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Enerige & Management > Österreich - Automatische Grundversorgung für Tirols Stromkunden
Quelle: Fotolia / YuI
ÖSTERREICH:
Automatische Grundversorgung für Tirols Stromkunden
Laut Beschluss des Landesparlaments muss der in einem Netzgebiet dominierende Versorger Kunden, deren Vertrag gekündigt wurde, übernehmen. Doch die neue Regelung ist umstritten.
 
Die automatische Geltung der Grundversorgung mit Strom für sämtliche Tiroler Kunden beschloss das Tiroler Landesparlament (Landtag) in einer Sondersitzung am 16. Januar. Konkret bedeutet dies: Kündigt ein Stromlieferant den Versorgungsvertrag mit einem Kunden, wird dieser ab Ende des Vertrags von jenem Lieferanten beliefert, der am 31. Dezember des Vorjahres die meisten Kunden im jeweiligen Netzgebiet versorgte und damit dort den Markt dominierte.

Der Strompreis darf dabei nicht höher sein als jener, den der Versorger der Mehrzahl seiner Kunden verrechnet. Nicht verpflichtend wird die automatische Übernahme in die Grundversorgung, wenn der betreffende Kunde ihr ausdrücklich widerspricht. Widerspricht er nicht, hat ihn der neue Lieferant über den Beginn des neuen Vertragsverhältnisses zu informieren und ihn auf die Möglichkeit des Wechsels zu einem anderen Versorger hinzuweisen. Rechtlich gesehen, handelt es sich bei dem Beschluss des Landtags um eine Novelle zum Tiroler Elektrizitätsgesetz (TEG), dem Ausführungsgesetz zum Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) des Bundes. Österreichweit wird damit erstmals eine automatische Grundversorgung eingeführt.

Der Hintergrund: Der landeseigene Tiroler Stromversorger Tiwag hatte im Spätherbst vergangenen Jahres die Versorgungsverträge von mehr als 100.000 Bestandskunden gekündigt. Gleichzeitig bot er diesen neue, nach seinen Angaben um etwa 30 Prozent günstigere, Verträge an. Diesen mussten die Kunden ausdrücklich zustimmen. Wer dies nicht tat, wird von der Tiwag ab 1. April dieses Jahres nach derzeitigem Stand nicht mehr beliefert. Bis dato sollen rund 55.000 Kunden den Neuvertrag nicht angenommen haben. Wenn sie nicht einen anderen Versorger wählten, endet per 1. April ihre Belieferung mit elektrischer Energie. Dies soll durch den Beschluss des Landtags verhindert werden. Für die Tiwag würde dies bedeuten, die gekündigten Kunden im Zuge der Grundversorgung weiter beliefern zu müssen.

Rechtlich umstritten

Allerdings ist die TEG-Novelle umstritten. Wie die Regulierungsbehörde E-Control festhielt, prüft der Verfassungsgerichtshof (VfGH) derzeit die im ElWOG enthaltenen Bestimmungen zur Grundversorgung. Hebt er diese auf, könnte auch die TEG-Novelle hinfällig sein. Überdies läuft seit 12. Januar die Begutachtung für das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG), das das ElWOG noch heuer ablösen soll. Parallel dazu kümmert sich eine Arbeitsgruppe um eine Reform der Bestimmungen zur Änderung der Strompreise sowie zur Grundversorgung. Ihr gehören Vertreter der zuständigen Ministerien (Energie, Wirtschaft, Soziales), der Sozialpartner und der Elektrizitätwirtschaft an.

Für verfassungswidrig hält die TEG-Novelle die Energie West, ein Zusammenschluss von 21 Tiroler Kommunalversorgern. Ihr zufolge muss der für die Grundversorgung zuständige Stromlieferant die notwendige elektrische Energie „zeitnah“ im Großhandel beschaffen. Eine Abgeltung der diesbezüglichen Kosten sieht die TEG-Novelle aber nicht vor. Sie führt damit „wirtschaftlich zum unvorhersehbaren Nachteil unserer Mitgliedsunternehmen“. Formalrechtlich handle es sich um eine „Enteignung“, was der Bundesverfassung widerspreche.

Kritik an der Tiwag

Bei der Sondersitzung übten Vertreter sämtlicher im Landtag vertretenen Parteien heftige Kritik an der Tiwag. Deren Management habe das Vertrauen der Kunden, aber auch der Politik, in sie schwer geschädigt. So könne ein Unternehmen mit seinen Kunden nicht umgehen. Das Management müsse sich für die „Drohbriefe“ bezüglich der Kündigungen entschuldigen. Außerdem solle den Kunden eine Entschädigung angeboten werden, forderten Abgeordnete. Mehrfach verlangt wurde auch die Rücknahme der Kündigungen.

Überdies kritisieren Vertreter der Oppositionsparteien Landeshauptmann (Ministerpräsident) Anton Mattle von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP), die in Tirol gemeinsam mit den Sozialdemokraten (SPÖ) regiert. Sie warfen Mattle indirekt vor, bereits frühzeitig von den Kündigungsplänen der Tiwag erfahren, diese aber nicht unterbunden zu haben.

Tiwag „neu aufstellen“

Mattle nahm dazu in der Sondersitzung nicht Stellung. Er betonte jedoch, die Tiwag müsse „neu aufgestellt“ werden. Eine seit langem diskutierte Änderung der Satzung des Unternehmens werde baldigst durchgeführt. Sie soll die Tiwag sinngemäß verpflichten, die Tiroler Bevölkerung kostengünstig mit Strom sowie Erdgas zu versorgen. Gewinninteressen sind dem gegenüber zurückzustellen. Bei Strom ist der österreichweit günstigste Tarif anzubieten – was immer dies konkret bedeutet. Ferner wird die Tiwag verpflichtet, an der „Energiewende“ in Tirol mitzuwirken. Schon seit Jahresbeginn sind zwei Vorstandsposten ausgeschrieben. Insbesondere handelt es sich um die Nachfolge für Vorstandschef Erich Entstrasser, der 2025 in Pension geht.
 

Klaus Fischer
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Mittwoch, 17.01.2024, 11:00 Uhr

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