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Enerige & Management > Strom - Verteilnetzbetreiber veröffentlichen Regionalszenarien
Quelle: Fotolia / animaflora
STROM:
Verteilnetzbetreiber veröffentlichen Regionalszenarien
Laut dem BDEW verdeutlichen die Dokumente die Größe der Aufgaben der Netzgesellschaften bei der Energiewende. Auf ihrer Basis entstehen nun die neuen Netzausbaupläne.
 
 
Die Verteilnetzbetreiber haben am 30. Juni erstmals ihre Regionalszenarien gemäß dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) veröffentlicht, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) berichtet. Dabei handelt es sich um Abschätzungen hinsichtlich der Stromerzeugung sowie des Strombedarfs im gesamten Bundesgebiet, das in sechs Regionen – Nord, Ost, Mitte, West, Südwest und Bayern – eingeteilt wurde.

Der Zeithorizont der Szenarien erstreckt sich bis 2045, dem Jahr, in dem Deutschland die Klimaneutralität erreichen will. Als Zwischenstufen dienen die Jahre 2028 und 2033. Bei der Erstellung der Szenarien arbeiteten sämtliche in den jeweiligen Regionen tätigen Verteilnetzbetreiber zusammen. Die Regionalszenarien sind nunmehr alle zwei Jahre zu aktualisieren und spätestens zehn Monate vor den auf ihrer Grundlage zu überarbeitenden neuen Netzausbauplänen der einzelnen Netzbetreiber zu veröffentlichen. Die Netzausbaupläne müssen der Bundesnetzagentur erstmals zum 30. April 2024 vorgelegt werden.

Laut der Vorsitzenden der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae, verdeutlichen die Regionalszenarien die „Mammutaufgabe“, vor der die Verteilnetzbetreiber stehen. So muss der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung bis 2030 von etwa 50 auf 80 Prozent steigen. Überdies sollen ab etwa diesem Jahr 15 Millionen Elektroautos in Deutschland unterwegs sein. Ebenfalls erheblich zunehmen dürfte die Anzahl der Wärmepumpen.

Wie Andreae betonte, müssen „all diese neuen Erzeuger, Verbraucher und Speicher zunächst an das Stromverteilnetz angeschlossen und dann intelligent in das Stromsystem integriert werden. Die Netzbetreiber stellen sich dieser Herausforderung, benötigen dafür aber einen angemessenen regulatorischen Rahmen. Darüber hinaus braucht es ausreichend qualifizierte Fachkräfte, sichere Lieferketten und eine spürbare Verschlankung und Digitalisierung der bürokratischen Prozesse.“

Herausforderung im Westen

Wie groß die Herausforderungen sind, zeigt beispielsweise das „Regionalszenario West“, das sich auf Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland sowie Teile Hessens und Bayerns bezieht. Das Szenario erstellte die Westnetz GmbH, ein Tochterunternehmen der Westenergie AG, zusammen mit 28 weiteren Netzbetreibern. Zurzeit beläuft sich die installierte Kraftwerksleistung von der Photovoltaik über Wind und Biomasse bis zur Wasserkraft sowie den thermischen Anlagen auf etwa 35,7 GW. Bis 2045 soll sie sich auf 116,0 GW mehr als verdreifachen. Die Leistung der Photovoltaikanlagen wird sich auf 77,5 GW nahezu verachtfachen, jene der Windräder von 10,9 auf 27,8 GW mehr als verdoppeln. Dem gegenüber dürfte die Leistung der thermischen Kraftwerke voraussichtlich von 12,9 auf 9,8 GW abnehmen, also um 24 Prozent.

Mehr als eine Verdopplung ist beim Stromverbrauch zu erwarten: Er dürfte von derzeit etwa 165,5 Milliarden kWh pro Jahr auf 371,6 Milliarden kWh ansteigen. Für den Verkehrssektor wird eine Versiebenfachung auf 43,7 Milliarden kWh prognostiziert, für Elektrolyseure zur Erzeugung grünen Wasserstoffs eine Versechzehnfachung auf 31,8 Milliarden kWh. Den Strombedarf für die Wärmepumpen beziffert das Regionalszenario West mit 23,1 Milliarden kWh, etwa acht Mal so viel wie derzeit.

Der weitaus größte Verbraucher bleibt die Industrie, deren Bedarf von 81,3 auf 133,6 Milliarden kWh anwachsen soll, somit um etwa 64,3 Prozent. Westnetz-Geschäftsführer Patrick Wittenberg konstatierte, die Zahlen verdeutlichten „einmal mehr, wie wichtig vor allem der Ausbau der Verteilnetze ist. Die Basis für eine erfolgreiche Energiewende ist und bleibt das Verteilnetz. Das wird in der öffentlichen Diskussion oft vergessen.“

Ausbaubedarf im Norden

In der Planungsregion Nord wiederum, die Schleswig-Holstein und Hamburg mit mehr als 30 Verteilnetzbetreiber umfasst, sind zurzeit Onshore-Windparks mit 7.341 MW installiert. Bis 2045 wird sich die Leistung dem Regionalszenario Nord zufolge auf 18.880 MW mehr als verdoppeln. Bei der PV ist von einem Zuwachs von 2.290 MW (Dach- und Freiflächenanlagen) auf 28.694 MW auszugehen. Beträchtlich ansteigen dürften auch die Lasten: Bei den Wärmepumpen wird mit einem Anstieg von gerade einmal 64 MW auf 2.976 MW gerechnet. Die Gesamtleistung der Ladestellen für Elektrofahrzeuge soll mit 2.785 MW etwa 24 Mal so hoch sein wie derzeit.

Das zeigt laut dem Regionalplan, „dass die elektrischen Leistungsanforderungen deutlich über die bisherigen Annahmen der Verteilnetzbetreiber für die Planungszeiträume hinausgehen. Es erscheint daher sehr wahrscheinlich, dass der Ausbaubedarf und die hierfür notwendige Geschwindigkeit deutlich zunehmen wird, wobei eine enge und spannungsebenen übergreifende Zusammenarbeit aller Netzbetreiber vonnöten ist.“

Die Szenarien sind über das Netzportal der Verteilnetzbetreiber  zugänglich.
 

Klaus Fischer
© 2024 Energie & Management GmbH
Freitag, 30.06.2023, 14:31 Uhr

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