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Enerige & Management > Kernkraft - Macron setzt Deutschland unter Druck
Quelle: Shutterstock / Olga Khalizeva
KERNKRAFT:
Macron setzt Deutschland unter Druck
Der Streit über die Subventionen für französische Atomkraftwerke zwischen Paris und Berlin hat jetzt die höchste politische Ebene erreicht.
 
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sagte am Montag in einer Rede vor den Botschaftern seines Landes im Elysee, er sei „sehr besorgt“ über die Meinungsunterschiede in der Energiepolitik. Nachdem sich die EU über den Klimapakt verständigt habe, brauche Europa jetzt die richtigen Instrumente, um seine Ziele zu erreichen: Mehr Unabhängigkeit, weniger Emissionen und eine wettbewerbsfähige Industrie. Dafür brauche die EU „mehr erneuerbare Energien, mehr Atomkraft und einen stärker integrierten Elektrizitätsmarkt“. Mehr Kohle zu verbrennen sei jedenfalls nicht die Antwort auf die Probleme in der Energiepolitik. Und mit Blick auf den deutschen Wunsch, nur grünen Wasserstoff zu fördern, fügte Macron hinzu: „Eine immer komplexere Regulierung der Wasserstofferzeugung passt nicht zu dieser Politik.“

Er sei für eine möglichst ungehinderten Zirkulation aller „emissionsarmen Elektronen“ im europäischen Binnenmarkt, sagte Macron weiter. In den nächsten Wochen werde er seine Anstrengungen intensivieren, „unsere deutschen Freunde zu überzeugen. Es wäre ein historischer Fehler, uns die Kernenergie vorzuenthalten und die Investitionen in die Kernemergie oder in nukleare Innovationen auszubremsen.“ Die EU brauche keinen Streit über nationale Modelle der Energiepolitik sondern Geschlossenheit und ein möglichst integriertes Stromnetz.

Die Europäer müssten sich außerdem zu ihren industriepolitischen Zielen bekennen und dürften nicht davor zurückschrecken, strategische Branchen wie emissionsarme Technologien oder künstliche Intelligenz zu unterstützen. Bei der Umsetzung ihrer Industriepolitik müssten die Europäer schneller werden, um Rückstände gegenüber den USA oder China aufzuholen. 
In der EU gebe es zu viele Regeln und zu wenig Investitionen: „Was wir brauchen sind mehr Investitionen, mehr Innovationen und weniger Regulierung.“ Dabei müssten die Europäer geschlossener vorgehen als in der Vergangenheit.

Berlin fürchtet die Attraktivität des französischen Atomstroms

Die Energieminister der EU hatten sich vor der Sommerpause weitgehend auf eine Anpassung der Strommarkt-Regulierung (electricity market design) verständigt. Eine Einigung scheiterte aber an der Forderung Frankreichs, den Neubau und die Nachrüstung von Atomkraftwerken ebenso zu fördern wie die erneuerbaren Energien. Das wollte Deutschland nicht akzeptieren. In Berlin fürchtet man dabei nicht nur den Zorn der grünen Basis, sondern auch die Attraktivität des französischen Atomstroms. Manches deutsche Unternehmen könnte versucht sein, seine Stromkosten durch Produktionsverlagerungen über die deutsch-französische Grenze zu reduzieren.

Der Grundsatzstreit zwischen Berlin und Paris wird dadurch intensiviert, dass die Übergangsregeln, nach denen die Mitgliedsstaaten die Energiepreise zur Überwindung der akuten Versorgungskrise umstandslos subventionieren dürfen, Ende des Jahres auslaufen. Die Kommission will die Wünsche der Regierungen, die Energiekosten der Industrie durch Beihilfen zu reduzieren, dann wieder genauer prüfen.

In Paris nimmt man in diesem Zusammenhang die deutsche Debatte um einen Industriestrompreis mit Interesse zur Kenntnis. Davon träumen viele französische Politiker und Industrielle schon lange. Sollte sich die Ampelregierung in Berlin dazu durchringen − was die Kommission genehmigen müsste − könnte sie also mit französischer Unterstützung rechnen, wenn davon auch die französischen Atomkraftwerke profitieren. Das wiederum könnte der deutsche Wirtschaftsminister in seiner Partei schwerlich als Erfolg verkaufen.

Widerstand gegen einen deutschen Industriestrompreis

In der Kommission und bei den anderen Mitgliedsstaten müssten Deutsche und Franzosen auf jeden Fall mit erheblichem Widerstand rechnen. Vor allem die kleineren und weniger finanzstarken Staaten, die keine Milliarden für Subventionen aufbringen können, fürchten, dass ihre eigenen Unternehmen im Wettbewerb mit der Konkurrenz aus den größeren Ländern unter die Räder kommen, wenn die Kommission in der Beihilfenkontrolle die Zügel nicht wieder anzieht .

Dort haben die Vorkämpfer freier Märkte zwar inzwischen nicht mehr viel zu sagen, ihre Warnungen vor Dauersubventionen in Milliardenhöhe kann Ursula von der Leyen aber auch nicht vollständig ignorieren. Denn sie würden den Binnenmarkt nachhaltig und branchenübergreifend beschädigen. Politischer Streit und Misstrauen innerhalb der EU wären ebenso vorprogrammiert wie internationale Handelskriege. Insbesondere China, das die EU wegen seiner Energiesubventionen vor der Welthandelsorganisation verklagt hat, um Strafzölle gegen chinesischen Stahl und andere Produkte zu verhängen, würde sich diesen Vorwand nicht entgehen lassen, um seinerseits Strafzölle auf europäische Waren zu einzuführen.
 

Tom Weingärtner
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Dienstag, 29.08.2023, 15:30 Uhr

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