Die verschlossene, hintere Tür zum fensterlosen Besprechungsraum öffnet sich: Ohne viel Aufhebens rauscht Tulsi Tanti herein.
Der nicht einmal 1,70 Meter große Mann mit glattgekämmten schwarzen Haaren und randloser Brille hat wie kein Anderer die internationale
Windbranche in den vergangenen Monaten vom Firmensitz im westindischen Pune durcheinander gewirbelt.
Tanti ist Gründer und Chef der Suzlon Energy, deren Namen hierzulande bis vor gut einem Jahr nur Windexperten kannten. Ihm
gelang das Kunststück, sich beim schlagzeilenträchtigen Bieterkampf um den deutschen Windradproduzenten Repower Systems gegen
Frankreichs milliardenschweren Atomkonzern Areva durchzusetzen.
Was nach David gegen Goliath klingt, Dritte gegen Erste Welt. Mitnichten. Milliarden hat der 50-jährige Unternehmer selbst
auf dem Konto. Sein Vermögen verdankt Tanti nicht nur seiner früheren Textilfabrik, sondern vor allem der Windenergie. Von
den Dreiflüglern, ihrer Technik und den Perspektiven der Branche verstandt der gelernte Kaufmann und Maschinenbauingenieur
vor dem international beachteten Rennen um Repower zweifellos mehr als die Manager des französischen Staatskonzerns - ganz
abgesehen von der inneren Überzeugung.
Denn innerhalb von weniger als anderthalb Jahrzehnten haben Tanti und seine drei Brüder Vinod, Jitendra und Girish den weltweit
fünfgrößten Windkonzern geschmiedet. Rechnet man den Anteil von Repower hinzu, dessen Aktien mittlerweile zu mehr als zwei
Drittel im Besitz der Inder ist, hat Suzlon bereits zur deutschen Enercon aufgeschlossen. Mit einem Marktanteil von 14 % rangieren
die Ostfriesen beim BTM-Ranking der "Top-Suppliers in 2007" auf Platz 4.Tanti will mehr, in den kommenden fünf Jahren will
er den Marktanteil auf 25 % ausbauen.
Suzlon will die Produktion auf 5 700 MW ausbauen
Dass Suzlon in der vergangenen Dekade zum am schnellsten gewachsenen Windturbinenhersteller avanciert ist, an diesem Tempo
will der 2007 vom Time Magazin zum "Hero oft the Environment" gekürte Inder festhalten. Allein bei Suzlon soll bis Ende März
kommenden Jahres (= Geschäftsjahr 2008/09) die Produktionskapazität von heute 2 700 MW auf 5 700 MW mehr als verdoppelt werden,
ein kaum vorstellbarer Kraftakt. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hatte Weltmarktführer Vestas gut 4 500 Windkraftleistung
ausgeliefert.< BR>
Bei Repower will Tanti den Output im gleichen Zeitraum von 1 250 MW auf 1 700 MW erhöhen. Für den belgischen Getriebehersteller
Hansen Transmission, an dem Suzlon eine 71-prozentige Mehrheit hält, hat Tanti bis 2011 auch dank neuer Werke in China und
Indien eine Steigerung der Fertigung auf 14 300 MW vorgesehen. Gewaltige Zahlen, die Tanti bei einer Besprechung auf die Flipchartwand
malt.
Dabei hält der Tanti-Clan an seinem seit Gründung 1995 eingeschlagenen Kurs fest. "Suzlon war stets ein Know-how lastiges
Unternehmen", sagt Jochen Twele. Das Urteil des früheren Geschäftsführers der Südwind Energiesysteme kommt nicht von ungefähr.
Mitte der neunziger Jahre hatten die Tantis Berater eingeschaltet, um weltweit nach zukunftsträchtiger Windtechnik zu suchen.
Twele: "Rückblickend ist dieses Vorgehen das erste positive Indiz für deren Professionalität gewesen."
Fündig wurden die Inder in Berlin, bei Südwind, damals neben Enercon die innovativste Windschmiede in Deutschland. Bevor Twele
so richtig Spaß an der Zusammenarbeit mit Suzlon bekommen konnte, musste Südwind wenige Monate Konkurs anmelden. Tulsi Tanti
fiel nicht nur die Lizenz für die 300-kW-Maschine von Südwind in den Schoß, von der später rund 800 Maschinen in Indien aufgebaut
worden sind, sondern nutzte auch den Grips der Berliner Entwicklungsingenieure für die Entwicklung neuer Propeller.
"Suzlon war stets ein Know-how lastiges Unternehmen"
Im Laufe der Jahre kaufte sich Tanti das Know-how für Rotorblätter in den Niederlanden ein, das für Getriebe in Belgien (Hansen
Transmissions hat er übrigens im vergangenen Dezember erfolgreich an die Londoner Börse gebracht), ging für Generatoren ein
Jointventure mit den österreichischen Elin EBG Motoren ein und warb aus Windländern wie Deutschland und Dänemark viele gestandene
Fachleute ab. Wenn eine Windschmiede weiß, was global scourcing bedeutet, dann Suzlon.
