E&M: Herr Brunel, was motiviert Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen, einen neuen europäischen Verband der Turbinenhersteller zu gründen?
Brunel: Wir, die europäischen Hersteller von Gas- und Dampfturbinen, waren der Ansicht, dass wir mit einem Verband mehr Gehör finden können. Ob das Alstom, Siemens, Rolls-Royce oder wer auch immer ist, zusammen haben wir eine gewichtigere Stimme, als wenn wir alleine auftreten, egal wie groß das jeweilige Unternehmen sein mag.
„Es ist vorteilhaft, eine europäische Stimme zu haben“
E&M: Ihre Mitgliedsunternehmen sind auch in nationalen Verbänden organisiert. Warum war ein übernationaler Zusammenschluss nötig?
Brunel: Uns geht es nicht um Aktionen auf nationaler Ebene, wo bereits andere tätig sind. EUnited Turbines ist stark fokussiert auf die europäischen Institutionen in Brüssel. Dort arbeiten wir sehr intensiv mit an der Gestaltung der künftigen Energie-, Forschungs- und Umweltpolitik. Insofern ist es sehr vorteilhaft, eine europäische Stimme und nicht fünf oder sechs oder zehn nationale Stimmen zu haben.
E&M: Welche Forderungen stellen Sie an die Europäische Union?
Brunel: Zunächst ist zum Verständnis wichtig, dass wir uns um Gas- und Dampfturbinen kümmern, unabhängig vom Brennstoff, mit dem
sie gefeuert werden oder mit dem der Dampf zu ihrem Antrieb erzeugt wurde. Ich bin sehr oft im Gespräch mit Entscheidungsträgern
in Brüssel, um klarzustellen, dass bei jedem Kraftwerk – ob mit Öl, mit Gas, mit Kohle oder mit anderem Brennstoff betrieben
– die Turbine immer das Herzstück der Anlage ist.
Wir treten bei der EU für eine brennstoffunabhängige Gestaltung der Forschungsförderung und für die Einbeziehung der Wirkungsgradsteigerung
thermischer Kraftwerke ein. Gegenüber dem sechsten EU-Forschungsrahmenprogramm, das von 2002 bis 2006 lief und im Kraftwerksbereich
auf die Abscheidung und Einlagerung von CO2 reduziert war, konnten wir hier bereits ein Umdenken bewirken. Gemeinsam mit den
Kraftwerksbetreibern und der Öl- und Gasindustrie haben wir eine europäische Technologieplattform aufgebaut, in deren Rahmen
wir nun – mit Unterstützung der Europäischen Kommission – unter der Bezeichnung „Zero Emission Fossil Fuel Power Plants“ eine
langfristige Forschungsagenda für fossil befeuerte Kraftwerke erarbeiten. Und gerade auch bei zukünftigen Kraftwerkskonzepten
mit CO2-Abscheidung kommt wegen der damit verbundenen Einbußen von bis zu 10 Prozentpunkten der weiteren Steigerung des Wirkungsgrades
eine Schlüsselrolle zu. Hierbei kann die Turbinenentwicklung einen erheblichen Beitrag leisten.
Wie wichtig der Wirkungsgrad ist, zeigt ein anschauliches Beispiel: Könnte man eine Wirkungsgradverbesserung um einen Prozentpunkt
bei allen weltweit bestehenden Kraftwerken erreichen, dann hätte man sofort 78 000 Megawatt ohne irgendeine Emission zur Verfügung
– das entspricht ungefähr dem doppelten des für die nächsten Jahre angekündigten Erneuerungsbedarfs in Deutschland! Es lohnt
es sich also, weiterhin Geld in die Forschung zur Wirkungsgradsteigerung zu investieren.
„Wir sind Technologieführer und wollen es auch bleiben“
E&M: Wie weit hat die EU Ihre Wünsche in ihrem siebten Forschungsrahmenprogramm berücksichtigt?
Brunel: Das Entscheidungsverfahren ist noch in vollem Gange, aber wir haben bereits deutliche Erfolge erzielt. So hat die Europäische
Kommission in ihren Vorschlag zum siebten EU-Forschungsrahmenprogramm mit der Aufnahme einer Programmlinie „Clean Coal Technologies“
auch die Wirkungsgradthematik berücksichtigt. Im Europäischen Parlament, das derzeit den Kommissionsvorschlag berät, sind
wir mit unserer Forderung, diese Programmlinie auf alle fossilen Energieträger zu erweitern, bereits auf offene Ohren gestoßen.
Denn wir konzentrieren uns nicht nur auf die Kohletechnologie, die natürlich sehr wichtig ist, sondern genauso auf die weitere
Verbesserung von Gasturbinenprozessen.
Damit wird auch Spitzentechnologie in Europa vorangetrieben. Denn wir sind bei bestimmten Kraftwerksformen Technologieführer
und wollen es auch bleiben. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir unsere Anlagen auch exportieren können.
Die EU hat sich bekanntlich die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie als ganz großes Ziel auf ihre
Fahne geschrieben. Daher hat uns jüngst auch Günter Verheugen – als Vizepräsident der Europäischen Kommission für Unternehmen
und Industrie zuständig – seine Unterstützung bei unseren Anliegen zugesagt.
E&M: Sie wollen nicht nur Technologien für morgen entwickeln, sondern bereits jetzt Kraftwerke verkaufen. Was muss die Politik tun, um die anstehende Erneuerung des europäischen Kraftwerks zu unterstützen?
