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Vom Champagner zum Grundnahrungsmittel
Um den Wärmesektor zu großen Teilen zu elektrifizieren, sprich, mit Wärmepumpen, braucht es dezentrale KWK als stabilisierendes Element. Das ist das Ergebnis einer DVGW-Studie.
 
Rund die Hälfte aller Wohnungen bundesweit wird aktuell mit Gas beheizt. Allerdings will die Bundesregierung, dass von 2024 an möglichst jede neu installierte Heizung mit mindestens 65 % erneuerbarer Energie betrieben werden soll. Das wird in den nächsten Jahren wohl einen massiven Wärmepumpenausbau zur Folge haben.

Allerdings will Deutschland nicht nur den Wärmesektor elektrifizieren, sondern auch den Verkehr. Für die örtlichen Stromverteilnetze, aber auch für das übergeordnete Stromsystem insgesamt, kommen daher enorme Herausforderungen zu, die solche Vorhaben schnell ausbremsen könnten.

In einer Studie „Nachhaltiger Wärmemarkt” haben Frontier Economics und die RWTH Aachen untersucht, welche Möglichkeiten die gasbasierte Kraft-Wärme-Kopplung als stabilisierendes Systemelement bietet. Auftraggeber war der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Ein wichtiges Ergebnis: Mit Gas- und KWK-Technologien kann das Stromnetz entlastet werden, vor allem, wenn künftig mehr Wärmepumpen im Wärmesektor betrieben werden.

"Heute subventionierte Wärmepumpen, später hohe Folgekosten"

„Ausschließlich auf Elektrifizierung zu setzen, würde die Systemstabilität gefährden“, betonte Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW, bei der Vorstellung der Studie am 1. April in einem virtuellen Pressegespräch. Eine hohe Erneuerbaren-Stromkapazität werde die erforderliche Leistung in Zeiten einer Dunkelflaute nicht vollständig hergeben, und auch Flexibilisierungsoptionen der Verbrauchenden würden nicht ausreichen. „Auch die finanziellen Belastungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher können zunehmen, wenn ihnen heute subventionierte Wärmepumpen versprochen werden und man sie später mit extrem hohen Folgekosten strombasierter Wärmebereitstellung allein lässt“, so Linke weiter.

Anhand eines für Deutschland repräsentativen Vorstadt-Netzes mit 144 Ein- und Mehrfamilienhäusern wurden in der Studie die Herausforderungen für die Verteilnetze errechnet und auf das bundesweite Stromübertragungsnetz abstrahiert. Um erneuerbaren Strom vom Norden in den Süden zu transportieren, wären zusätzlich 27.000 MW Übertragungsleistung erforderlich. Derartige Investitionen in das Stromsystem können die Strompreise um bis zu 53 % ansteigen lassen.

Entlastung des Stromnetzes durch dezentrale KWK-Anlagen

Um in Zukunft eine resiliente Wärmeversorgung zu gewährleisten, ist daher ein funktionierender, technologieoffener Heizungsmarkt unerlässlich, der dem heterogenen Gebäudebestand gerecht wird, dauerhaft sozialverträgliches Heizen sicherstellt und die perspektivische Einbindung klimaneutraler Gase wie Wasserstoff ermöglicht. Fester Bestandteil sollten in einem solchen System auch KWK-Anlagen sein, die stromgeführt betrieben werden, also gezielt eingesetzt werden, ohne dass sie Erneuerbare verdrängen.

Je nach Ausbaustufe der Wärmepumpen können laut den Studienergebnissen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen die Stromnachfrage aus dem Verteilnetz um fast zwei Drittel reduzieren. „Bei geschickter Auslegung der Wärmepumpen, KWK-Anlagen und Pufferspeicher kann die Gleichzeitigkeit der Wärmeanforderung in einem Quartier optimal zur Reduktion der Spitzenlasten in einem Verteilnetz genutzt werden“, resümierte Professor Dirk Müller, Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik, RWTH Aachen, und Direktor des Instituts für die Modellierung von Energiesystemen, Forschungszentrum Jülich, sowie Prodekan der Fakultät für Maschinenwesen an der RWTH Aachen. Es biete sich an, Gebäude mit höherem Wärmebedarf, wie beispielsweise Mehrfamilienhäuser, mit KWK-Anlagen auszustatten, die dann Strom für die Wärmepumpen in Einfamilienhäusern liefern.

​"Gasumstieg statt Gasausstieg"

Die DVGW-Studie kommt in der Gesamtbetrachtung der untersuchten Aspekte zu dem Ergebnis, dass die KWK-Technologie den Bund dabei unterstützt, die Anwendungssektoren im Sinne der energiepolitischen Ziele zu großen Teilen zu elektrifizieren. Gasbasierte Kraft-Wärme-Kopplung solle somit Bestandteil jeder zukünftigen kommunalen Wärmeplanung sein. Es gehe daher nicht um einen Gasausstieg, sondern um einen Gasumstieg, so der DVGW-Vorstandsvorsitzende Linke.

Linke zeigte sich bei dem Gespräch zudem sicher, dass − auch durch europäische Importe − künftig genügend Wasserstoff zur Verfügung stehen werde. Dazu sei sowohl ein schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien notwendig als auch der Ausbau der Netze. Linke: „Wasserstoff ist nicht der Champagner, sondern das Grundnahrungsmittel der Energiewende.“

Die gesamte Studie „Nachhaltiger Wärmesektor“  steht auf der Seite des DVGW als Download zur Verfügung.
 

Heidi Roider
Redakteurin und Chefin vom Dienst
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Freitag, 01.04.2022, 13:20 Uhr

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