• Energiemärkte rückläufig
  • Immer weniger Ladesäulen pro E-Auto
  • Versorger wollen Marshallplan für Wärmewende
  • „Haupttreiber bleibt das Erdgas“
  • Solarwatt stellt Produktion in Dresden ein
  • Oranienburg schließt wieder an
  • Grünes Licht für Südostlink-Baustart in Bayern
  • Salzwasser-Wellen-Strömungskanal für maritime Forschung eröffnet
  • Hochleistungsladen mit Unterstützung
  • Müssen Wärmepumpen weichen, wenn Fernwärme kommt?
Enerige & Management > Strom - Verteilnetze als Schalthebel der Energiewende
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
STROM:
Verteilnetze als Schalthebel der Energiewende
Im Zuge der Energiewende werden die Verteilnetzbetreiber zu gleichberechtigten Partnern der Übertragungsnetzbetreiber, hieß es bei der Zehn-Jahres-Feier der Wiener Netze.
 
Die europäische Energiewende ist ohne gut ausgebaute Verteilnetze nicht zu bewältigen. Dies wurde sowohl auf der Ebene der EU als auch auf jener ihrer Mitgliedsstaaten lange Zeit übersehen, findet nun aber zunehmend Berücksichtigung.

Das sagte die Leiterin des Bereichs Strategy & Regulatory Affairs des europäischen Verteilnetzbetreiberverbands EU DSO Entity, Elisa Schenner, bei der Feier des zehnjährigen Bestehens der Wiener Netze GmbH am 22. Juni. Schenner erläuterte, die Bedeutung der Verteilnetze wachse, weil an diesen eine immer stärker zunehmende Anzahl dezentraler Erzeugungsanlagen angeschlossen werde. Damit würden die Verteilnetzbetreiber, die die Anschlüsse möglich machen, zu den „aktiven Gestaltern“ der Energiewende.

Laut Schenner waren die vergangenen Jahre von zwei Zäsuren geprägt: Der European Green Deal der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens forcierte die Bemühungen zum Senken der CO2-Emissionen. Der russische Einmarsch in der Ukraine wiederum stellte die Versorgungssicherheit in Frage. Auf beide Herausforderungen reagiert die EU mit einem massiv verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien.

Im Jahr 2019 war beschlossen worden, deren Anteil an der Stromerzeugung in der EU bis 2030 auf 32 Prozent zu erhöhen. Dieses Jahr fiel die Entscheidung, ihn auf 42,5 Prozent zu steigern. Unter anderem bedeutet dies laut Schenner, die installierte Leistung der Photovoltaikanlagen binnen sieben Jahren von derzeit 300 GW auf 600 GW zu verdoppeln.

Überdies ist davon auszugehen, dass im Zuge der „Dekarbonisierung“ der Wärmeversorung rund 30 Millionen Wärmepumpen in Betrieb gehen. „Das bedeutet eine viel höhere Verantwortung der Verteilnetzbetreiber als derzeit“, konstatierte Schenner. Die Verteilnetze würden „vom Mauerblümchen zum Schalthebel der Energiewende.“

Gleichberechtigter Partner

Diese Tatsache wird laut Schenner mittlerweile auf Brüsseler Ebene anerkannt. Wurden noch vor einigen Jahren die Verteilnetzbetreiber oft mit den Übertragungsnetzbetreibern verwechselt oder völlig übersehen, arbeiten sie seit 2019 gleichberechtigt mit dem Übertragungsnetzbetreiberverband Entso-E und der EU-Kommission an den Regelwerken für den Netzbetrieb. „Wir haben jetzt viel mehr Mitsprachemöglichkeiten. Und im Zuge der Diskussionen über das neue EU-Strommarktdesign wird die Bedeutung der Verteilnetze intensiv diskutiert“, stellte Schenner klar.

Dennoch ist keineswegs alles eitel Wonne. Unter den rund 900 Mitgliedern der EU DSO Entity mit ihren rund 250 Millionen Kunden sind unterschiedlichste Unternehmen, deren Interessen sich bisweilen nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Dazu kommt die schier „unfassbare“ Komplexität der rechtlichen und regulatorischen Vorgaben, die überdies rasant weiterentwickelt werden. Wünschenswert wäre Schenner zufolge mehr Verständnis der Regulierungsbehörden für die Notwendigkeit der Investitionen in die Verteilnetze, um die Energiewende zu bewältigen.

Blitz, Baum, Bagger – die „Feinde“ des Verteilnetzes


Florian Ainhirn, Experte für Hochspannungskabeltechnologe bei den Wiener Netzen, konstatierte, ebenso wichtig wie der Ausbau und die Ertüchtigung der Verteilnetze sei, die bestehenden Anlagen so effizient wie möglich zu nutzen. Dazu bedarf es ihm zufolge einer umfassenden Digitalisierung: „Wir müssen sehen, was bei uns im Netz passiert, aber auch erkennen, warum etwas passiert und wann es wieder passieren könnte.“

Zu diesem Zweck arbeiten die Wiener Netze an einem digitalen Zwilling ihrer Infrastrukturen. Dieser soll bis in die Niederspannungsebene weiterentwickelt werden. Überdies installieren die Wiener Netze an ihren Erdkabeln Temperaturmesssysteme und nutzen als einer der ersten Verteilnetzbetreiber Europas Werkzeuge künstlicher Intelligenz. Die drei gewissermaßen traditionellen „Feinde“ der Verteilnetze sind laut Ainhirn „der Blitz, der Baum und der Bagger.“

Angestrebt werde, mittels KI zu erkennen, wann einer davon zuschlagen könnte, und darauf vorausschauend zu reagieren. Laut Ainhirn gibt es gute Gründe, akribisch auf die Versorgungssicherheit zu achten: Ein flächendeckender Stromausfall in Wien hätte an einem Wochentag Kosten von mehr als 200 Millionen Euro zur Folge.

Fusion vor zehn Jahren

Die Wiener Netze entstanden 2013 durch die Zusammenlegung der Wien Energie Stromnetz und der Wien Energie Gasnetz. In der Folge übernahmen sie überdies die Verantwortung für den Betrieb des Fernwärmenetzes der österreichischen Bundeshauptstadt.

Über ihr 20.700 Kilometer umfassendes Stromnetz, ihre 4.600 Kilometer langen Gasleitungen, ihr Fernwärmenetz mit 1.300 Kilometer Länge sowie 2.700 Kilometer an Lichtwellenleitern betreuen sie mit 2.400 Beschäftigten mehr als zwei Millionen Kundinnen in Wien sowie den angrenzenden Bundesländern Niederösterreich und Burgenland. Ihre jährlichen Investitionen liegen bei rund 300 Millionen Euro.
 

Klaus Fischer
© 2024 Energie & Management GmbH
Freitag, 23.06.2023, 12:28 Uhr

Mehr zum Thema