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Enerige & Management > Aus Der Zeitung - Großwärmepumpen: Potenzial ist hoch
Quelle: E&M
AUS DER ZEITUNG:
Großwärmepumpen: Potenzial ist hoch
Großwärmepumpen gelten als Schlüsseltechnologie, um erneuerbare Quellen in Wärmenetze einkoppeln zu können. Technisch sind sie ausgereift, am Markthochlauf happert es trotzdem.
 
Stadtwerke wie München, Rosenheim, Heidelberg oder Flensburg nutzen sie bereits. Auch der Kölner Energieversorger Rheinenergie oder Energieunternehmen wie die BTB (Blockheizkraftwerks-Träger- und Betreibergesellschaft mbH) in Berlin oder Vattenfall erzeugen mit ihnen Energie: Großwärmepumpen.

Bislang sind solche Großwärmepumpen (GWP) aber noch nicht allzu häufig in Deutschland anzutreffen und meist sind es Prototypen − also keine Anlagen von der Stange. Sie könnten helfen, „grüne“ Energiequellen wie Geothermie, Abwärme und Solarthermie für Nah- und Fernwärmenetze künftig großflächig effizient zu erschließen. Rein rechnerisch könnte Deutschland künftig mithilfe der Wärmepumpentechnologie seinen gesamten Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad Celsius aus CO2-freien Quellen decken. Das ergab die Studie „Roll-out von Großwärmepumpen in Deutschland“ des Fraunhofer-Instituts IEG im Auftrag von Agora Energiewende. Für einen zügigen Markthochlauf sind die derzeitigen Bedingungen allerdings nicht ideal. Es gibt wirtschaftliche ebenso wie regulatorische Hürden, die abgebaut werden müssten.

„Unter den nachhaltigen Wärmetechnologien ist die Großwärmepumpe sicherlich der schlafende Riese“, sagt Fabian Ahrendts vom Fraunhofer IEG und Erstautor der Studie. „Mit dem nächsten Entwicklungsschub erreicht die Technologie Temperaturen bis 200 Grad und damit die Arbeitstemperatur nicht nur der bestehenden Fernwärmenetze, sondern auch vieler Verarbeitungs- und Trocknungsprozesse in den Branchen Papier, Nahrungsmittel, Chemie und Lacke.“

Angebot an Umweltwärme theoretisch höher als Bedarf

Die Studie zeigt auch: Das hierzulande verfügbare Angebot von Umwelt- und Abwärme, das über Wärmepumpen bereitgestellt werden kann, übersteigt bei Weitem den Wärmebedarf für Gebäude und industrielle Prozesswärme bis 200 Grad Celsius. In Summe beläuft sich die potenzielle Wärmeleistung, die Wärmepumpen aus erneuerbaren Quellen auch ohne Nutzung von Umgebungsluft zur Verfügung stellen können, auf rund 1.500 TWh. Wärmepotenziale bieten demnach die oberflächennahe und tiefe Geothermie, See- und Flusswasser, industrielle Abwärme, Abwasser, Kohlengruben und Rechenzentren. Demgegenüber steht ein jährlicher Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad Celsius von insgesamt etwas über 1.000 TWh. Mit Großwärmepumpen werden diese Wärmequellen großflächig für die Fernwärmeversorgung und in der Industrie nutzbar.

Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) geht allgemein davon aus, dass sich Wärmepumpen als zentrales Element für Temperaturen bis rund 150 Grad Celsius durchsetzen werden. Rund ein Viertel der Prozesswärme der deutschen Industrie wird laut dem BWP auf einem Temperaturniveau benötigt, das aktuell von Wärmepumpen bereitgestellt werden kann. Ebenso bei der Fernwärme und im großen Mehrgeschosswohnungsbau werde sich die Großwärmepumpe als Technologie langfristig etablieren.

Auch die Dynamik bei den Herstellern für den Industriesektor dürfte derzeit recht hoch sein. Darauf weisen Gespräche der Fraunhofer-Forschenden mit den Unternehmen hin. Es werden auch Wärmepumpen mit noch höheren Temperaturen entwickelt. Das Fraunhofer IEG schreibt in seiner Studie aber auch, dass die Datenlage im Industriebereich recht intransparent sei.

