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Enerige & Management > Stromnetz - Sicherungssysteme haben Blackout verhindert
Bild: Transnet BW
STROMNETZ:
Sicherungssysteme haben Blackout verhindert
Der Beinahe-Blackout im europäischen Stromnetz ist in wesentlichen Punkten aufgeklärt. Die Übertragungsnetzbetreiber haben am 26. Februar einen Bericht über die Ursachen veröffentlicht.
 
Zum Black Friday hatte damals nicht mehr viel gefehlt: Am 8. Januar ab 14.05 Uhr sackte die Frequenz im nordwestlichen Teil des Netzes von 50 Hertz schlagartig auf bis zu 49,74 Hertz ab, eine kritische Marke war unterschritten. Rund eine Stunde dauerte es, bis die Netzbetreiber die gröbsten Probleme behoben und das europäische Stromnetz wieder vereint hatten, nachdem zwischenzeitlich Teile von Südosteuropa abgekoppelt waren. Dort kam es auch zu Stromausfällen.

Zur Stabilisierung haben französische und italienische Netzbetreiber für rund 40 Minuten vertraglich vereinbarte Lasten von 1.700 MW vom Netz genommen. Zusätzlich wurden 420 MW unterstützende Leistung aus dem skandinavischen und 60 MW aus dem britischen Synchrongebiet automatisiert eingespeist. Im Südosten wurden Kraftwerke abgeschaltet.

Abschaltung eines Sammelschienenkupplers löste Kettenreaktion aus

Erste genauere Analysen machten die Abschaltung eines 400-kV-Sammelschienenkupplers in der kroatischen Umspannanlage Ernestinovo als Ursache für den Zusammenbruch aus. Dadurch wurde der Energiefluss aus südöstlicher Richtung nach Nordwesten unterbrochen. Der Strom wich auf andere Leitungen aus, die sich dann wegen Überlastung ebenfalls abschalteten. Damit fehlten im nordwestlichen Teil des europäischen Netzes 6.300 MW, der Südwesten hatte einen Überschuss in gleicher Höhe. Hier stieg die Netzfrequenz auf 50,2 Hertz.

Die Auswertung der Daten aus den Leitwarten und Anlagen hat jetzt noch weitere Hintergründe geliefert. Danach waren zur fraglichen Zeit extrem hohe Leistungen von Süden nach Norden unterwegs. Das lag daran, dass in Südosteuropa das orthodoxe Weihnachtsfest gefeiert wurde und wegen der Feiertage der Stromverbrauch durch die Industrie sehr gering war. Gleichzeitig war es in Westeuropa sehr kalt, was den Stromverbrauch hier in die Höhe trieb. Diese hohen Werte haben zur Überlastung geführt und zur Auslösung des Sammelschienenkupplers.

Dem Netz mehr Luft verschaffen

Frank Reyer, Leiter Netzführung und Systemsteuerung beim deutschen Übertragungsnetzbetreiber Amprion, erklärte dazu, dass das Netz in Südosteuropa zu diesem Zeitpunkt „sehr nahe an der technischen Grenze betrieben wurde“: Der Leistungstransport habe noch funktioniert, ein Ausfall konnte jedoch nicht mehr aufgefangen werden.

Die Schutzmaßnahmen hätten jedoch funktioniert und schlimmeres konnte verhindert werden. „Die automatischen Instrumente haben die Instabilität erkannt, sodass weitere Leitungen abgeschaltet und das Problem isoliert wurde.“ Die Netzauftrennung habe einem regionalen Blackout entgegengewirkt.

Als Konsequenz aus dem Vorfall mahnte Reyer an, dass dem Netz mehr Luft verschafft werden müsse. „Wenn wir es an den technischen Grenzen betreiben, kann jeder Fehler zum ernsthaften Problem werden. Gemeinsam mit der Politik und der Öffentlichkeit müssten Lösungen gefunden werden, um das Netz so aufzustellen, dass es sicher beherrschbar ist.“

Zur weiteren Aufarbeitung des Vorfalls soll eine Expertenkommission eingesetzt werden, an der neben Vertretern der europäischen Übertragungsnetzbetreiber auch Beauftragte der Agency for the Cooperation of Energy Regulators (Acer) und den europäischen Regulierungsbehörden teilnehmen sollen. Neben der detaillierten Störungsaufklärung hat die Kommission auch die Aufgabe, zu analysieren, wie die automatischen und manuellen Maßnahmen gewirkt haben und welche Empfehlungen daraus abgeleitet werden können.

Der Zwischenbericht  kann auf der Internetseite des Verbandes der europäischen Übertragungsnetzbetreiber heruntergeladen werden.

Bisher schwerste Störung im Jahr 2006

Das europäische Höchstspannungsnetz reicht von Dänemark im Norden bis nach Marokko und in die Türkei im Süden.

Die bisher schwerste Störung ereignete sich im November 2006, als zwei damals von Eon betriebene Höchstspannungsleitungen, die über die Ems führen, abgeschaltet wurden. Damit wollte man einem Schiff aus der Meyer-Werft in Papenburg das Auslaufen ermöglichen. Das Ganze war aber offenbar mangelhaft mit den anderen Netzbetreibern abgestimmt und hatte katastrophale Folgen. Urplötzlich fehlten riesige Mengen Windkraftstrom, die über die Trassen flossen, im Süden, während im Norden auf einmal viel zu viel Energie unterwegs war.

Es kam zu Stromausfällen und Abschaltungen in mehreren Regionen Europas. 10 Millionen Haushalte waren betroffen, Züge bleiben auf offener Strecke stehen. Erst nach mehreren Stunden waren die gröbsten Störungen beseitigt. Bis zum Normalbetrieb vergingen zwei Tage.
 

Günter Drewnitzky
Redakteur
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Freitag, 26.02.2021, 16:21 Uhr

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