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Enerige & Management > Österreich - Schneller weg vom russischen Gas
Quelle: Shutterstock / Mike Mareen
ÖSTERREICH:
Schneller weg vom russischen Gas
Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) will den Ausstieg aus den Gasimporten aus Russland forcieren. Wie, ließ sie nach einem Round Table mit der Gaswirtschaft offen.
 
Österreich muss die Importe von Gas aus Russland so rasch wie möglich beenden, bekräftigte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) nach ihrem Treffen mit Spitzenvertretern der Gaswirtschaft am 26. Juni, dem „Round Table Gasversorgung“. Der gescheiterte Putsch des Söldnerführers Jewgenij Prigoschin am Wochenende habe einmal mehr die Unzuverlässigkeit Russlands als Gasversorger verdeutlicht. Außerdem gehe es nicht an, den Krieg Russlands in der Ukraine zu finanzieren.

„Mit unseren Importen tun wir das leider immer noch“, konstatierte die Ministerin. Nach wie vor seien die Einfuhren russischen Gases nach Österreich vergleichsweise hoch: Im April etwa habe dieses rund 50 Prozent der gesamten Gasimporte ausgemacht. Die Bestrebungen, das russische Gas zu ersetzen, seien somit „noch nicht weit und schnell genug“ vorangekommen. Deshalb würden sie forciert, betonte Gewessler, ohne Details zu nennen. „Verantwortungslos“ wäre ihr zufolge, Importverträge mit Russland zu verlängern. Bei dem Round Table hätten ihr die Vertreter der Gaswirtschaft aber versichert, keinerlei diesbezügliche Absichten zu hegen.

Martin Graf, der Vorstand der Energie Steiermark (Estag), ergänzte, sein Unternehmen habe mit Hilfe des Speicherbetreibers RAG Austria 2022 rund 1 Milliarde kWh Gas aus Italien importiert und somit „aus einer nichtrussischen Quelle.“ Auf Nachfrage räumte Graf indessen ein, „hundertprozentige Sicherheit“ gebe es in dieser Hinsicht nicht: „Wir verfolgen die Lieferkette nach, so weit wir können.“ Laut Graf plant die Estag, Gas aus Nordeuropa zu beziehen. Dafür sei freilich eine entsprechende Infrastruktur nötig. Insgesamt befinde sich Österreich beim Ausstieg aus dem russischen Gas etwa auf der halben Strecke eines Marathons: „Übers Knie brechen können wir das nicht.“ 
Politik in der Pflicht

Im Gespräch mit der Redaktion ergänzte Graf, der Fernleitungsbetreiber Gas Connect Austria (GCA) habe bei dem Round Table versichert, er werde einen weiteren Strang der West-Austria-Gasleitung (WAG) errichten, der für den Transport von Wasserstoff tauglich sei (Projekt WAG Loop II). Dies sei „eine der wichtigsten Aussagen“ bei dem Gespräch gewesen. Die WAG führt vom Netzknoten Baumgarten etwa 40 Kilometer nordöstlich von Wien nach Oberkappel an der deutsch-österreichischen Grenze.

Graf sieht nun nicht zuletzt die Politik in der Pflicht. Sie müsse das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) und das Erneuerbare-Gase-Gesetz (EEG) rasch zur parlamentarischen Beschlussfassung bringen. Wie berichtet, durchliefen die beiden Gesetze bereits vor Monaten die vorparlamentarische Begutachtung. Beschlussreife Versionen gibt es indessen nach wie vor nicht.

Leitungen stärken

Der Fachverband Gas Wärme (FGW), die gesetzliche Vertretung der österreichischen Gasbranche, verlautete per Aussendung, er habe bei dem Round Table seine „Vorschläge für eine Sicherung und Diversifizierung der Gasversorgung Österreichs sowie zur dringend notwendigen Reduktion der Abhängigkeit von Gasimporten aus dem Osten erneuert.“

Kurz gefasst, müssten die Leitungsverbindungen zwischen Österreich und Deutschland sowie zwischen Österreich und Slowenien dringend verstärkt werden. Ertüchtigungen der Leitungen seien ferner nicht zuletzt in Deutschland und Italien erforderlich. Dazu „braucht es eine länderübergreifende Abstimmung und entsprechende politische Unterstützung“, betonte der FGW.

Er verlangte weiters die Steigerung der Produktion von „grünem“ Wasserstoff und Biomethan in Österreich. Darüber hinaus müsse die „EU-rechtswidrige deutsche Gasspeicherumlage“ mit einer Vertragsverletztungsklage bekämpft werden. Die Umlage belaste die Kunden in Österreich alleine heuer mit rund 100 Millionen Euro.

Befürwortet wird vom FGW das Vorhalten der strategischen Gasreserve von 20 Milliarden kWh bis 2026. Auf Basis der derzeitigen Rechtslage steht diese bis 1. April 2025 zur Verfügung.

Umstrittenes Konzept

Diskutiert wurden bei dem Round Table auch Vorschläge des ehemaligen Vorstands der Regulierungsbehörde E-Control, Walter Boltz, und des vormaligen OMV-Generaldirektors Gerhard Roiss hinsichtlich des Ausstiegs aus den Gasimporten aus Russland. Grob gesehen, umfassen diese die Sicherung ausreichender Leitungskapazitäten sowie Gasmengen. Zu diesem Zweck soll „das Gasgeschäft“ zeitweilig aus der OMV herausgelöst und von der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) übernommen werden − freilich ohne die bis 2040 laufenden „Russenverträge“.

Die OMV und die ÖBAG hatten diese Herauslösung bislang stets abgelehnt. Auch die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), die mit den Grünen die Bundesregierung bildet, wies den Vorschlag bis dato zurück.
 

Klaus Fischer
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Montag, 26.06.2023, 14:53 Uhr

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