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Enerige & Management > Stadtwerke - Amtsgericht befindet über zahlungsunfähige Stadtwerke Bad Belzig
Quelle: Fotolia / nmann77
STADTWERKE:
Amtsgericht befindet über zahlungsunfähige Stadtwerke Bad Belzig
Die Millionenpleite der Stadtwerke Bad Belzig ist aktenkundig. Die Kommune hat einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Potsdam gestellt, das über das Schicksal des Versorgers befindet.
 
Das Schicksal der Stadtwerke Bad Belzig GmbH liegt nun nicht mehr in den Händen der brandenburgischen Kommune. Für das zahlungsunfähige Tochterunternehmen der Stadt hat der technische Leiter Thomas Tanneberg am 22. Dezember beim Amtsgericht Potsdam einen Antrag auf Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gestellt (wir berichteten).

Sollte das Gericht nach Prüfung der Unterlagen zu der Auffassung gelangen, dass ein Insolvenzverfahren kaum Aussicht auf Erfolg hat, droht dem Querverbund-Stadtwerk die sofortige Zerschlagung. Dies wäre eine Seltenheit in der kommunalen Versorger-Landschaft.

Bürgermeister hofft auf Fortbestand der Stadtwerke

Auf Anfrage unserer Redaktion bringt Aufsichtsratschef und Bürgermeister Roland Leisegang (parteilos) seine Hoffnung zum Ausdruck, die Stadtwerke „weiterhin als Angebot zur Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Gas, Fernwärme, Wasser und Abwasser zur Verfügung zu haben“. Aus dem Stromvertrieb hat das Unternehmen sich inzwischen verabschiedet, die Stadtwerke Potsdam haben bereits in den Tagen vor Weihnachten allen Kundinnen und Kunden Übernahmeverträge unterbreitet.

„Die Fortführung der Stromsparte ist nicht geplant“, sagt Leisegang weiter. Dieser Bereich ist dem Stadtwerk im Jahr 2021 zum Verhängnis geworden. Die Schuld sieht die Kommune beim im November entlassenen Geschäftsführer Hüseyin Evelek. Eine Chronologie der Ereignisse hat der Bürgermeister im Anschluss an die Stadtverordnetenversammlung vom 21. Dezember ins Internet gestellt.

Demnach habe Evelek am 29. September während einer Aufsichtsratssitzung mitgeteilt, insgesamt zu wenig Gas und noch keinen Strom eingekauft zu haben, um die Kundschaft ab 2022 weiterhin beliefern zu können. Trotz Aufforderung des Kontrollgremiums, dies nun nachzuholen, sei der Einkauf bis zum 10. November nicht erfolgt. Daraufhin erfolgten Freistellung und Kündigung des Geschäftsführers.

Termingeschäfte bringen mehr als 10 Mio. Euro Verlust

Viel schwerwiegender aber waren fehlgeschlagene Termingeschäfte des Ex-Geschäftsführers mit dem – nun als Hauptgläubiger auftretenden – Energieriesen Vattenfall. Der Deal sicherte Vattenfall Strommengen zu festgelegten Preisen zu. Problem: Die Stadtwerke Bad Belzig verfügten bei Vertragsabschluss nicht über den Strom und wollten ihn erst später zu günstigeren Konditionen einkaufen. Weil die Preise am Markt explodierten, verkehrte die Aussicht auf eine Gewinnmarge sich ins absolute Gegenteil. Auf 10 Mio. bis 18 Mio. Euro taxieren Insider den Verlust. Schulden, die für die Kommune nicht zu tragen sind und offenbar am 1. Januar 2022 fällig werden.

Daher zogen die Verantwortlichen mit dem Insolvenzantrag die Notbremse. Mit einem Massekredit von 1,6 Mio. Euro will die Stadt das Verfahren finanziell absichern. Diese Summe war eigentlich als Darlehen dafür gedacht, die Stadtwerke in einem Verfahren nach dem Gesetz zum Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG) zu sanieren. Dies ist die außergerichtliche Variante ohne förmliches Insolvenzverfahren. Mit Verweis auf die hohen Strompreise an den Märkten und die intensive Berichterstattung in den Medien stuften die Verantwortlichen die Durchführung des „grundsätzlich nicht-öffentlichen StaRUG-Verfahrens als nicht mehr durchführbar“ ein. Das Darlehen wurde entsprechend nicht ausgezahlt.

Am 22. Dezember reichte die Stadt zugleich Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Potsdam gegen den Ex-Geschäftsführer ein, dem sie Vertrauensbruch und Untreue vorwirft. Die hochriskanten Warentermingeschäfte "wurden zu keinem Zeitpunkt durch den Aufsichtsrat genehmigt", so der Bürgermeister.

Die Stadtwerke Bad Belzig haben nur eine Überlebenschance, wenn das Amtsgericht einem Insolvenzverfahren zustimmt. Sollten die Stadtwerke es in Eigenverantwortung führen können, dürfen sie ihre Geschäfte weiterführen und damit neue Liquidität aufbauen. Daraus sollen die Gläubiger sich bis zu der vereinbarten Höhe ihrer Forderungen bedienen können.

Lehnt das Amtsgericht eine Verfahren in Eigenverantwortung ab, käme eine Regel-Insolvenz ins Spiel. Damit würden die Stadtwerke Bad Belzig abgewickelt, um die Gläubiger sofort zu bedienen. Für diesen Fall droht der Stadt der Verlust von 7 Mio. Euro Eigenkapital. Dazu sind 25 Beschäftigte in Sorge um ihren Arbeitsplatz.

Die öffentliche Erklärung des Bad Belziger Bürgermeisters  zum Sachstand vom 22. Dezember ist auf der Webpräsenz der Stadtwerke im Internet hinterlegt.
 

Volker Stephan
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Dienstag, 28.12.2021, 16:06 Uhr

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