In den skandinavischen Ländern seien Großwärmepumpen längst auf dem Vormarsch und versorgten Wohngebiete großflächig mit klimaneutraler Wärme. In Deutschland sind sie noch ein Nischenprodukt. Neben den beiden Vorreitern − Norwegen mit einem Großwärmepumpenanteil an der Fernwärmeversorgung von rund 13 Prozent und Schweden von 8 Prozent − liegen auch Finnland, Dänemark und Frankreich über dem europäischen Durchschnitt von 1,2 Prozent.

Technisch sind Großwärmepumpen ausgereift

„Technisch sind die Großwärmepumpen ausgereift und die Hersteller können mit der Produktion beginnen“, teilte auf Anfrage von E&M Felix Uthoff, Referent Technik und Normung beim Bundesverband Wärmepumpe, mit. Trotzdem sei die Lernkurve bei den Versorgern und Stadtwerken noch sehr steil. Uthoff: „Die Verfahren innerhalb der Stadtwerke sind für die Errichtung von Großwärmepumpen noch nicht eingeübt und etabliert, weshalb von Herstellerseite und von Instituten aus noch sehr stark unterstützt werden muss.“ Das werde sich aber verbessern, wenn es mehr durchgeführte Projekte gibt.

Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK (AGFW) bestätigt ebenfalls, dass Großwärmepumpen an sich ausgreift sind; sieht aber in manchen Punkten weiteren Entwicklungs- und Forschungsbedarf. Ein Forschungsschwerpunkt werden sicher die Kältemittel sein, da von diesen immer weniger zugelassen sind. Darüber hinaus gibt es laut dem AGFW noch diverse Optimierungsmöglichkeiten in Hinblick auf Wärmeübertrager, Reduktion von internen Verlusten, Materialien, Standzeiten, Flexibilität und Temperaturniveaus.
 
Beispiel eines Großwärmepumpenprojekts in Berlin
Quelle: Bundesverband Wärmepumpe/Zia Ziarno

Bis 2045 soll in Deutschland mehr als ein Viertel der Wohnungen mit grüner Fernwärme heizen können. Das setzt voraus, dass in den Kommunen die Wärmewende vorausschauend geplant und der regulatorische Rahmen für Fernwärme ein attraktives und günstiges Angebot für Kundinnen und Kunden sicherstellt, so weitere Ergebnisse der Fraunhofer-Studie.

Eignung von Großwärmepumpen hängt von mehreren Faktoren ab

Für einen sinnvollen künftigen Einsatz der Großwärmepumpentechnologie sollten Versorger und Industriebetriebe weitere Punkte beachten: Großwärmepumpen haben einen hohen Platzbedarf verglichen zu Blockheizkraftwerken. Insbesondere die Tatsache, dass meist eine Leitungsanbindung an eine Wärmequelle, zum Beispiel ein Gewässer, zusätzlich zur Fernwärmeleitung erforderlich ist, macht GWP-Bauprojekte aufwendiger als BHKW, schreibt der AGFW auf Anfrage von E&M. Im Gegensatz zu BHKW müssen sich GWP auch immer an die zur Verfügung stehenden Wärmequellen anpassen, das heißt, eine komplette Standardisierung aller Komponenten ist in näherer Zukunft noch nicht zu erwarten.

Ihre Eignung hängt aber letztlich, so die Experten des AGFW, vom Temperaturhub und der erwartbaren Jahresarbeitszahl (JAZ) ab. Bei sehr großen Temperaturhüben und JAZ, die gegen 1 gehen, lohnt sich der Aufwand für eine Großwärmepumpe nicht mehr. So bleibe für die elektrische Hochtemperatur-Wärmeerzeugung oberhalb 165 Grad Celsius letztlich nur der elektrische Heizstab.

