
Kurzfristig trägt die Corona-Krise dazu bei, dass die CO2-Emissionen weltweit sinken. Nach Schätzungen der Brüsseler Denkfabrik CEPS werden sie in der EU 2020 um 250.000 bis 450.000 Tonnen geringer ausfallen als im Vorjahr. Der Dachverband der Übertragungsnetzbetreiber Entso-E rechnet mit einem überdurchschnittlichen Rückgang der fossilen Erzeugung, insbesondere aus Steinkohle, in der Elektrizitätswirtschaft der am meisten betroffenen Länder Italien und Spanien. Die Europäer werden ihre für 2020 anvisierten Emissionen voraussichtlich deutlich unterschreiten.
Nach der Krise könnten die Emissionen allerdings schnell wieder ansteigen, wenn der Energiebedarf wieder zunimmt. Unklar ist, welche Kraftwerke diesen Bedarf decken. Der Preis im europäischen Emissionshandelssystem (ETS) ist um mehr als ein Drittel auf rund 16 Euro je Tonne gefallen. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit von Kohle und Gas gegenüber den Erneuerbaren. Im Falle eines Überangebots, könnten ab 2023 mehr Emissionsrechte in die Marktstabilisierungsreserve eingestellt werden und der CO2-Preis könnte wieder steigen – zum Vorteil von Wind- und Solarkraftwerken.
Ob es darüber hinaus zu einer Forcierung der Klimapolitik kommt, steht jedoch in den Sternen. Die Corona-Krise hat die Arbeit der europäischen Institutionen zwar nicht zum Stillstand gebracht, aber den Fokus radikal auf die Eindämmung der Epidemie verlagert.
Für die Kommission ist die Umsetzung ihres erst vor wenigen Wochen verkündeten Programms kaum noch ein Thema. Das gilt auch für den Klimapakt. Auf der politischen Tagesordnung der EU ist die Klimapolitik dramatisch nach hinten gerutscht.
In Osteuropa will man es dabei nicht belassen. Tschechiens Premierminister Andrej Babis hat bereits verlangt, den Klimapakt einfach zu beerdigen. Der stellvertretende polnische Ministerpräsident Janusz Kowalski verlangt, den Emissionshandel vom nächsten Jahr an einzustellen: „Sonst könnte Polen das ETS verlassen.“ Rumänien plant Beihilfen für die Kohlemeiler des Landes. Unterstützung erhalten sie im Europäischen Parlament. In einem Brief verlangt die Fraktion der Rechtspopulisten, neue Vorschläge im Rahmen des Klimapaktes zu verschieben.
Größtes Problem für den Klimapakt: die Finanzierung
Im Umweltausschuss hatte der Vorstoß zunächst keinen Erfolg. Seine Mitglieder beschlossen in einer Telefonkonferenz, das von
der Kommission Anfang März vorgelegte Klimagesetz mit Vorrang zu beraten. Zur Berichterstatterin wurde die schwedische Sozialdemokratin
Jytte Guteland gewählt. Angesichts der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Parlamentes muss allerdings mit erheblichen Verzögerungen
bei der Beratung gerechnet werden.
Umweltorganisationen und Klimapolitiker verlangen, sich bei der Wiederbelebung der Wirtschaft auf klimafreundliche Investitionen zu konzentrieren. Bislang stoßen sie damit aber nicht auf große Resonanz. CEPS fürchtet, dass unwirtschaftliche Kohlekraftwerke von staatlichen Maßnahmen profitieren und länger am Netz bleiben könnten. Das gelte nicht nur für Steuererleichterungen, die querbeet allen Unternehmen gewährt werden. Je länger die Krise dauere, desto schwerer werde es, die Emissionen der Kraftwerke vor Ort zu verifizieren. Das könnte „Windfall-Profits“ für die fossilen Energien erzeugen.
Das größte Problem für den Klimapakt stellt jedoch die Finanzierung dar. Nach der Rezession werden die Unternehmen weniger Geld für neue, umweltfreundliche Anlagen haben. In den öffentlichen Haushalten müssen die Politiker sparen, um Zinsen und Tilgung für das jetzt geliehene Geld aufzubringen.
Für den EU-Haushalt, dessen Umfang vom Sozialprodukt der Mitgliedstaaten bestimmt wird, bedeutet der Einbruch der Produktion weniger Einnahmen und, weil die EU keine Schulden machen darf, weniger Ausgaben. In den bevorstehenden Verhandlungen über den Finanzrahmen der Union werden neue Förderprogramme zur Unterstützung der Energiewende noch schwerer durchsetzbar sein. Ob der von der Kommission bereits vorgeschlagene Klimafonds zur Unterstützung der Kohleregionen den Virus überlebt, wollte eine Sprecherin der Kommission jedenfalls nicht bestätigen.
Auch die Mittel aus dem ETS, die bislang in den Klimaschutz fließen, werden geringer ausfallen, wenn bei der Versteigerung der Zertifikate weniger Geld in die Kassen kommt. Für den Innovationsfonds, aus dem emissionsarme Technologieprojekte gefördert werden, stehen bislang 450 Millionen Emissionsrechte zur Verfügung. Sie sind heute drei Milliarden Euro weniger wert als Anfang des Jahres.
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Mittwoch, 08.04.2020, 10:09 Uhr