Brunel: Grundsätzlich brauchen wir, sowohl die Kraftwerkshersteller als auch unsere Kunden, wie RWE, EdF, Vattenfall oder andere, stabile und verlässliche Rahmenbedingungen. Das haben wir bei der Politik auch sehr deutlich eingefordert. Wir brauchen sichere Rahmenbedingungen nicht nur in der Energiepolitik, sondern auch im Bereich technischer und umweltbezogener Regelungen…
E&M: Womit Sie den Emissionshandel ansprechen?
Brunel: Ganz genau, dies schließt den CO2-Handel, die technischen Standards und die Umweltstandards ein.
E&M: Was repräsentiert Ihr Verband?
Brunel: EUnited Turbines vertritt 70 000 Beschäftigte in Europa, 20 Milliarden Euro Umsatz und 500 Millionen Euro an Forschungsausgaben pro Jahr. Als ein so starker Industriezweig haben wir ein gewichtiges Wort im politischen und gesellschaftlichen Dialog mitzureden.
Gérard Brunel
Der Akzent verrät den 58-jährige schnell als Franzosen, doch sein druckreif gesprochenes Deutsch ist nahezu fehlerfrei. Zusätzlich
beherrscht er Englisch und Spanisch. Schon das prädestiniert den Präsidenten von EUnited Turbines, dem Europäischen Verband
der Gas- und Dampfturbinenhersteller, für Auftritte auf dem Brüsseler Parkett. Hinzu kommt ein beeindruckender beruflicher
Werdegang: Nach der Ausbildung in Elektrotechnik und Betriebswirtschaft an der Cité Technique in Châlons-sur-Marne und der
Ecole Nationale d’ Electricité in Paris begann Brunel 1971 im internationalen Komponenten-Verkauf bei der Demag Fördertechnik
in Wetter an der Ruhr. 1977 wechselte er ins Export-Anlagengeschäft der Mannesmann Demag Fördertechnik nach Mannheim. 1982
wurde er kaufmännischer Projektleiter für Großmaschinen und Kraftwerke bei der Mannheimer BBC, 1996 übernahm er bei dem zur
ABB Kraftwerke AG fusionierten Unternehmen die Leitung des kaufmännischen Vertriebs, Projektabwicklung und Controlling für
Dampfturbinenanlagen. 1999 wurde er Geschäftsbereichsleiter Dampfturbinenanlagen des zu ABB Alstom Power AG umbenannten Mannheimer
Kraftwerksbauers. Seit 2001 ist Brunel, der auch im Vorstand des VDMA-Fachverbandes Power Systems sitzt, Vorstandsvorsitzender
der Alstom Power Generation AG in Mannheim – ein beruflicher Aufstieg, der gleichzeitig den Wandel eines Traditionsunternehmens
begleitet hat.
EUnited Turbines
Die „European Association of Gas and Steam Turbines Manufacturers“ wurde im Januar 2004 gegründet. Sie umfasst Anbieter von
Gas- und Dampfturbinen aller Leistungsklassen. Mitglieder sind die AG Kühnle, Kopp & Kausch, Alstom Power Generation, Ansaldo
Energia, B+V Industrietechnik (die kürzlich ihren Dampfturbinenbereich an die MAN Turbo verkauft hat), Dresser-Rand, GE Energy,
MAN Turbo, Peter Brotherhood, Rolls-Royce, Siemens Power Generation, ¦koda Power und Solar Turbines Europe.
Die Geschäftstelle des Verbandes ist in Frankfurt am Main angesiedelt, vom Brüsseler Büro aus werden enge Kontakte zu den
EU-Institutionen gepflegt. Über Ziele und Aktivitäten des Verbandes kann man sich unter www.eunitedturbines.org
informieren.
Europäische Technologieplattform „Zero Emission Fossil Fuel Power Plants“
Technologieplattformen wurden von der EU als forschungspolitisches Instrument entwickelt, um in strategisch wichtigen Bereichen
die zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit notwendigen mittel- und langfristigen Forschungs- und Technologieschwerpunkte zu
definieren. Unter Beteiligung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen – mit der Industrie als treibender Kraft – sollen
Empfehlungen für die Ausrichtung europäischer und nationaler Forschungsprogramme erarbeitet werden.
Die Europäische Technologieplattform „Zero Emission Fossil Fuel Power Plants“ geht auf eine Initiative von EUnited Turbines
sowie anderer Verbände der Energiewirtschaft zurück und wurde am 1. Dezember 2005 in Brüssel offiziell von EU-Forschungskommissar
Janez Potoènik aus der Taufe gehoben. Ziel ist es, bis Mitte 2006 eine „strategische Forschungsagenda“ und eine Umsetzungsstrategie
für die hocheffiziente, CO2-freie Stromerzeugung zu erarbeiten, um so noch rechtzeitig Input für die Gestaltung des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms
(2007 bis 2013) zu liefern. Die Plattform wird durch einen Advisory Council gesteuert, dem neben hochrangigen Vertretern von
Kraftwerksbetreibern und -herstellern sowie der Öl- und Gasindustrie auch Repräsentanten von Forschungseinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen
angehören. Die nationalen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten sind über eine so genannte Mirror Group eingebunden.
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Donnerstag, 11.05.2006, 09:01 Uhr