Darüber hinaus müssen Großwärmepumpenprojekte für Fernwärmebetreiber gegenüber fossilen Lösungen attraktiver werden, moniert der Bundesverband Wärmepumpe. Aktuell bestehen bei der Förderung noch Nachteile von strombetriebenen Großwärmepumpen gegenüber fossil befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Mit einer Reform des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) und einer Aufstockung des Förderprogramms für Wärmenetze lässt sich diese Schieflage beheben und die Wärmewende beschleunigen. Und das ist dringend nötig, denn die Wärmeerzeugung bis 200 Grad Celsius für Gebäude und Industrie macht aktuell noch über drei Viertel des deutschen Erdgasverbrauchs aus und ist für über ein Viertel der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Zukünftig wäre es der Position der Wärmepumpen jedoch zuträglicher, wenn sich das Verhältnis von Strom- zu Gaspreisen langfristig auf einem Faktor um 2,5 einpendelte, um die Wirtschaftlichkeit der Anlagen auch ohne initiale Förderung zu gewährleisten, erklärt Felix Uthoff vom BWP. „Eine Reduzierung der nicht marktgetriebenen Strompreisbestandteile für Wärmepumpenstrom sollte nach der Verabschiedung des GEG wieder in den Blick der politischen Diskussion kommen.“

Fazit: Der Markt für Großwärmepumpen in Industrie und Fernwärme steht hierzulande noch am Anfang. Vor allem die Energiepreiskrise führt laut den Verbänden aber zu einem Umdenken. „Die Hersteller richten sich darauf mit einer größeren Standardisierung ein, insbesondere bei Geräten bis rund 2 MW − und dann auch kaskadiert“, sagt Uthoff. Wie auch bei anderen Technologien dieser Größenklassen sei der Vertrieb dabei behilflich, das für den Anwendungsfall passende Produkt zu finden.

Darüber hinaus gehe es dann aber immer um die spezifischen Eigenschaften von Wärmequelle und Wärmesenke, also weniger um die Wärmepunkte selbst. Sind größere Umbauten in der Industrieanlage erforderlich? Wie kann die Erschließung eines Abwasserkanals für ein Fernwärmenetz konkret umgesetzt werden? „Da unterscheiden sich Großwärmepumpen erheblich von Wärmepumpen für die Gebäudebeheizung.“
 

Fakten zu Großwärmepumpen

Eine allgemeingültige Definition von Großwärmepumpen fehlt hierzulande noch. Orientiert man sich am AGFW-Praxisleitfaden, wird eine Wärmepumpe dann als Großwärmepumpe bezeichnet, wenn sie in einem Wärmenetz oder einer größeren industriellen Anwendung eingesetzt werden kann. Das Fraunhofer-Institut IEG hat sie in seiner aktuellen Studie „Roll-out von Großwärmepumpen in Deutschland“ ab einer Heizleistung von 500 kW mit einbezogen. Heute bereits am Markt verfügbare Großwärmepumpen erreichen Senkentemperaturen von 90 bis 130 Grad Celsius und können damit viele Anwendungsfälle zur Bereitstellung von Fern- und Nahwärme abdecken.
Nach Auskunft des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) werden kleinere Leistungsklassen in Serie produziert; ab rund 2 MW sind Großwärmepumpen Sonderanfertigungen, die vom jeweiligen Hersteller auf die speziellen Bedürfnisse des Projekts hin angefertigt werden. Vielfach werden solche großen Anlagen in Gesamtsysteme verbaut, etwa in Kombination mit Power-to-Heat-Anlagen und/oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen.
Nach den Daten des Fraunhofer IEG waren Anfang 2023 bundesweit mehr als 30 Großwärmepumpenanlagen mit jeweils einer thermischen Leistung von über 500 kW in Betrieb, die eine Gesamtleistung von rund 60 MW haben. Zudem sind derzeit mindestens 30 weitere Projekte mit einer Gesamtleistung von etwa 600 MW in Planung oder im Bau. Damit nehmen Wärmepumpen in der Wärmeversorgung aktuell eine untergeordnete Rolle ein.
 

Heidi Roider
Redakteurin und Chefin vom Dienst
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Mittwoch, 06.09.2023, 10:00 Uhr

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