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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - Chancen der Entflechtung
Quelle: Shutterstock / Rido
E&M VOR 20 JAHREN:
Chancen der Entflechtung
Hin und wieder gibt es heute Diskussionen um die rechtliche Entflechtung von Netz und Vertrieb. Vor 20 Jahren war eher das Thema Management Unbundling noch vorherrschend.
 
Viele Studien wurden bemüht, um die Vor- und Nachteile des Unbundlings zu beurteilen. Insgesamt wollten die meisten Strom und Gasversorger 2003 von der damals neuen EU-Direktive zum Legal Unbundling nichts wissen. Dennoch begannen einzelne Unternehmen schon damit, sich entlang der Wertschöpfungskette in einzelne Gesellschaften aufzuspalten, dies zeigte eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Booz Allen Hamilton unter 300 Energieversorgern in Deutschland, Österreich und der Schweiz, über die E&M-Chefredakteur Helmut Sendner im Januar 2003 berichtete.
 
Das erste Mal hat die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton (BAH) im November 2000 die Versorgungswirtschaft nach Unbundling-Plänen gefragt: der Rücklauf der Fragebögen sowie darin konkret geäußerte Absichten waren sehr dürftig. Zwei Jahre später, im November 2002, ist beim Unbundling ein Umschwung festzustellen: Von 300 befragten Vorständen/Geschäftsführern in Versorgungsunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben 34 % geantwortet. Für BAH-Geschäftsführer Karlheinz Bozem ist das die eigentliche Überraschung: „Solch hohe Rücklaufquoten sind eher selten, in diesem Fall bemerken wir ein enorm gestiegenes Interesse an dem Thema.“ In Zahlen ausgedrückt: In der Stromindustrie haben mehr als 50 % der befragten Unternehmen bereits mindestens eine Wertschöpfungsstufe als Profitcenter (Management Unbundling) oder als rechtliche Einheit (Legal Unbundling) ausgegliedert; in den meisten Fällen die Erzeugung und den Handel. Im Gasgeschäft liegt die Quote bei 40 %.

Die erste Analyse von Bozem: „Der Vergleich zur Umfrage aus dem Jahr 2000 zeigt, dass nicht mehr die Effizienzsteigerung der Ausschlag gebende Grund für das Unbundling ist, es wird viel mehr die Transparenz als positives Element erkannt.“ Und die vielleicht wichtigste Veränderung in den vergangenen zwei Jahren: „Die Zahl derer, die mit dem Unbundling verbesserte Kooperationsmöglichkeiten erkennen, hat sich verdreifacht“, so Bozem.

Die wesentlichen Gründe für das Unbundling sind: Erhöhung der Transparenz (55 %), Effizienzsteigerung (42 %), Höhere Marktorientierung (40 %), regulative Erfordernisse (37 %), Erhöhung der Steuerbarkeit (35 %) und verbesserte Kooperationsmöglichkeiten mit Dritten (34 %).
 
Den größten Unbundling-Druck erkennt der BAH-Energieexperte bei der Erzeugung und dem Handel: „Da können die Risiken besser erkannt werden und lassen sich leichter managen.“ Beim Vertrieb und im Verteilnetz gibt es laut Bozem andere Gründe für die Aufspaltung des Geschäftes: „Der Vertrieb als Schnittstelle zum Markt mit hohem Margendruck benötigt ebenso eine hohe Transparenz wie das Verteilnetz, das als Monopolbereich unter besonderer Aufsicht des Kartellamtes steht.“

56 % der Stromunternehmen haben eine oder mehrere Wertschöpfungsstufen auf eigene Füße gestellt, 21 % planen Ausgründungen. Ob es Legal oder Management Unbundling sein wird, das hängt oft von der Personaldecke ab: „Die Anforderungen an das Management werden in jedem Fall größer, und für das Legal Unbundling fehlen oft die Personalressourcen“, so Bozem, der als früherer EnBW-Vorstand sicher aus eigener Erfahrung spricht.

Gasversorger beim Unbundling noch zurückhaltend

Die Gasversorger gehen die Ausgründung von Wertschöpfungsstufen etwas lockerer an als die Kollegen beim Strom. Aber immerhin: 41 % der befragten Unternehmen haben schon ausgegliedert, 24 % planen es.

