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Enerige & Management > Studien - Ökoinstitut: Netzentwicklungsplan 2035 gefährdet Klimaschutz
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STUDIEN:
Ökoinstitut: Netzentwicklungsplan 2035 gefährdet Klimaschutz
Das Öko-Institut kommt in seiner Analyse des „Netzentwicklungsplans 2035 Strom“ zum Schluss, dass mit seiner Umsetzung die deutschen Klimaschutzziele nicht erreicht werden können.
 
Der erste Entwurf des „Netzentwicklungsplans 2035 Strom“ (NEP) wurde Ende Januar 2021 von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern vorgelegt. Laut Analyse des Öko-Instituts können damit aber die vorgegebenen CO2-Emissionsobergrenzen nicht eingehalten werden. Der NEP legt die künftigen neuen Wechselstrom-Trassen, Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Korridore und Wind-Offshore-Anbindungen fest.

Erstmals hat der Netzentwicklungsplan einen zeitlichen Planungshorizont bis 2040 und nicht wie bisher bis 2035. Daraus ergeben sich höhere Klimaschutzziele. Dies spiegele sich in dem Anteil der erneuerbaren Energien (EE) von etwa 75 % an der Bruttostromnachfrage wider. Die CO2-Emissionsobergrenze für das Jahr 2040 legt der Netzentwicklungsplan bei 60 Mio. Tonnen CO2 fest.

24 Mio. Tonnen mehr Klimagase im NEP

Das Beratungsinstitut kommt nun zu dem Schluss, dass der NEP diese Grenze selbst nicht einhält. Statt der avisierten 60 Mio. würden bei seiner Umsetzung 84 Mio. Tonnen CO2 emittiert. Die Mehremissionen werden als Bedarf an CO2-neutralem Brennstoff in entsprechender Höhe ausgewiesen. „Der diesjährige NEP geht noch nicht ins Gesetz ein. Hoffen wir, dass wir bis zum nächsten NEP noch einige Verbesserungen erzielen“, sagte Senior Researcher Franziska Flachsbarth vom Öko-Institut.

Der NEP beantworte weder die Frage nach der Art des CO2-neutralen Brennstoffs – Wasserstoff oder Biomasse – noch nach dessen Herkunft – inländisch erzeugt oder importiert. Auch die Option, die Einsparung der CO2-Emissionen durch Carbon Capture and Storage (CCS), also die unterirdische Einspeicherung von CO2, zu erreichen, bleibe offen, kritisiert Flachsbarth. Die daraus resultierenden Mehrkosten würden zudem nicht in der Marktmodellierung berücksichtigt.

Der Netzentwicklungsplan mündet alle vier Jahre in das Bundesbedarfsplangesetz. Dort wird die Notwendigkeit von Netzausbauvorhaben dann gesetzlich manifestiert. Der vorliegende NEP allerdings könne die Machbarkeit seines Szenarios nicht nachweisen. „Insofern muss das Szenario so interpretiert werden, dass es die Klimaschutzziele der Bundesregierung nicht einhält“, sagt Flachsbarth.

Ein weiterer Kritikpunkt in der Kommentierung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts ist die Bemessung der CO2-Emissionsobergrenze: Der European Green Deal verschärft den CO2-Minderungspfad für Deutschland. Die Studie „Klimaneutrales Deutschland“ bricht dies auf die deutschen Sektoren herunter. Danach ergibt sich für die Energiewirtschaft ein Treibhausgas-Emissionsminderungspfad von 74 Mio. Tonnen bis zum Jahr 2035 und 45 Mio. Tonnen bis 2040.

Damit hinke der NEP den aktuellen Klimaschutzzielen der Bundesregierung erneut hinterher, und die Netzplanung basiere auf zu wenig ambitionierten Klimaschutzszenarien. Das Öko-Institut schlägt daher vor, das Stromnetz vom Ziel her zu planen. Es wäre zielführender, von ambitionierten Szenarien mit 100 % erneuerbaren Energien auszugehen und dann davon rückwärts zu rechnen, welche der Zielnetz-Leitungen ab wann gebraucht werden.

„Der vorgelegte Netzentwicklungsplan setzt an einer weiteren wesentlichen Stelle auf einer falschen Basis auf“, sagt Franziska Flachsbarth. Er erwecke den Anschein, dass der Zubau von erneuerbaren Energieerzeugern (EE) ab einem Anteil von 75 % nicht mehr viel bringt, da hohe Abregelungsmengen entstehen. „Das Modell basiert viel zu sehr auf der alten Welt der konventionellen Kraftwerke“, kritisiert Flachsbarth. „Wenn wir in der Modellierung des NEP allerdings die Wärmepumpen und die Elektromobilität richtig einsetzen, dann hätten wir weniger EE-Abregelung“, sagt sie.

Würden diese dezentralen Flexibilitäten auch auf Marktanreize wie den Strompreis reagieren und die Maxima der Residuallast reduzieren, anstelle nur der Last, so wären die EE-Überschüsse bereits geringer ausgeprägt als im NEP angegeben. Die Residuallast ist die Last abzüglich der EE-Einspeisung in jeder Stunde. Auch im Ausland könne man diese Flexibilitätsoptionen einbauen, was zur Integration aller erzeugten EE in ganz Europa beitragen würde. „Da muss der NEP nochmal arbeiten, um das besser abzubilden“, fordert Flachbarth.

Die „Kommentierung des ersten Entwurfs des Netzentwicklungsplans Strom 2035"  des Öko-Instituts steht kostenlos im Internet bereit.
 

Susanne Harmsen
Redakteurin
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