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Bild: Shutterstock
KLEINWIND:
"Das ist ein echtes Bonsche"
Wirklich angetan zeigen sich drei Betreiber von Kleinwindanlagen in Norddeutschland, deren erzeugten Strom sie gezielt selbst nutzen.
 
Viele Bremer lieben nicht nur die Kicker vom SV Werder, sondern auch das Blockland im Norden der Stadt. Diese Flusslandschaft liegt inmitten der Natur und ist doch so stadtnah. In eigenwilligen Bögen windet sich die Wümme unmittelbar an der Landesgrenze zu Niedersachsen durch die Wiesen, bildet kleine Buchten zum Baden und ist Lebensraum für Fische und Vögel.

Hier hat Familie Kaemena seit über 500 Jahren ihren Hof. Seitdem sorgt vor allem die Milch- und Viehwirtschaft für das Einkommen. Dass die jüngere, mittlerweile neunte Generation eigene Wege geht, liegt im Trend der Zeit: Seit 2005 ist der Kaemena-Hof anerkannter Bioland-Betrieb, 2016 zählten die Hanseaten von der Wümme sogar zu den Gewinnern des „Bundeswettbewerbs ökologischer Landbau“.

Dass regenerative Energien ein Muss für ihren Hof sind, darüber bestand bei den Kaemenas seit Jahren Einigkeit. Nicht nur die Melkmaschinen für die 75 Kühe ziehen reichlich Strom, sondern zunehmend auch die notwendigen Maschinen für die Milchverarbeitung: Denn die Kaemenas sind in die Speiseeisproduktion eingestiegen, die Absatzzahlen ihres Bioeises sind in den zurückliegenden Jahren (bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie) ständig gestiegen.

In einem ersten Schritt installierte der Familienbetrieb 2011 mehrere Dutzend Solarmodule auf den Dächern der Ställe mit einer Gesamtleistung von gut 26,5 kW. Die Chance, zeitgemäße, „große“ Windturbinen auf den eigenen Grünwiesen zu errichten, habe nie bestanden, erklärt Harje Kaemena: „Mit unserem Hof liegen wir in einem Landschafts- und Vogelschutzgebiet, 100 Kilowatt oder mehr hätten wir nie genehmigt bekommen.“

„Die Anlage drehen zu sehen, ist ein gutes Gefühl“

Froh ist der Biolandwirt, dass seit Ende Februar 2020 eine 10-kW-Anlage auf dem Hof läuft. Und zwar hat sich die Familie für das getriebelose Standardmodell des niederländischen Herstellers EAZ Wind auf einem 15-Meter-Mast inklusive der Rotorblätter und Heckfahne aus Holz entschieden. „Mir gefällt nicht nur das Design nach wie vor“, begründet Harje Kaemena die Entscheidung, „die Anlage passt optisch richtig gut auf unseren Hof.“ Auf der Habenseite verbucht er auch die guten Erfahrungen mit dem Hersteller EAZ: „Wir haben ein Komplettangebot bekommen, von der Genehmigung über alle Gutachten bis hin zum Netzanschluss.“ Das habe alles „bestens gepasst“.

Und auch mit den ersten Betriebsergebnissen ist Kaemena zufrieden: Nach den ersten zwölf Monaten hat das EAZ-Windrad rund 20.500 kWh erzeugt, etwa 10 % weniger als prognostiziert. „Macht nichts“, sagt Harje Kaemena, „die Anlage drehen zu sehen ist ein gutes Gefühl.“
 
In den Nullerjahren schmückten Erk Rickmers und seine Frau Britt das Titelbild einer Kleinwindpublikation
Foto: Easy Wind GmbH

Dank der Kleinwindanlage kann der Blockland-Hof derzeit etwa die Hälfte des Strombedarfs selbst decken. Diese Quote wird sinken: „Wir wollen unsere Eisproduktion ausweiten.“ Deshalb laufen bei den Kaemenas längst Überlegungen für eine zweite Kleinwindanlage: „Platz hätten wir, wir hoffen, dass die Genehmigungsbehörden mitspielen.“

Im Vergleich zu Familie Kaemena ist Erk Rickmers ein wahrer Kleinwind-Nestor. Bereits seit Ende November 2006 betreibt der nordfriesische Landwirt aus dem Herrenkoog eine „Easy Wind“ mit 6 kW Leistung. Allzu gerne hätte der damalige Schweinemäster einige „große“ Windturbinen auf seinem Gelände errichtet. Als Geschäftsführer eines Bürgerwindparks im benachbarten Risum-Lindholm verfügte er über reichlich Know-how mit der Windenergie. „Leider liegen wir außerhalb der Vorrangzonen, daher habe ich mich für eine Kleinwindanlage entschieden.“