Das Beharren auf die Übernahme von Repower reiht sich nahtlos in diese Kette von Akquisitionen ein. Die Hanseaten haben nicht
nur eine ausgefeilte Technologie zu bieten, sie zählen zu den Vorreitern für die Offshore-Windnutzung, die Tanti zu seinen
Zukunftsfeldern zählt. Zudem ist Repower in Europa gut aufgestellt, da, wo Suzlon bislang nie landen konnte - ein nicht zu
unterschätzender Fakt.
Künftig will Suzlon 40 Prozent seiner Produktion in Europa verkaufen, jeweils 20 Prozent in den USA und China, sowie jeweils
zehn Prozent auf dem heimischen Markt in China und im "rest of the world". Für das Geschäft in Europa hat Tulsi Tanti klare
Vorstellungen: Suzlon-Maschinen soll es künftig in Portugal, Spanien und Griechenland geben, Repower die anderen Länder beackern.
Klare Devise dabei: Repower muss profitabler werden. Deshalb sollen die Hanseaten künftig "in house"-Komponenten kaufen, sprich
verstärkt Getriebe von Hansen, Steuerungseinheiten und Blätter made by Suzlon.
Genervt reagiert der smart agierende Tanti auf Vorwürfe, die Inder zögen Know-how aus Hamburg ab, obgleich der aktienrechtlich
notwendige Beherrschungsvertrag zwischen Suzlon und Repower noch nicht vorliegt. Wann das sein wird, darüber schweigt sich
der Windmanager aus. Klar ist aber, dass Tanti den Hanseaten künftig den Kurs vorgeben wird: "Eine Lizenz hätte ich für zwei
Millionen Euro haben können, der Kauf von Repower kostet mich aber über 1,5 Milliarden Euro."
Der vermeintliche Technologie-Klau ist ein unübersehbares Indiz dafür, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Suzlon wohlwollend
als Newcomer aus einem Dritte-Welt-Land behandelt worden ist. Die Gegenwinde sind rauer geworden, Fehler via Internet gleich
in die gesamte Welt posaut. Dass bei dem rasanten Wachstumstempo von Suzlon keine Fehler passieren würden, ist eine lebensfremde
Annahme. Den dicksten Brocken mussten die Inder in diesem Frühjahr in den USA verdauen. Im Mittleren Westen musste Suzlon
1 251 Rotorblätter in einem Windpark wieder abbauen, nachdem nach relativer kurzer Zeit bei vielen Schwingen massive Schäden
aufgetreten sind.
Bei der Vielzahl der betroffenen Blätter gehen Experten weniger von einem Fertigungs-, sondern viel mehr von einem Designproblem
aus. Das würde die grundsätzliche Kompetenz der Inder in Frage stellen, effiziente Komponenten für die Dreiflügler zu bauen.
Die Edison Mission Energy, größter US-Kunde von Suzlon, nahm die Blattprobleme Anfang Juni zum Anlass, eine Bestellung vom
immerhin 150 Turbinen zu stornieren. "Der Vorfall zeigt, dass Suzlon sich dem Druck des Marktes, speziell in den USA, gebeugt
hat und seine Anlagen vor der Serienfertigung nicht genug getestet hat", kommentiert Rüdiger Kipke von der Sachverständigen-Gruppe
8.2 Consulting AG den "Blatt-Crash".
Auch Arthur Hoffmann, der beim Schweizer Bankhaus Sarasin den Aktiensfonds New Power betreut, spricht offen von "bekannten
Qualitätsproblemen" bei Suzlon-Maschinen: "Das ist Ausfluss des extrem schnellen Wachstums". Ganz bewusst verzichtet Hoffmann
darauf, Suzlon-Papier in seinen Fonds aufzunehmen. Für ihn ist außerdem der "track record" der Inder unzureichend: "Keiner
der großen Player wie Iberdrola, die Electricité de France oder Florida Light & Power mit ihren hohen Gewährleistungsansprüchen
baut Windparks mit Suzlon-Anlagen." Empfehlungen sehen anders aus.
Allzu gerne zeigt Suzlon deshalb Delegationen das Produktionswerk in Pondicherry an der indischen Ostküste, drei Autostunden
südlich von Madras. In der ehemals französischen Stadt fertigt Suzlon parallel Blätter, Steuerungseinheiten und Gondel, um
so große Transporte zu sparen. Große Unterschiede zu Windfabriken in Europa fallen nicht ins Auge, allenfalls die überall
präsenten Wandposter um umgesetzte Verbesserungsvorschläge und meist übererfüllte Produktionsziffern.
Was zu Tulsi Tanti passt. Weiter "aggressiv" wachsen solle Suzlon, und er klingt dabei wie ein Getriebener. Sein Wind-Reich
nimmt aber zusehends die Konturen an, die er sich vorstellt - zu seinem eigenen gesundheitlichen Vorteil: "Statt wie früher
300 Tage, muss ich jetzt nur noch 200 Tage jährlich reisen."
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Donnerstag, 28.08.2008, 12:56 Uhr