Bozem weiß: „Ein Legal Unbundling hat bei den Gasversorgern vornehmlich im Handel stattgefunden, um die Risiken dieser Wertschöpfungsstufe besser managen zu können. Ein Management Unbundling gab es vor allem im Vertrieb und in der Gasbeschaffung, da diese Bereiche eine hohe Transparenz im Wettbewerb benötigen.“

Wer noch zögert mit der Ausgründung, der hat vor allem diese Ängste: Zu hoher Aufwand der Ausgründung (54 %), Schnittstellenprobleme (51 %), Entstehung von Ressortegoismen (46 %), Erhöhte Managementkomplexität (42 %), Verschlechterung der internen Kommunikation (39 %) und Verlängerung der Entscheidungswege (29 %).

Das sind tatsächlich die Gefahren beziehungsweise Herausforderungen des Unbundling, und deshalb muss es laut Bozem „höchst professionell erfolgen“ – was könnte ein Unternehmensberater sonst auch sagen. Mit dem Unbundling, wie Bozem es sagt, werde „nicht einfach ein Schalter umgedreht“. Es müsse viel mehr getan werden, etwa ein übergeordnetes Geschäftsmodell zwischen Erzeugung-Handel-Vertrieb etabliert oder die Aufbau- und Ablauforganisation mit den entsprechenden Schnittstellen angepasst werden. Eine wertschöpfungsadäquate Asset-Allokation gehöre ebenso dazu wie die Festlegung interner Verrechnungspreise.
 
Und auch die Frage der Unternehmensform spiele eine wichtige Rolle beim eigenständigen Auftritt ausgegliederter Wertschöpfungsstufen: Beim Legal Unbundling haben 63 % der EVU die GmbH gewählt, 26 % haben sich für die AG entschieden, und 11 % haben eine GmbH & Co KG gegründet.
 
Bozems Fazit daraus: „Die Wahl der GmbH als vorherrschende Rechtsform zeigt, dass horizontale Kooperationsmöglichkeiten noch nicht stark ausgeprägt sind.“ Die GmbH lässt sich zwar am leichtesten steuern, aber mit der AG hat man die Möglichkeit des Börsengangs und damit der Aufnahme weiterer Aktionäre sowie bei der GmbH & Co KG der Aufnahme zusätzlicher Kommanditisten.

Da scheint den Unternehmen noch die Perspektive zu fehlen, ebenso wie beim Brachland der Shared Services: Dies sind die zentralen Dienste, die allen Unternehmensbereichen, auch den rechtlich verselbständigten, zur Verfügung stehen. Lediglich der IT-Bereich wird von 29 % der befragten Unternehmen genutzt, um kosteneffizienter zu werden. Alle anderen sich anbietenden Unternehmenssparten werden weitgehend negiert.

Die Shared Services-Möglichkeiten nutzen die Strom- und Gasversorger bislang so: Personal (17 %), Finanzen (15 %), Recht (15 %) und Einkauf (12 %).

Implementierung einer Shared-Service-Organisation mit Herausforderungen

Seit der Befragung im Jahr 2000 hat sich nur im IT-Bereich gravierend etwas nach oben bewegt. Ansonsten bleibe das Potenzial weitgehend ungenutzt, sagt jedenfalls Bozem, der beim Qualitätsmanagement, im Gebäude- und Immobilienmanagement, im Fuhrpark oder beim Lager- und Büroservice weitere Möglichkeiten sieht. Allerdings mit der Einschränkung: Bei der Implementierung einer Shared-Service-Organisation ist nicht alleine auf Effizienzgewinne abzustellen. Kritisch ist neben der Sicherstellung der Steuerungstransparenz auch die Akzeptanz. Diese müsse durch eine transparente Verrechnungslogik und faire Allokation von Kosten und Ressourcen sichergestellt werden.

So vehement sich die Strom- und Gasversorger auch gegen die aktuelle EU-Direktive zum Legal Unbundling äußern (60 % starke Ablehnung, 16 % moderate Ablehnung), es steigt die Zahl derer, die in der Ausgliederung von Unternehmenseinheiten mehr Chance als Hindernis erkennen. Für Bozem stellt sich die einfache – und eben doch schwierige – Frage: „Woher kommt der Cashflow heute, woher kommt er morgen?“ Dabei seine Hypothese: „Die heutigen Verweigerer von Unbundling werden vom Markt gezwungen, das Thema anzugehen.“
 
 

Helmut Sendner
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