Und zwar auch aus finanziellen Motiven: Als sein Stromversorger ihm als vermeintlichen Großverbraucher höhere Preise androhte, suchte Rickmers nach Mitteln und Wegen, wieder unter die Leistungsbemessungsgrenze beim Stromverbrauch von jährlich 35.000 kWh zu kommen. Schnell hatte er recherchiert, dass die Easy-Wind-Anlage (die in jenen Tagen noch dem ursprünglichen Hersteller Inventus gehörte) an einem guten Standort zwischen 12.000 und 15.000 kWh produzieren könnte − was bei Rickmers Betrieb, der nur rund zehn Kilometer Luftlinie von der Nordsee entfernt liegt, als machbar erschien.

Bis sich die Anlage wirklich auf seinem Hof drehte, musste Rickmers noch geraume Zeit mit dem zuständigen Bauamt ringen, selbst ein Schall- und Schattenwurfgutachten musste er vorlegen. Auf die Easy Wind lässt der Nordfriese nichts kommen. Der kleine Vierflügler, der auf einem 19 Meter hohen mit Seilen abgespannten Mast montiert ist, hat in den zurückliegenden 15 Jahren jährlich immer an die 12.000 kWh erzeugt. Damit rutschte Rickmers in der Tat unter die ominöse 35.000-kWh-Verbrauchsgrenze. Was sich positiv auf die Amortisation auswirkte: „Dank dieser Einsparung und des selbst genutzten Stroms habe ich jährlich 4.000 Euro weniger an Strom zahlen müssen.“

Nicht den Fehler seines Vaters wiederholen

Auch technisch hat sich nach Worten des nordfriesischen Landwirts die „EasyWind 6 AC“ (so der offizielle Markenname) bewährt: „Ich habe lediglich einen neuen Satz Rotorblätter bekommen und die Abspannseile einmal erneuert, mehr nicht.“ Unter dem Strich habe sich sein Kleinwindrotor als „echtes Bonsche“, als gut schmeckendes Bonbon, erwiesen.

Im Vergleich zu Erk Rickmers ist sein Landwirtkollege Ingo Schild noch ein Kleinwind-Novize. Auf seinem Hof in der friesischen Gemeinde Wangerland läuft erst seit vergangenem Dezember eine kleine Windturbine: Im Vergleich zur Easy Wind ist seine Bestwatt-Maschine auf einem 42 Meter hohen Gittermast schon richtig groß: Und zwar bringt es die BW30, so die Typenbezeichnung, auf knapp 30 kW Leistung.

Wenn der Wind mitspielt, dürfte Ingo Schild für jedes Betriebsjahr mit 80.000 bis 85.000 kWh rechnen.
Dabei kommt ihm zugute, dass sein Hof nur rund 600 Meter von der Nordseeküste entfernt liegt: „Das ist ein Starkwindstandort, keine Frage.“ Bis Ende April konnte sich Schild, der sein Geld mit Viehhaltung, Kartoffelanbau, Ferienwohnungen und einem Hofcafe verdient, bereits über die ersten 42.000 kWh freuen.

Sein Weg zum Kleinwindmüller hat einige Jahre gedauert. Unter anderem musste er ein Vogelschutz- und Fledermausgutachten erarbeiten lassen. Und noch eine Hürde musste Schild nehmen: Er konnte keinen höheren als den gewählten Mast mit 42 Meter Höhe nehmen. „Wir liegen quasi in der Einflugschneise des Flugplatzes Wangerland. Mit den Motorfliegern hätte ich bei einem höheren Mast Stress bekommen.“

Schild ist jedenfalls froh, dass die Bestwatt-Anlage als Ergänzung zu den Solarmodulen mit rund 450 kW Leistung auf seinen Betriebsgebäuden (davon gehören ihm selbst 60 kW) in Betrieb ist: „Mein Vater hatte in den Anfangsjahren der Windenergie überlegt, vier damals kleinere Windturbinen mit jeweils 300 Kilowatt zu bauen, den Plan aber verworfen, und war später todunglücklich darüber.“ Diesen Fehler wollte er nicht wiederholen: „Und bis jetzt läuft alles wirklich gut.“
 
Bislang zufrieden mit seiner EAZ-Anlage: Harje Kaemena
Bild: EAZ Wind
 

Ralf Köpke
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Donnerstag, 17.06.2021, 09:24 Uhr

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