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Enerige & Management > Stromnetz - Einigung auf europäisches Strommarktdesign
Quelle: Shutterstock / peopleandmore
STROMNETZ:
Einigung auf europäisches Strommarktdesign
Differenzverträge werden in Zukunft das wichtigste Instrument zur Förderung der erneuerbaren Energien und der Atomkraft.
 
Die Energieminister der EU verständigten sich am Abend des 17. Oktober in Luxemburg auf neue Regeln für die Elektrizitätswirtschaft. Sie sollen dafür sorgen, dass die Strompreise weniger abhängig von der Preisentwicklung auf dem Gas-, Öl- und Kohlemarkt sind. Die Verbraucher sollen besser vor exzessiven Preisschwankungen geschützt und die Förderung der emissionsfreien Stromproduktion soll auf eine stabile und berechenbare Grundlage gestellt werden.

Wichtigste Instrumente zur Förderung der erneuerbaren Energien und der Atomkraft sollen sogenannte Differenzverträge (CfD), langfristige Lieferverträge (PPA) und eine Verbesserung der Liquidität im Terminhandel mit Strom werden. Umstritten war bis zuletzt, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen CfD eingesetzt werden dürfen. Während Frankreich und andere Länder, die stark auf die Atomkraft setzen, auch Bestandsanlagen mit CfD fördern wollten, wurde das von Deutschland und den atomskeptische Mitgliedsstaaten abgelehnt.

In Berlin fürchtet man, dass der französische Staatskonzern EDF besonders niedrige Preise im Rahmen von CfD vereinbart und die dabei entstehenden Überschüsse verwendet werden, um der französischen Industrie billigen Strom und damit einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Andere Mitgliedsstaaten mit einer privaten Stromerzeugung wären demgegenüber benachteiligt. Diese Aussicht habe im Rat die „Sorge vor Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt“ ausgelöst, sagte Energiekommissarin Kadri Simson nach den Beratungen der Energieminister in Luxemburg.

Nach dem jetzt erzielten Kompromiss werden die CfD das Standardmodell zur Förderung der erneuerbaren Energien und der Atomkraft. Bei ihrem Einsatz wird die EU-Kommission jedoch eine wesentlich größere Rolle spielen als zunächst vorgesehen. Es gebe noch einige „offene Punkte“, räumte die Ratsvorsitzende Teresa Ribera Rodrigez ein. Sie sollen im Rahmen der Verhandlungen mit dem EU-Parlament geklärt werden, die bereits in dieser Woche beginnen. 
Strenge Kontrollen angekündigt

Grundsätzlich dürfen Investitionen in neue und in bestehende Anlagen gefördert werden. Allerdings gibt es für die Ausgestaltung der CfD bestimmte Regeln, die von der Kommission überprüft werden. Dafür gelten die normalen Vorschriften für die Genehmigung von staatlichen Beihilfen. Das gilt insbesondere für den im Rahmen eines CfD festgelegten Preiskorridor, also den Mindestpreis, der dem Betreiber garantiert wird, und dem Höchstpreis, ab dem Einnahmen abgeführt werden müssen.
Die so erzielten Einnahmen dürfen die Mitgliedsstaaten an die Verbraucher zurückgeben, entweder direkt oder in Form einer Preisstützung. Möglich wäre auch die Förderung von Investitionen zur Senkung der Stromkosten für die Verbraucher. Die Kommission werde den Umgang der Mitgliedsstaaten mit den Fördermöglichkeiten der neuen Strommarktverordnung streng kontrollieren, kündigte die Energiekommissarin an.

Die Energieminister verständigten sich auch darauf, dass Kohlekraftwerke, die im Rahmen von Kapazitätsmechanismen (CM) eingesetzt werden, die gesetzlichen Grenzwerte für den CO2-Ausstoß erst ab 2029 einhalten müssen. Das sei notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sagte die Ratsvorsitzende. Man werde jedoch sicherstellen, dass Länder, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, ihre nationalen Klimaziele einhielten. Die Vorschriften, nach denen die Mitgliedsstaaten CM einrichten dürfen, sollen vereinfacht werden. Die Kommission wird aufgefordert, dafür Vorschläge zu unterbreiten.

Die Elektrizitätsmarkt-Verordnung will außerdem den Schutz der Verbraucher ausbauen. Sie dürfen sich ihren Stromlieferanten aussuchen. Dabei müssen sie wählen können zwischen Verträgen mit festen und dynamischen Preisen mit unbegrenzter oder fester Laufzeit. Anbieter unterliegen strengeren Regeln, wenn sie sich gegen Preisschwankungen absichern wollen. Für private Haushalte muss es einen Grundversorger geben, der die Belieferung sicherstellt. Alle Verbraucher erhalten das Recht, den selbst erzeugten Strom zu speichern und zu teilen.

Die Mitgliedsstaaten erhalten das Recht, für sozial schwache Haushalte und, zeitlich befristet, für kleine Unternehmen regulierte Preise festzulegen. In einer Krise dürfen diese auch unter den Kosten der Anbieter liegen. Ob eine regionale oder europaweite Krise vorliegt, entscheiden die Energieminister auf Antrag der Kommission. Voraussetzung ist, dass im Strom-Großhandel sehr hohe Preise für die kommenden sechs Monate erwartet werden oder mit einem starken Anstieg der Verbraucherpreise in den nächsten drei Monaten gerechnet wird.

Die Minister verlängerten außerdem die Möglichkeit der Mitgliedsstaaten, die Einnahmen sogenannter „inframarginaler“ Erzeuger (Wind, Solar, Kohle) zu begrenzen, bis zum 30. Juni 2024.

Positive Reaktionen

Damit habe Europa seine Handlungsfähigkeit bewiesen, sagte Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne): „Die Einigung verbessert den Zugang von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Industrie zu günstigen Strompreisen in ganz Europa.“ Sie profitierten insbesondere von den günstigen Erzeugungskosten nicht-fossiler Energien. Das sei wichtig, um den Übergang zu wettbewerbsfähigen Energiepreisen zu gewährleisten. Deutschland habe sich erfolgreich für einen fairen Wettbewerb auf dem europäischen Strommarkt eingesetzt.

Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Michael Bloss, begrüßte die Einigung des Ministerrates. Das Parlament werde die Position des Rates aber nicht im vollen Umfang akzeptieren. Änderungen mahnte Bloss vor allem im Hinblick auf den Einsatz von Kohlekraftwerken im Rahmen von CM an: „Neue Kohlesubventionen sind ein No-Go in Zeiten der Klimakrise.“ Bei der Ausschreibung von CfD werde das Parlament darauf bestehen, dass sich Atomkraft und erneuerbare Energien beteiligen: „Im fairen Wettbewerb werden sich die Erneuerbaren durchsetzen.“

Auch der BDEW begrüßte die Einigung im Energierat. Sie sei für Deutschland und Frankreich akzeptabel, sagte Hauptgeschäftsführerein Kerstin Andreae. Es sei gut, dass der Einsatz der CfD freiwillig bleibe. Die Verwendung der Einnahmen müsse „durch klare Leitlinien gesteuert“ und die Einhaltung von der Kommission kontrolliert werden. Kritisch sieht der BDEW die Verlängerung der Gewinnabschöpfung bis Mitte nächsten Jahres und die Einführung neuer Instrumente im Stromgroßhandel. Auch der VKU hat sich gegen die Verlängerung der Erlösabschöpfung ausgesprochen.
 

Tom Weingärtner
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Mittwoch, 18.10.2023, 15:28 Uhr

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