die Telekommunikation schaffen", hebt er den Wettbewerbsvorteil der Stadtwerke hervor.
 
Das Stichwort dazu heißt "Powerline", also die Technik, die es erlaubt, über Niederspannungsleitungen zusätzlich zur elektrischen Energie Daten für Telefonie oder für die Internet-Nutzung zu übertragen. Eine ganze Reihe von Stromversorgern startete vor rund einem Jahr mit Feldversuchen und kündigte für dieses Jahr die Markteinführung an, darunter auch die beiden eingangs genannten Unternehmen.
 
Auch die Mannheimer haben Großes vor: Derzeit sind in Mannheim in einem Feldversuch etwa 200 Haushalte an das Powerline-System angeschlossen, noch in diesem Jahr will Hartung bis zu 3000 zusätzliche Kunden an der schnellen Datenleitung haben; innerhalb der nächsten Jahre schwebt der Vertriebsmannschaft in Mannheim ein Marktanteil beim Internet-Zugang von 30 % vor. Möglich machen soll dies eine Technik, die in Israel entwickelt wurde und auf die die MVV-Fachleute auf der letztjährigen CeBIT aufmerksam wurden: Das High-Tech-Unternehmen Main.net Communications aus der Nähe von Tel Aviv hat ein Übertragungssystem, das auf vielen Kanälen (zwischen 4 und 25 MHz) gleichzeitig sendet und dabei niedrige Pegel verwendet. Eigentlich werde nur das Rauschen erhöht, meinte einer der Entwickler. Ein Empfänger erkenne dann, dass ein Datenpaket für ihn bestimmt sei, wenn die ihm zugeteilten Übertragungskanäle gleichzeitig ein Signal empfangen. DSSS oder "Direct Dequence Spread-Spectrum" heißt das Verfahren.
 
Ein Bild aus dem Jahr 2001: Moshe Efrati (Main.net Communications; li.) und Roland Hartung (MVV; re.) wollen gemeinsam die Powerline-Technik vermarkten
Bild E&M

Die israelischen Entwickler sind sich sicher, dank dieser Technik mit nahezu jeder Netzqualität zurecht zu kommen; selbst in einem spanischen Dorf mit "malerischen Installationen" habe man die Datenübertragung in Gang bekommen. Getestet wurde dort im Netz der Union Fenosa, aber auch sonst in Europa haben die Spezialisten von Main.net so gut wie jedes Netz schon untersucht: In Italien gibt es eine Zusammenarbeit mit Enel, in Frankreich mit EdF, in Schweden mit Vattenfall und der Stromversorger-Dachorganisation Elforsk.
 
Mit der Mannheimer MVV verbindet die israelischen High-Tech-Entwickler im Augenblick eine besonders intensive Zusammenarbeit: Ein gemeinsam gegründetes Tochterunternehmen (Anteile je 50 %, Kapitalausstattung 15 Mio. DM), die Power Plus Communications (PPC), soll die Technik bundesweit anbieten. Als Kundengruppe hat Roland Hartung dabei die Stadtwerke im Auge, denen er helfen will, "ein zweites Geschäft über das Stromnetz abzuwickeln." Dazu bekommen sie aus Mannheim einen ersten Demonstrationstest mit rund 10 Geräten, einen drei-monatigen Markttest mit 200 Geräten im Stadtgebiet und anschließend Unterstützung bei der Markteinführung der Powerline-Technik. Mit fünf Stadtwerken sei man bereits kurz vor der Vertragsunterschrift, freut sich die PPC-Vertriebsmannschaft.

MVV hat PPC als gemeinsames Tochterunternehmen mit Main.net gegründet

Investieren muss der potentielle Internet-Anbieter vor allem in die Datenleitungen ("Backbone") hinter dem Niederspannungs-Trafo. In Mannheim will man in dieses Datennetz in den nächsten Jahren bis zu 30 Mio. DM investieren, pro Kunden-Anschluss rechnet man mit etwa 1000 DM (ein Wert, den vor einem Jahr auch EnBW nannte), die über die Nutzungsdauer verteilt werden müssen. Die Kosten für die eigentliche Powerline-Technik nach dem Trafo seien dagegen gering und vor allen Dingen proportional zum Kundenaufkommen: Wo keine Powerline-Anschlüsse nachgefragt werden, muss das Stadtwerk auch nicht investieren.
 
