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Enerige & Management > Stromnetz - Nicht abregeln, nur drosseln
Klaus Müller, bei der Vorstellung des neuen Regelungsentwurfs. Quelle: Screenshot E&M
STROMNETZ:
Nicht abregeln, nur drosseln
Die Bundesnetzagentur hat am 16. Juni 2023 einen angepassten zweiten Regelungsvorschlag zur Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen in die Stromverteilnetze vorgelegt.
 
Mit einer Reihe von Anpassungen nach einem ersten Konsultationsverfahren hat die Bundesnetzagentur nun einen zweiten Regelungsvorschlag vorgelegt, wie künftig mit dem Netzanschluss steuerbarer Verbraucher umgegangen werden soll.
„Wir haben in den letzten Wochen sehr genau zugehört“, versicherte Klaus Müller, im Rahmen eines Pressegesprächs. „Wir treffen jetzt mit konkreten Regelungen die Vorsorge, dass Ladeeinrichtungen für E-Autos und Wärmepumpen künftig zügig angeschlossen und sicher betrieben werden können“, so der Präsident der Bundesnetzagentur.

Angesichts der zunehmenden Elektrifizierung des Wärme- und des Verkehrssektors müssten die Netze schnell optimiert, digitalisiert und ausgebaut werden. Die jüngst von der Bundesnetzagentur vorgeschlagene Erhöhung der Eigenkapitalverzinsung von Neuinvestitionen unterstütze diese Ziele. Wo der Netzausbau noch nicht erfolgt sei, müssten Regelungen getroffen werden, die eine Überlastung des Netzes verhindern, aber trotzdem gewährleisten, dass Anlagen ohne Verzögerung angeschlossen werden und es auch nicht zu Abregelungen komme.

Künftig darf ein Netzbetreiber ein Anschlussbegehren nicht mehr unter Verweis auf mögliche lokale Überlastungen ablehnen oder verzögern. Im Gegenzug darf er allerdings, wenn eine Überlastung droht beziehungsweise die Stabilität des Netzes gefährdet ist, die Bezugsleistung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen temporär drosseln. Mehrfach betonte Müller, es werde keine kompletten Abschaltungen geben. Entsprechend werde immer eine Mindestleistung verfügbar bleiben.

Gegenüber dem ersten Regelungsentwurf, den die Behörde im November 2022 vorgestellt hatte, soll nun die Mindestbezugsleistung nicht mehr nur 3,7 kW, sondern 4,2 kW betragen. Damit könnten auf jeden Fall Wärmepumpen weiterbetrieben und Elektroautos in etwa zwei Stunden für eine Strecke von 50 Kilometern nachgeladen werden, rechnete der Behördenpräsident vor.
 
Variable Netzentgelte als Anreiz
 
Darüber hinaus ist vorgesehen, dass Stromkunden mit einem Energiemanagementsystem sich hinter dem Netzanschlusspunkt selbst optimieren können und nur der Strombezug aus dem Netz wird gedeckelt. „Damit erhöhen wir die Freiheitsgrade der Verbraucher“, sagte Müller. Auf diese Weise sei es immer noch möglich, die Wallbox aus der eigenen PV-Anlage zu speisen und so eine höhere Ladeleistung zu erzielen.

„Wir gehen davon aus, dass Eingriffe des Netzbetreibers die zwingende Ausnahme bleiben. Sie sind nur als Ultima Ratio zulässig“, betonte der Behördenchef. Deshalb müsse, wenn Engpässe auftreten, das Netz im Anschluss auch zügig ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang will die Bundesnetzagentur grundsätzlich für mehr Transparenz sorgen und verpflichtet die Netzbetreiber dazu, die Steuerungseingriffe in einem einheitlichen Format auf einer gemeinsamen Internetplattform detailliert anzuzeigen. So werde auch die Öffentlichkeit darüber informiert, wo Überlastungen auftreten und wo Netzausbaubedarf bestehe.

Als viertes wesentliches Regelungselement hob Müller die Gegenleistung für die Bereitschaft der Kunden zur Flexibilität, das reduzierte Netzentgelt, hervor. Verbraucher sollen demnach die Wahl haben zwischen einem pauschalen Rabatt von 110 bis 190 Euro pro Jahr auf das Netzentgelt und einer prozentualen Reduzierung des Arbeitspreises um 60 Prozent. Zusätzlich ist ein Anreizmodul mit zeitlich variablen Netzentgelten vorgesehen, welche den pauschalen Rabatt ergänzen.

Bis zum 27. Juli haben nun Interessierte Zeit, zum aktuellen Entwurf Stellung zu nehmen. Das Festlegungsverfahren soll dann im vierten Quartal abgeschlossen werden, sodass die Regelungen zum 1. Januar 2024 in Kraft treten können.

Reaktionen fallen positiv aus

In einer ersten Reaktion auf den aktuellen Ansatz der Bundesnetzagentur erklärte Kerstin Andreae, es liege ein „durchweg praktikabler Vorschlag auf dem Tisch“. Die vorgeschlagene Reduzierung der Netzentgelte für bestimmte Zeitfenster biete einen guten Startpunkt, so die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Anhand bestehender Daten könnten Phasen mit besonders hohem oder niedrigem Verbrauch identifiziert werden. Entsprechend ließen sich die Netzentgelte variieren.„Zusätzlich werden und müssen aber auch wettbewerbliche Angebote für Kunden zur Nutzung von Flexibilität ausgebaut werden und an Bedeutung gewinnen“, betonte Andreae. Nach wie vor habe jedoch der intelligente Netzausbau die oberste Priorität. Die Drosselung der Bezugsleistung sei nur „Ultima Ratio“.

In diese Kerbe schlug auch VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Die Steuerbarkeit im Bedarfsfall sei dringend notwendig, um Zeit für den intelligenten Um- und Ausbau der Stromnetze zu gewinnen. Bei allem Verständnis für möglichst flexible und motivierende Angebote für die Verbraucher müsse das Modell jedoch für die Netzbetreiber und Lieferanten handhabbar bleiben. „Das Sammelsurium bei reduzierten Netzentgelten schießt auf den ersten Blick über das Ziel hinaus“, so sein Fazit.
 
 

Fritz Wilhelm
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