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STADTWERKE:
Mehr Pragmatismus für die Energiewende
Die Herausforderungen der Stadtwerke reichen vom Ausbau der Erneuerbaren bis zur Rekrutierung von Fachkräften. Mit besseren Rahmenbedingungen würde vieles schneller gehen.
 
Manche Kommunen streben die Klimaneutralität bis 2045 an, andere wollen sie schon zehn Jahre früher erreicht haben. Stuttgart gehört dazu. Die Frage, welche Maßnahmen auf diesem Weg angesichts der vielen Herausforderungen priorisiert werden sollte, stellt sich für Peter Drausnigg allerdings nicht. „Wir können im Moment gar nicht priorisieren“, so der für Technik verantwortliche Geschäftsführer der Stadtwerke Stuttgart. Die Digitalisierung der Netze müsse viel schneller kommen, genauso wie ein Lastmanagement zur Integration flexibler Erzeuger und Verbraucher, auch wenn aktuell im Verteilnetz der baden-württembergischen Landeshauptstadt „noch etwas Luft sei“ für den Hochlauf der Elektromobilität.

Und da ist noch die Wärmewende. Angesichts des kommunalen Ziels, 2035 klimaneutral zu sein, seien die Stadtwerke gezwungen, jede mögliche Umweltwärmequelle zu nutzen. Denn von einem Anteil von 60 oder 70 Prozent Fernwärme könnten die Stadtwerke Stuttgart nur träumen. Bei ihnen liege der Fernwärmeanteil unter zehn Prozent. Im vergangenen März hatte der Energieversorger das Konzept für ein Quartier vorgestellt, bei dem Abwasser die wichtigste Wärmequelle sein wird.
 
Auf dem Podium in Berlin, zwischen den beiden Moderatoren (von links): Paul Anfang (Pfalzwerke), Mustafa Sancar (Stadtw. Hildesheim), Peter Drausnigg (Stadtw. Stuttgart) und Simone Peter (BEE)
Quelle: E&M Screenshot
 
Die Stadt und die Stadtwerke Hildesheim haben bis 2040 Zeit, die Wärmewende zu schaffen. Aber auch das sei eine Herausforderung, machte deren Vorstand Mustafa Sancar deutlich. Er setzt dabei auf die Schwarmintelligenz der kommunalen Versorger. „Wir sind nicht allein“, sagte Sancar. „Wir haben zwar die Aufgabe, vor Ort für die Kunden da zu sein“, so der Hildesheimer Stadtwerke Vorstand. Bei der Lösungsfindung könne man aber durchaus mit Partnern zusammenarbeiten und sich gegenseitig ergänzen. Ein Beispiel dafür: Ein „Management Circle“ mit angrenzenden Stadtwerken, in dem die Beteiligten überlegen, wer sich auf welche Themen fokussieren und für die anderen „mitdenken“ könne. Vorstellbar sei auch ein Schritt weiterzugehen und gemeinsame Kompetenz-Teams aufzubauen und in die Umsetzung zu gehen. Die eigenen Stärken sieht Sancar beispielsweise in der Fernwärme, die künftig rund 25 Prozent der Wärmeversorgung in Hildesheim ausmachen soll.

Sein Stuttgarter Kollege Drausnigg sieht die Zeit gekommen, Kooperationen endlich richtig zu leben. Seiner Überzeugung nach sind Energiewende und Kooperation zusammengehörende Begriffe. „Die Energiewende verlangt uns allen viel ab“, so Drausnigg. Da sei die Frage, ob ein Stadtwerk dem anderen eine Handvoll Kunden abnimmt und diese dann irgendwann wieder zurückwechseln kaum noch relevant.

Recruiting auch im Ausland

Auch Simone Peter sieht die Wärmewende als große Herausforderung für die Stadtwerke. Die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) sieht die offensichtliche Präferenz der Bundesregierung für die Wärmepumpe als Schlüsseltechnologie kritisch. Dafür müsse schließlich auch der Strompreis „stimmen“. Ebenfalls kritisch sieht sie eine bedingte Förderung. „Warum bekommt man nur eine Förderung für eine Pelletanlage, wenn man eine Solaranlage dazu installiert“, fragte sie rhetorisch. Ihrer Überzeugung nach sei auch eine „Offensive der Einzelmaßnahmen“ notwendig, um die Wärmewende schnell zu schaffen. Auf grünen Wasserstoff dürfe man sich nicht allzu sehr verlassen, mahnte Peter. Der Bedarf in der Industrie sei so massiv, dass er vor allem dort gebraucht werde. Deshalb ihr Credo: Mehr Pragmatismus bei der Wärme und eine stärkere soziale Flankierung.

Doch was nutzen alle tollen Konzepte zur Energiewende, wenn die Mitarbeitenden fehlen? Auch diese Frage stand bei der Podiumsdiskussion im Raum. Peter Drausnigg hält es für wichtig, eine Arbeitgebermarke zu schaffen. Vor diesem Hintergrund haben die Stadtwerke Stuttgart eine Personalkampagne gestartet, die Menschen ansprechen soll, die sich für die Energiewende engagieren wollen. Von mehr als 200 Bewerbungen berichtete der Geschäftsführer. Dann seien Schnelligkeit und Pragmatismus gefragt. Darunter versteht man bei den Stadtwerken Stuttgart: „Mindestens innerhalb einer Woche muss es ein Gespräch via Teams geben und innerhalb von zwei Wochen einen Termin mit einer Führungskraft, weil nach drei Wochen von drei möglichen Kandidaten schon einer weg ist.“

Etwas anders sieht Pragmatismus bei den Pfalzwerken aus. In deren Umfeld sei der Arbeitsmarkt „leergefegt“, so Paul Anfang. Deshalb habe man zusammen mit der Arbeitsagentur des Landes Rheinland-Pfalz und der IHK ein Projekt zur Rekrutierung im Ausland – auch in Südamerika und Asien – gestartet, so der Pfalzwerke-Vorstand. Die „erschreckende“ Erkenntnis gleich zu Beginn: „Wenn man dort die richtigen Leute gefunden hat, dauert es durchschnittlich mehr als ein Jahr, um sie in unseren Arbeitsmarkt zu integrieren.“ Die Anerkennung von Qualifikationen sei ein „riesen“ Thema. Hier sei die Politik noch stärker gefordert.
 

Fritz Wilhelm
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