Die Begeisterung der MVV-Mannschaft für das Powerline-Angebot erinnert an die Aufbruchsstimmung, die vor knapp einem Jahr das Anbieter-Duo EnBW und Siemens verbreitete. Im Frühjahr 2001 wollten die Schwaben mit der Markteinführung beginnen, mehrere tausend bis zehntausend Kunden wollte Projektleiter Dr. Jürgen Unfried in diesem Jahr anschließen. Das klingt heute ganz anders: Noch immer sind nur 200 Haushalte, Schulen oder Unternehmen an die Powerline-Testinstallation angeschlossen, weiß EnBW-Sprecher Klaus Wertel. Entscheidungen über die künftige Entwicklung wolle man in Ruhe treffen, man sei hier nicht unter Zeitdruck. Auch über die Verteilung der Investitionen ist laut Wertel noch keine Entscheidung gefallen. Außerdem warte man auf die Freigabe von Frequenzen durch die Telekom-Regulierungs-Behörde.

Auch bei RWE Powerline hat man noch nicht mit der vor einem Jahr angekündigten Markteinführung begonnen. Noch bis Juni laufen Tests in insgesamt 206 Haushalten und einer Schule in Essen, erläutert Dr. Andreas Preuss von RWE Powerline, danach will man das System zunächst in Essen und Mülheim anbieten, später auch außerhalb dieser Region. Tarife für Internet-Kunden will man auf der CeBIT bekannt geben.
 
Auch bei der im Januar 2000 gegründeten Eon-Tochter "Oneline" ist man noch nicht bei der angekündigten Markteinführung, sondern beim Pilotversuch mit 400 Haushalten, die bis Ende diesen Jahres angeschlossen sein sollen. Vorausgegangen sind diesem im letzten Jahr Tests der Technik zusammen mit dem Regionalversorger Avacon. In deren Versorgungsgebiet, so Oneline-Sprecher Ralf Wege, wird jetzt auch der Pilotversuch durchgeführt. Start ist in Barleben bei Magdeburg, dem Sitz des Unternehmens. Testen will man die Datenübertragung in vier städtischen und ländlichen Gebieten, um Erfahrungen mit möglichst allen Netzvarianten sammeln zu können.
 
Die Vermarktungsstrategie der Eon-Tochter ähnelt der von MVV: Das Unternehmen will die Powerline-Technik nicht nur im Versorgungsgebiet der Konzern-Unternehmen einsetzten, sondern bietet sie auch anderen Netzbetreibern an. Angestrebt wird laut Wege die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens für den Aufbau des Dienstes; vorher werden Pilotversuche (6 Monate Dauer sind dafür vorgesehen) im Netz des Interessenten durchgeführt. Bei den Versuchen geht es nicht nur um das Funktionieren der Technik, sondern auch um das Durchspielen der begleitenden organisatorischen Prozesse. In Deutschland arbeitet man derzeit allerdings außer mit Avacon mit keinem weiteren Versorger zusammen. Aktivitäten gibt es aber seit Herbst letzten Jahres mit dem finnischen Telekommunikations-Unternehmen Sonera Entrum und dem finnischen Energieversorger Jyväskylän Energia.

Weder Eon noch RWE haben mit der Markteinführung begonnen

Wann der deutsche Markt in Schwung kommt, hängt neben den technischen auch von den gesetzlichen Voraussetzungen ab. Denn generell gilt, dass ein Anbieter entweder bei der Regulierungsbehörde die Nutzung der gewünschten Übertragungsfrequenzen beantragen muss oder nachweisen muss, dass von seiner Technik keine Störungen ausgehen. Das ist dann der Fall, wenn er die Grenzwerte der erwähnten Nutzungsverordnung 30 (NB 30) einhält. Allerdings gibt es die NB 30 bisher nur als Entwurf.
 
Ebenfalls noch nichts beschlossen ist bei der Vergabe von Frequenzen: Wer auf eine Frequenz-Zuteilung wartet (wie EnBW), muss sich in Geduld üben. Im letzten Jahr lief eine Frageaktion der Behörde im Amtsblatt. Darin konnten die Powerline-Anbieter mitteilen, welche Frequenzen und Techniken sie nutzen wollen, erläutert Werner Hugentobler, Sprecher der Regulierungsbehörde. Kürzlich (bis 16. Februar) wurde die zweite Fragerunde beendet. Die Auswertung ist laut Hugentobler noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse sollen zu einer "Aktualisierung der Verwaltungsgrundsätze Frequenznutzungen" führen, heißt es im Amtsblatt der Regulierungsbehörde. Und: "Im Falle der Aktualisierung erfolgt erneut die Beteiligung der Öffentlichkeit". Das könne dauern.
 

Armin Müller und Fritz Wilhelm
© 2024 Energie & Management GmbH
Freitag, 02.04.2021, 13:51 Uhr

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