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Enerige & Management > Stadtwerke - Holpriger Weg zum Gaskraftwerk
Bild: Jonas Rosenberger / E&M
STADTWERKE:
Holpriger Weg zum Gaskraftwerk
Die Münchner Stadtwerke wollen in einer Gemeinde gegen deren Widerstand ein Gaskraftwerk errichten. Sie stützen sich dazu auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz.
 
Die Fronten sind verhärtet. Die Stadtwerke München wollen in ihrem „Heizkraftwerk Nord“ den Kohleblock stilllegen, satt dessen soll ein Gaskraftwerk errichtet werden. Die Gemeinde Unterföhring, auf deren Gebiet das Heizkraftwerk steht, will aber kein Erdgas, sondern erneuerbare Energien. Die Stadtwerke stehen auf dem Standpunkt, ihr Vorhaben auch ohne Zustimmung der Gemeinde realisieren zu können.

Der Gemeinderat kontert: Er versucht das Vorhaben der Stadtwerke jetzt mit einem eigenen Bebauungsplan zu kippen. Einstimmig beschloss er im Oktober, für das Betriebsgelände des Heizkraftwerks und die angrenzenden Flächen einen solchen Plan aufzustellen. Die insgesamt 32 Hektar sollen einer „klimafreundlichen Energieerzeugung“ dienen. Die Errichtung von Anlagen, die fossile Energieträger verbrennen, wollen die Unterföhringer Volksvertreter „ausschließen“.
 
„Es gebe hinreichende Möglichkeiten, Festsetzungen zur Sicherung der bestehenden Nutzungen bei gleichzeitiger Umsetzung der langfristigen Strategie eines Ausstiegs aus der Energieerzeugung mit fossilen Brennstoffen zu treffen“, meint die Kommune im Münchner Norden. Welche Möglichkeiten sie konkret im Auge hat, dazu äußert sie sich nicht.
 
Zustimmung vom Stadtrat
 
Der Kohleblock im Heizkraftwerk Nord gilt als systemrelevant für die Stromversorgung. Die Stadtwerke benötigen ihn nach eigenen Angaben auch für die Sicherstellung der Fernwärmeversorgung. Sie sehen keine sinnvolle Alternative zu einem Gaskraftwerk. Überlegungen, die Strom- und Wärmeerzeugung in dem Kohleblock anderweitig zu ersetzen, sind für sie kein Thema mehr. Und sie haben breite politische Rückendeckung, wie sich im November erneut gezeigt hat. „Der Münchner Stadtrat hat unsere Strategie bestätigt, wir arbeiten jetzt weiter an unserem Konzept“, erklärt der Konzern auf Anfrage von E&M.
 
Dem Vernehmen nach bereitet der kommunale Versorger einen Genehmigungsantrag – es geht um den Bau einer Gas- und Dampfturbinenanlage mit einer Leistung von rund 300 MW – vor, in dem er sich auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) stützt. Der Antrag soll 2021 bei der Regierung von Oberbayern eingehen, erste Unterlagen hat die Behörde bereits erhalten.
 
Zentrale Vorschrift in dem Regelwerk für die Genehmigungsvoraussetzungen ist Paragraf 6. Er besagt, dass ein Rechtsanspruch auf die Genehmigung unter anderem dann besteht, wenn der Immissionsbeitrag einer Anlage deutlich reduziert wird – was zutreffen würde, wenn in Unterföhring Gas an Stelle von Kohle verbrannt würde.
 
Bebauungsplan „in eigener Verantwortung“
 
Wird der Bebauungsplan der Kommune damit Makulatur? Die Umsetzung des Gesetzes ist Ländersache: „Die Beurteilung der Genehmigungsbedürftigkeit und des Vorliegens der Genehmigungsvoraussetzungen im Einzelfall sowie die Beurteilung der Relevanz einer kommunalen ,Zustimmung' obliegt deshalb der nach Landesrecht zuständigen Behörde“, erklärt ein Sprecher des Bundesumweltministeriums.
 
Die Regierung von Oberbayern verweist darauf, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit geprüft wird. „Dabei ist die Gemeinde anzuhören und das gemeindliche Einvernehmen einzuholen, wenn ein Vorhaben nicht mit den Festsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans übereinstimmt“, sagt Pressesprecher Wolfgang Rupp. „Ob eine Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens der Genehmigungsfähigkeit des Gaskraftwerks entgegenstünde, kann von der Regierung von Oberbayern ohne Kenntnis der genaueren Umstände nicht vorab beurteilt werden.“
 
Kann das Vorhaben der Stadtwerke durch den Bebauungsplan verhindert werden? Ohne genaue Kenntnis der Planung könne auch nicht vorab beurteilt werden, „ob Festsetzungen eines rechtsverbindlichen oder eines in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans, dessen Planung mittels einer von der Gemeinde erlassenen Veränderungssperre gesichert worden ist, der Genehmigungsfähigkeit des Gaskraftwerks entgegenstünden“, heißt es. „Die Gemeinde stellt im Rahmen ihrer gemeindlichen Planungshoheit einen Bebauungsplan in eigener Verantwortung auf“, erklärt Rupp.
 
Wackliger Kohleausstieg in München
 
Ein Wort mitzureden hat auch noch die Bundesnetzagentur. Dort ist Sachlage offenbar von vornherein klar: Die Behörde stimme dem Abriss des systemrelevanten Steinkohleblocks zu, „wenn durch den Kraftwerksbetreiber sichergestellt wird, dass der geplante Neubau des Gaskraftwerks auch tatsächlich realisiert wird“, erklärt Behörden-Sprecher Michael Reifenberg. Bis dato lägen der Bundesnetzagentur weder ein Antrag der Stadtwerke München noch eine Anfrage der Regierung von Oberbayern vor.
 
Der Unterföhringer Gemeinderat hatte sich schon Anfang 2019 gegen das Projekt der Stadtwerke ausgesprochen. Wenn die Regierung von Oberbayern den Stadtwerken grünes Licht gibt, bleibt der Kommune noch der Klageweg. Damit könnte sie den Baubeginn zumindest um ein paar Jahre hinauszögern. So oder so, bis Ende 2022 – bis dahin will die bayerische Landeshauptstadt aus der Kohleverbrennung aussteigen – wird das Gaskraftwerk nicht fertig sein. Für den Bau sind mehrere Jahre veranschlagt.
 

Manfred Fischer
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Dienstag, 17.11.2020, 09:00 Uhr

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