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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - Wärmepumpe bleibt umstritten
Bild: Ralf Kalytta, Fotolia
E&M VOR 20 JAHREN:
Wärmepumpe bleibt umstritten
Von der All-Electric Society war 2001 noch keine Rede. Die darauf abzielenden Anwendungen waren aber sehr wohl bereits in der Diskussion.
 
Wollen die Stromversorger den Wärmeversorgern Marktanteile streitig machen? Drängen sie mit einem „trojanischen Pferd“ in die Domäne der Heizungsspezialisten? Das waren Fragen, die neben ökologischen Überlegungen die Energiewirtschaft vor 20 Jahren beschäftigten. E&M-Chefreporter Ralf Köpke griff die Diskussion damals auf.

Frosti war wieder im Einsatz. Mit diesem putzigen Schneemann warb die Landesinitiative Zukunftsenergien in Nordrhein-Westfalen für ihre zweite landesweite, jüngst abgeschlossene Wärmepumpen-Woche. Damit des Marketings nicht genug: 600 000 DM sind bis Ende 2003 in dem Topf, den sich die Düsseldorfer Landesregierung und die Hersteller teilen, um zwischen Rhein und Weser die elektrischen Wärmepumpen-Heizungen voranzubringen. Bei der Technik gerät Jörg Hennerkes, der für Energiefragen zuständige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, ins Schwärmen: "Wärmepumpen sind eine willkommene Alternative, die 75 Prozent der Heizenergie kostenlos aus dem Erdreich ziehen und den Schadstoffausstoß um 60 Prozent senken."
 
Damit hat Hennerkes unwillkürlich in ein Wespennest gestoßen. Sind diese Wärme-Kraftmaschinen etwa eine Art Solarheizung, wie die Dimplex GmbH wirbt? Im Werbeprospekt des Hersteller aus dem rheinländischen Mettmann heißt es wörtlich: "Den Großteil der zum Heizen erforderlichen Energie bezieht die Heizungs-Wärmepumpe aus der Natur – aus Sonnenwärme". Oder ist die als Öko-Ofen unter der Gartenoberfläche gepriesene Heizung das "trojanische Pferd der Stromwirtschaft", mit der die Energieversorger in den Wärmemarkt drängen wollen?
 
Von ideologischen Spiegelfechtereien hält Werner Eicke-Hennig wenig. Der Leiter des hessischen Impuls-Programms für rationelle Stromnutzung und Niedrigenergiebauweise mit Sitz in Darmstadt lässt nur ein Kriterium für die Bewertung gelten: Die energetische Effizienz. Gemessen wird die bei Wärmepumpen anhand der Jahresarbeitszahl: Damit wird das Verhältnis zwischen erzeugter und eingesetzter Energie pro Jahr beschrieben. Eicke-Hennig: "Liegt dieser Quotient bei Sole-Wärmepumpen, die dem Erdreich über ein Rohrsystem oder mit vertikalen Erdsonden die Wärme entziehen, bei 3,8 und größer, ist gegen die Pumpe aus ökologischer Sicht nichts zu sagen. Allerdings ist der Wert inklusive aller elektrischen Nebenaggregate und inklusive der Warmwasserbereitung zu ermitteln."
 
Elektrische Wärmepumpen finden bei Energieexperten wenig Gnade
 
Nicht wenige Wärmepumpen-Hersteller werben mit einer Jahresarbeitszahl von 3,8. "Bei den Hersteller-Angaben handelt es sich in der Regel um Laborwerte, die nichts mit der Wirklichkeit einer neunmonatigen Heizperiode zu tun haben", sagt Impuls-Geschäftsführer Eicke-Hennig. Ähnliche Erfahrungen hat auch Wolfgang Schulz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bremer Energie-Institut, mit einer Studie gemacht: "Solche Bestwerte sind bislang nur in Einzelfällen gemessen worden. Der Verweis der Industrie, dass sich die Wärmepumpen-Technik im Vergleich zu den frühen Achtzigerjahren verbessert hat, ist zwar unstrittig, reicht aber nicht aus."
 
Bewiesen ist für Werner Eicke-Hennig vom hessischen Impuls-Programm, dass zumindest in der Schweiz die Wärmepumpen nicht die von den deutschen Herstellern versprochenen Effizienzwerte aufweisen. Über die Feldmessungen im Kanton Solothurn heißt es im dem Abschlussbericht: "Die Studien zeigen, dass die im Objekt gemessenen Jahresarbeitszahlen häufig unter 3,0 liegen. Sie damit wesentlich tiefer als die Leistungszahlen ab Werk. Diese Werte sind auch tiefer als oft publizierte Einzelwerte besonders guter Anlagen aus Studien und Messungen mit angegebenen Werten bis über 5.0." Eicke-Hennig: "Und dabei sind die Eidgenossen, wo jedes dritte Einfamilienhaus mit einer Wärmepumpe ausgerüstet wird, sowohl in der Technik als auch in der Ausbildung der Handwerker zehn Jahre weiter."
 
