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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - "Marktwirtschaftlich völlig paradox"
Bild: Fotolia, ty
E&M VOR 20 JAHREN:
"Marktwirtschaftlich völlig paradox"
Im Jahr 2001 zeigte sich Werner Kalter, der Bereichsleiter Technik und Energie der Tengelmann-Gruppe, im Gespräch mit Energie & Management sehr verärgert über die Energieversorger.
 
Nach der Liberalisierung des Energiemarkts und der Abschaffung der Gebietsmonopole konnten Filialisten ihre Energieversorgung neu organisieren. Nicht zuletzt aufgrund der meist enormen Verbrauchsmengen konnten die Unternehmen erhebliche Preissenkungen erreichen. Die Unternehmensgruppe Tengelmann war im Jahr 1997 der erste spektakuläre Bündelkunde in Deutschland. Nach ein paar Jahren der Liberalisierung zeigte sich Werner Kalter, Bereichsleiter Technik und Energie bei Tengelmann, mit dem Wettbewerb allerdings sehr unzufrieden, wie er vor 20 Jahren im Gespräch mit E&M-Redakteur Jochen Schultheiß deutlich machte.

E&M: Herr Kalter, Sie sagen, der Wettbewerb im Strommarkt sei tot, ehe er richtig begonnen hat.
Kalter: Begonnen hat der Wettbewerb schon, nur ist er wieder eingeholt worden von einem kartellartigen Verhalten der großen Verbundunternehmen. Die Vorstandschefs von Eon und RWE haben propagiert, dass der Strompreis nun endlich steigen müsse, und nun steigen die Preise auch tatsächlich. Diese Art selbsterfüllende Prophezeiung ist für mich als Kunde nicht nachvollziehbar und auch nicht glaubwürdig.
E&M: Als Großkunde haben Sie aber doch sicherlich vom Wettbewerb profitiert.
Kalter: Wie alle anderen auch haben wir natürlich enorme Preisvorteile erreicht. Trotzdem kann ich die heutige Situation nicht nachvollziehen: Sie können heute ausschreiben und bekommen mit zehntel Pfennigen Unterschied durchgängig immer den gleichen Preis angeboten. Das sieht nicht nach Wettbewerb aus, denn wir haben unverändert Überkapazitäten, wir haben unverändert zu hohe Durchleitungsgebühren und wir haben unverändert hervorragende Bilanzen bei den Energieversorgern.
E&M: Bündelkunden scheinen auch nicht mehr besonders beliebt zu sein.
Kalter: Viele Versorgungsunternehmen haben festgestellt, dass Bündelkunden unglaublich schwierig abzuwickeln sind. Das liegt aber nicht an den Bündelkunden, sondern an der Energiebranche. Wenn jedes Netzgebiet eigene Durchleitungsentgelte hat, wenn es überall Schutzwälle gibt, dann wird es schwierig mit der Kalkulation. Aber das ist nach meiner Meinung so gewollt. Es gibt bei den Anbietern keinen aktiven Wettbewerb, man ist wieder unter sich.
E&M: Sie wollen sich deshalb mit anderen Bündelkunden über die Marktsituation austauschen.
Kalter: Wir haben uns einfach nur gesagt, dass wir als Unternehmensgruppe vielleicht ein zu einseitiges Blickfeld haben und deshalb den Kontakt zu anderen großen Bündelkunden gesucht. Die bisherige Erkenntnis daraus: Die anderen sehen es genauso wie wir.

"VIK und VEA haben für uns nichts erreicht"

E&M: Sie beklagen, dass Sie sich weder vom VIK noch vom VEA als Interessenvertreter der Industrie gut vertreten fühlen. Warum?
Kalter: Weil sie für uns nichts erreicht haben. Auch die mit Hauen und Stechen durchgezogene Verbändevereinbarung II ist ungeheuer kompliziert und erfordert sehr viel Expertenwissen.
E&M: Das klingt wie der Ruf nach einem Regulierer.
Kalter: Ich bin grundsätzlich für freiwillige Lösungen, aber wenn Sie nicht funktionieren und unverändert ein monopolisierter Netzmarkt vorhanden ist, dann braucht man wohl eine Regulierungsbehörde. Wir erleben es jetzt wieder bei der Verbändevereinbarung Gas, die nur Mathematiker verstehen und die keinen Wettbewerb zulässt.
E&M: Von wie vielen Unternehmen werden Sie jetzt als Bündelkunde beliefert?
Kalter: Unser Ansatz war, dass wir mit rund 25 preisbestimmenden Versorgungsunternehmen zu tun haben, um so den Markt kennenzulernen und regionale Preisunterschiede nutzen zu können. Da sich preislich derzeit nichts mehr nach unten bewegt, haben wir uns entschlossen, dass wir bei bestimmten Lieferanten die Abnahmemenge erhöhen, um Preisvorteile zu erzielen. Das Ergebnis: Wir haben bei einem Lieferanten die Menge verdoppelt und eine Preissteigerung von 20 Prozent bekommen. Das ist volkswirtschaftlich und marktwirtschaftlich völlig paradox.
E&M: Was wollen Sie tun?
Kalter: Wir überlegen uns, noch höher zu bündeln. Dabei beobachten wir, wie ernsthaft Multi-Utility-Angebote gemacht werden und werden dann situativ entscheiden.
E&M: Bei höherer Bündelung müssten sie nicht mehr so viele Rechnungen vergleichen.
Kalter: Rund 25 Prozent unserer Rechnungen in Deutschland sind falsch, seltsamerweise fast alle davon zu hoch. Bei uns werden zurzeit etwa 30.000 Rechnungen jährlich geprüft. Wir erstellen daraus eine neutrale Statistik und haben dadurch einen transparenten Markt für uns. Bei höherer Bündelung reduzieren wir die Abwicklungskosten mit dem Nachteil einer reduzierten Transparenz. Wir werden versuchen, daraus ein Optimum für uns zu finden.
E&M: Sie bieten Ihre Erfahrung mit dem Wettbewerbsmarkt als Dienstleistung an. Was kann man da von Tengelmann bekommen?
Kalter: Wir beraten beim Energieeinkauf und auch beim Energiesparen. Wir machen das sowohl für Bündelkunden als auch für kleinere und mittlere Industrieunternehmen und rechnen die Dienstleistung auf einer Ingenieurbasis ab.
 
Werner Kalter (2001): "Bei uns werden zurzeit etwa 30.000 Rechnungen jährlich geprüft"
Bild: E&M
 

Energie für Lebensmittel

Die Unternehmensgruppe Tengelmann war 2001 ein weltweit tätiger Handelskonzern mit rund 6.700 Filialen und etwa 190.000 Mitarbeitern. Im Geschäftsjahr 2000 erreichte der Konzern einen Gesamtumsatz von rund 53 Mrd. DM. Der Stromverbrauch der Unternehmensgruppe in Deutschland betrug 2001 mehr als 1 Mrd. Kilowattstunden.
Mittlerweile hat sich der Konzern, zu dem heute die Baumarktkette Obi und der Textildiscounter Kik gehören, aus dem Lebensmittelgeschäft zurückgezogen.
 

Jochen Schultheiß und Fritz Wilhelm
© 2024 Energie & Management GmbH
Freitag, 14.05.2021, 15:26 Uhr

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