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Enerige & Management > Europa - Differenzverträge in der Kritik
Quelle: Pixabay / Dimitris Vetsikas
EUROPA:
Differenzverträge in der Kritik
Die Energieminister der EU berieten zum Redaktionsschluss noch über eine Ergänzung der Regeln für den Elektrizitätsbinnenmarkt, das sogenannte Markt-Design.
 
Die EU-Kommission war der Forderung einzelner Mitgliedsstaaten nach einer grundlegenden Reform der Funktionsweise des europäischen Elektrizitätsmarktes im März nicht nachgekommen. Sie will die befristeten Notmaßnahmen aus dem letzten Jahr beenden und die Regulierung des Elektrizitätsmarktes wieder auf eine dauerhafte Grundlage stellen. Im kurzfristigen Großhandel (Day-ahead und Intraday) hält die Kommission daran fest, dass die Preise nach der sogenannten Meritorder gebildet werden: Der jeweils teuerste Energieträger bestimmt den Preis zu jedem Zeitpunkt. Langfristige Investitionsanreize sollen durch langfristige Lieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) und Differenzverträge (Contracts for Difference, CfD) erzeugt werden. Über die CfD erhalten Investoren eine Art Preisgarantie für emissionsfreien Strom: liegt der Marktpreis darunter, erhalten sie eine Prämie, liegt der Preis darüber, müssen sie den Überschuss ganz oder teilweise abführen.

Ziel sei es, den Strompreis zu stabilsieren und unabhängig zu machen von den Preisschwankungen auf den Märkten für fossile Brennstoffe, sagte Ratspräsidentin Ebba Busch zum Auftakt der Ratssitzung in Luxemburg. Ihr Kompromissvorschlag stieß jedoch nicht nur auf Zustimmung. In der lebhaft geführten Debatte der Minister ging es um zwei Kernelemente des Vorschlages: die CfD und die Kapazitätsmärkte (Capacity Market, CM).

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und andere Minister kritisierten vor allem, dass über CfD auch Investitionen in bestehende Anlagen gefördert werden sollen. Damit werde der Wettbewerb erheblich verzerrt, sagte Habeck vor dem Beginn der Beratungen. Die Kritiker machen geltend, dass Länder mit einem großen Bestand an Altanlagen wesentlich größere Möglichkeiten hätten, über CfD Subventionen zu verteilen als Länder mit einem geringen Bestand.

Beihilfen-Kontrolle der Kommission

Der luxemburgische Energieminister Claude Turmes rechnete mit Blick auf die französischen AKW vor, eine solche Regelung würde alleine dem französischen Staatskonzern EDF Beihilfen im Umfang von 120 Milliarden Euro bescheren: "Das wäre eine inakzeptable Wettbewerbsverzerrung." Die französische Energieministerin Agnes Pannier-Runacher bezeichnete die Vorlage der schwedischen Ratspräsidentschaft dagegen als "ausgewogen" und eine sichere Kalkulationsbasis für potenzielle Investoren. Ohne Investitionen in die bestehenden AKW, die ein Viertel des europäischen Stromes emissionsfrei erzeugten, könne die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet werden. Die Beihilfen-Kontrolle der Kommission werde sicherstellen, dass der Wettbewerb nicht über Gebühr beeinträchtigt werde.

Kritik übten zahlreiche Minister auch daran, dass die schwedische Ratspräsidentschaft die Forderung Polens nach einer Ausnahme für seinen Kapazitätsmarkt aufgegriffen hat. Nach den geltenden Regeln dürfen Reservekraftwerke, die im Rahmen von Kapazitätsmärkten Beihilfen erhalten, höchstens 560 Gramm CO2/kWh ausstoßen. Die polnischen Kohlekraftwerke stoßen jedoch deutlich mehr CO2 aus. Warschau verlangt deswegen eine Ausnahme von der Regel bis 2028, um auch die Nachbarländer, darunter Deutschland, weiter sicher beliefern zu können.

Recht der Verbraucher auf mehrere Stromzähler

Andere Vorschläge der Kommission waren weitgehend unumstritten. So müssen die Mitgliedsstaaten in Zukunft sicherstellen, dass Verbraucher wählen können, ob sie über längere Zeit zu einem festen Preis beliefert werden wollen oder zu variablen Preisen, die sich an der aktuellen Entwicklung orientieren. Möglich wäre nach dem Kommissionsvorschlag zum Beispiel, dass man für seine Wärmepumpe eine Festpreisvereinbarung wählt, sein Elektroauto aber zu flexiblen Preise auflädt.

Das Recht der Verbraucher auf mehrere Stromzähler sei entscheidend dafür, dass die Nachfrage flexibler werde und einen Beitrag zur Flexibilität des Systems leiste, heißt es in Brüssel. Die Mitgliedsstaaten werden verpflichtet, sogenannte Letztlieferanten zu bestimmen, die einspringen müssen, wenn Vertragspartner ausfallen. Anbieter von Festpreisverträgen müssen sich über den Terminmarkt so absichern, dass sie ihre Lieferverpflichtungen jederzeit einhalten können. Einkommensschwache Kunden müssen auch dann weiter beliefert werden, wenn sie ihre Rechnung nicht bezahlen können. In Krisenzeiten dürfen die Mitgliedsstaaten die Endpreise für private Haushalte und kleinere Unternehmen festlegen.

Weitgehend unverändert billigten die Energieminister die sogenannte "REMIT"-Verordnung. Die europäische Regulierungsbehörde ACER soll zur Überwachung des Stromhandels mehr Daten über die Vorgänge auf den Terminmärkten und über den grenzüberschreitenden Stromhandel erhalten. Die Regulierer erhalten außerdem mehr Möglichkeiten, Unregelmäßigkeiten im grenzüberschreitenden Stromhandel zu untersuchen und zu sanktionieren. Weil es Terminmärkte mit nennenswerter Liquidität nur in Deutschland und in der nordischen Handelszone gibt, soll der Zugang von Händlern aus den anderen Regionen der EU zu diesen Märkten erleichtert werden.

Die Übertragungsnetzbetreiber (TSO) werden in diesem Zusammenhang verpflichten, Kapazität auf Interkonnektoren anzubieten, damit der Strom, den man vor zwei oder drei Jahren auf Termin gekauft hat, auch in die anderen Bieterzonen geliefert werden kann. Die Mitgliedsstaaten haben sich auch endgültig über die Förderung der erneuerbaren Energien verständigt. Dabei konnte Frankreich durchsetzen, dass bestimmte Ammoniak-Werke aus der Berechnung der Ziele für erneuerbare Energien herausgenommen werden. Ammoniak, das als Energieträger eingesetzt werden kann, kann dadurch auch mithilfe von Atomstrom erzeugt werden. Nach der Erneuerbare-Energien-Richtlinie will die EU 2030 mindestens 42,5 Prozent ihrer verbrauchten Energie aus Wind, Sonne oder anderen, erneuerbaren Quellen decken. Bislang lag dieses Ziel bei 32 Prozent, gegenüber 22 Prozent in 2022.

Nach Einschätzung von Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold bedeutet das neue Ziel, dass jedes Jahr Wind- und Solaranlagen mit einer Kapazität von 100.000 MW ans Netz gehen müssen.
 

Tom Weingärtner
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Montag, 19.06.2023, 17:42 Uhr

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