Hier setzt auch die Kritik von Detlef Bramigk, Energieberater bei der Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung in Berlin, an der bundesweit laufenden Werbeoffensive für die Wärmepumpen ein: "Welcher Klempner oder Heizungsinstallateur kann diese Technik problemlos einbauen?" Dafür seien Fachleuten aus Ingenieurbüros nötig, womit die Anschaffung der im Vergleich zu Gasbrennwertgeräten teureren Aggregate noch weiter ins Geld ginge. Bramigk: "Oft genug haben die Geräte kalte Luft in solchen Mengen angesaugt, dass der Wirkungsgrad der Anlagen erschreckend niedrig ausfiel. Vielfach wäre es sinnvoller gewesen, gleich direkt mit Strom zu heizen." Für den Mann aus der Praxis sind bei der Wärmepumpe auch Fragen wie die der Standsicherheit und der Lebensdauer unzureichend geklärt: "Trotz der Locksprüche von kostenloser Energie aus der Erde kostet den Hausbesitzer eine Wärmepumpe meistens mehr als ein Gaskessel." Detlef Bramigk weist noch auf einen anderen Punkt hin: "Die Pumpen werden überwiegend von den Stromversorgern gefördert, und das sicherlich nicht aus reiner Menschenfreundlicheit."

Hoher Kohleanteil am Strommix verschlechtert die Umweltbilanz

Damit ist noch nichts über die Umweltbilanz ausgesagt. In Darmstadt im Büro des Impuls-Bereichs weist Werner Eicke-Hennig noch einmal auf die Eidgenossen hin: "Die Schweizer können insbesondere in den Wintermonaten bei ihrem Strommix auf einen hohen Wasserkraftanteil für ihre Wärmepumpen zurückgreifen, während der hohe Kohleanteil hierzulande die Umweltbilanz der Pumpen deutlich verschlechtert."
 
Das war einer der Gründe, warum das Umweltbundesamt Ende der Neunzigerjahre der Wärmepumpe den "Blauen Engel" verweigert hat. Auch das Umweltmagazin Öko-Test kam noch im vergangenen Jahr zu einem wenig schmeichelhaften Urteil. Auf dem Prüfstand standen jeweils zehn Außenluft- und Sole-Wasser-Wärmepumpen, von denen wiederum jeweils nur ein Modell als bestens Votum mit "eingeschränkt empfehlenswert" beurteilt wurde – "und auch das nur unter den günstigsten Betriebsbedingungen". Für alle anderen 18 Modelle gab es ein "nicht empfehlenswert". Fazit von Öko-Test: "Im Vergleich zur Gas-Brennwert-Heizung spart die elektrische Wärmepumpe jedoch nichts an [CO2-Emissionen], sodass in Gasversorgungsgebieten andere Investitionen, etwa in eine Solaranlage, angezeigt sind."
 
Die Kritik ließ das Informationszentrum Wärmepumpen + Kältetechnik (IZW) nicht ruhen. Im eigenen newsletter Wärmepumpe aktuell betonte das IZW: "Beim Heizkessel entspricht bekanntlich die Brennwerttechnik dem Maximum des Erreichbaren. Die vom IZW ermittelten objektiv exakten Daten verdeutlichen, dass unter Berücksichtigung gemessener Jahresarbeitszahlen und CO2-Parametern des realen Strommixes die moderne Wärmepumpe im Hinblick auf Energieverbrauch und Treibhausgas-Emissionen dem Gas-Brennwert-Kessel überlegen ist."
 
Um die Zahl der derzeit rund 60 000 Wärmepumpen auszubauen, setzt der Lobbyverein zum einen auf gasbetriebene Aggregate, die es allerdings noch nicht für Einfamilienhäuser gibt; eine zweite energetische Alternative ist der Bezug von teuerem reinem Ökostrom, was negativ bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung zu Buche schlägt. Ohnehin fördert das Bundeswirtschaftsministerium über das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien nur Wärmepumpen, die mit grünem Strom betrieben werden.

"Nachfolger der ökologisch unsinnigen Nachtspeicherheizungen"

"Diese Bundesförderung, die an regenerativ erzeugten Strom gekoppelt ist, bremst eher, als dass sie fördert", heißt es unisono bei mehreren Herstellern von Wärmepumpen. Denn die Bauherren schreckten meist davor zurück, einen langfristigen Liefervertrag mit einem Ökostrom-Erzeuger abzuschließen. Dieses finanzielle Argument dürfte die Wärmepumpen-Euphorie stoppen, bevor sie überhaupt richtig aufgelebt ist.
 
Diese Hoffnung hat auch Reiner Priggen, der energiepolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Düsseldorfer Landtag: "Aus meiner Berufspraxis als Ingenieur weiß ich, wie diffizil die Technik ist, und wie teuer Reparaturen kommen können." Nicht nur deshalb sind für ihn die Wärmepumpen "die Nachfolger der ökologisch unsinnigen Nachtspeicherheizungen". Dass ausgerechnet die rot-grüne Landesregierung über das REN-Breitenförderprogramm und auch mit den jüngsten Werbewochen die Wärmepumpen-Technik fördert, nennt Priggen einen "Kompromiss, an dem auch grüne Politiker nicht vorbeikommen. Der Impuls für die Werbeveranstaltungen kommt eindeutig aus dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium."
 
Rund 1.000 Wärmepumpen sind in Nordrhein-Westfalen nach Angaben der Arbeitsgruppe Wärmepumpe bei der Landesinitiative Zukunftsenergien im vergangenen Jahr installiert worden. Für Priggen ist das kein Gewinn für die Klimabilanz: "Wir werden deshalb mit dem REN-Programm unsere Anstrengungen voll auf die Solartechnik und die Biomasse konzentrieren, was energetisch weitaus effektiver ist, als alle Wärmepumpen.
 
 

Ralf Köpke
© 2024 Energie & Management GmbH
Sonntag, 09.05.2021, 17:33 Uhr

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