• Schwächelnde Erneuerbare treiben Strompreis nach oben
  • Wärmenetz mit PV und Hackschnitzeln in 900-Seelen-Ort fertig
  • Tübingen baut Solarthermie-Park fürs Fernwärme-Netz
  • Weiterer Umsetzungsentwurf für RED III liegt vor
  • Mammutprojekt im bayerischen Bad Tölz auf dem Weg
  • Wien Energie: Bilanz als Ansichtssache
  • Thyssen beliefert Fernwärmeverbund mit mehr Abwärme
  • Pfeuffer wird Teil der Einskommafünfgrad
  • ZUG geht zu Geschäftsführungs-Duo über
  • Gazprom meldet erstmals Verluste seit 1999
Enerige & Management > Veranstaltung - Eine 25.000-Einwohner-Stadt vor 100 Prozent grüner Energie
Die Energiekonferenz in Roth am 22. Juni 2022, Quelle: Redaktionsbüro Bildtext
VERANSTALTUNG:
Eine 25.000-Einwohner-Stadt vor 100 Prozent grüner Energie
Die Stadtwerke Roth sind angetan von einem Konzept der TH Nürnberg, wie die Stadt auch ihren Wärmebedarf mit Wind, PV und Saisonspeicher decken kann. Und das günstig, so Studierende.
 
„Grundsätzlich würde ich ein solches Konzept gerne umsetzen.“ Nach der zweistündigen Präsentation einer Energieutopie hat sich Gerhard Brunner, der Leiter der Stadtwerke Roth, beeindruckt gezeigt. Fünf Studierende der TH Nürnberg („Ohm“) hatten am 22. Juni auf der Energiekonferenz Roth detailliert ausgearbeitet, wie sich die Kreisstadt Roth bei Nürnberg ganzjährig mit regenerativer Energie versorgen lässt.

Außerdem wurden eine Master-Arbeit über die regenerative Versorgung einer Neubausiedlung in Nürnberg sowie eine Bachelor-Arbeit über die Grundzüge eines ebenfalls komplett erneuerbaren Energieversorgungsnetzes der ebenfalls bayerischen Kreisstadt Wunsiedel vorgestellt.

Für sein Energietechnik-Seminar hatte Ohm-Professor Matthias Popp die Stadtwerke der 25.000-Einwohner-Kommune als Partner gewonnen. Und fünf Maschinenbau-Sechstsemester, die gemeinsam die Frage zu beantworten hatten: Welcher Mix der Energieträger Wind und Sonne ermöglicht für Strom und Wärme eine regenerative Selbstversorgung der Stadt Roth zu niedrigsten Energiegestehungskosten?
 
Patentinhaber Matthias Popp bläst in ein Modell seines Stülpmembranspeichers (Archivbild von 2017)
Quelle: Redaktionsbüro Bildtext
  Den Energieausgleich soll ein so genannter Stülpmembranspeicher (siehe Kasten) bewerkstelligen. Der dient außerdem dazu, Überschussstrom zu vermarkten, um so die Energiebezugskosten für die Verbrauchenden zu vermindern.

Doch zunächst stellten sich die Studierenden Fragen um die zu gewinnende Ökoenergie. Die notwendige thermische Speicherkapazität, um den halben Rother Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser zu decken, hat Seminarist Markus Dörfler mit knapp 2 Mio. kWh errechnet. Damit könne ein Speicher den auf Grund der langjährigen Wetterdaten ermittelten notwendigen Zeitraum von 6,1 Tagen überbrücken, „etwas mehr ist aber empfehlenswert“.

Für die zur Erzeugung notwendigen 650.000 m² Sonnenkollektorfläche – das entspräche 13 Prozent der Gemeindefläche – reichen allerdings die Dächer der Kommune nicht aus. Es seien zusätzliche Freiflächen notwendig, zum Beispiel auf der Oberfläche des Speichers, war zu erfahren.

Selbst bei einer komplett neuen Nahwärmeversorgung für den Ort läge der Wärmegestehungspreis laut Dörfler bei gerade mal 6,97 Ct/kWh. Das liegt daran, dass die Kosten für den Speicher selbst komplett in die Stromerzeugung eingerechnet wurden. 80 Mio. Euro wurden „konservativ ermittelt“ für einen Stülpmembranspeicher von 422 Metern Zylinder-Höhe und 103 Metern Durchmesser. Der reicht aus, um den Gesamt-Strombedarf in der Stadt Roth zu decken. Dieser lag 2021 bei 85 Mio. kWh, das entspricht durchschnittlich 9,2 MW. Die Daten stellten die Stadtwerke bereit.

Stülpmembranspeicher

Sinn und Funktionsweise des Patentes

Alexander Nahlik und Patrick Pickelmann haben sich speziell mit den Stromkosten und der Speicherbewirtschaftung beschäftigt. Ihre Ergebnisse zeigten: „Das System ürde sich lohnen. Speziell bei den steigenden Strompreisen seit Mitte 2022.“ Gerade mal 6,2 Ct/kWh kostet der aus dem Speicher entnommene Strom. Für Spitzenstrom wurden in den letzten Monaten im Börsenhandel bis zu 30 Ct/kWh bezahlt.

Die Erzeugung des Ökostroms selbst sollte laut Timo Madre und Jonai Lubik aus einem Mix von 37 MW Wind und 10 MW Photovoltaik stammen, woraus die Windmühlen 92 Prozent der Energiemenge beisteuern. Der Anteil der Wasserkraft von 0,7 Prozent der Gesamtstrommenge aus fünf bestehenden Kleinwerken lasse sich wegen örtlicher Gegebenheiten nicht ausbauen, so die Erkenntnis.

Aber im Stadtgebiet liegen keine Windkraftstandorte mit ausreichendem Potenzial. Und der Stadtwerke-Leiter sieht auch kaum Chancen, Kommunen im Landkreis dafür zu gewinnen. Brunner gab sich dennoch kämpferisch: „Wenn wir eine Versorgung haben wollen, die nicht von Despoten abhängig sind, müssen wir die Energie selbst machen. Das wird Veränderungen auch der Landschaft bedeuten.“ Und sagte immense Preissteigerungen für Strom und Wärme voraus.

Cornelia Kerausch, als Vertreterin eines Baumaschinenherstellers im Publikum, bestätigte, dass Stülpmembranspeicher grundsätzlich zu bauen seien. Weshalb Professor Popp darauf setzt, möglichst bald „einen kleineren in einem Neubaugebiet realisieren zu können“. Die Forschungen seiner Studierenden lobt er: "Sie haben alles mit Kosten und Nutzen belegt.“
 

Heinz Wraneschitz
© 2024 Energie & Management GmbH
Freitag, 24.06.2022, 10:46 Uhr

Mehr zum Thema