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Enerige & Management > Aus Der Zeitung - Die Augsburger AVA gewinnt mit CO2
Quelle: E&M
AUS DER ZEITUNG:
Die Augsburger AVA gewinnt mit CO2
Seit zehn Jahren betreibt die AVA Abfallverwertung Augsburg eine Bioabfall-Vergärungsanlage. Neben der Aufbereitung von Biomethan ist auch Kohlendioxid ein wichtiges Verkaufsprodukt.
 
Es ist laut; es ist sehr laut im Kompressorraum der AVA: In dem Raum ist zum einen die Aufbereitungsanlage für das Biomethan untergebracht. Dieses wird ins Netz der Stadtwerke Augsburg eingespeist und von dem Unternehmen Erdgas Schwaben an Kundschaft mit dem Kaufwunsch Bioerdgas verkauft. Das Gas muss dafür auf den Druck des Verteilnetzes zusammengepresst werden.

Im Raum stehen außerdem eine Reihe blauer Kompressoren: Sie verdichten das Kohlendioxid (CO2) auf einen Druck von etwa 17 bar, um das Klimagas bei einer Temperatur von minus 24 Grad Celsius zu verflüssigen und nicht in die Atmosphäre gelangen zu lassen.

Bereits seit 1991 ist bei der AVA in Augsburg „die Umwelt in guten Händen“, so der Werbespruch des Kommunalunternehmens des Abfallzweckverbands Augsburg AZV. Der setzt sich aus der Stadt Augsburg und den beiden Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg in Bayerisch-Schwaben zusammen. Seit 1993 werden hier Bioabfälle verarbeitet, zunächst in einer konventionellen Kompostieranlage, die 2013 auf Vergärung umgebaut wurde.

Von Beginn an, also seit 2013, kam mit der Biogaserzeugung auch gleich die CO2-Ausschleusung, so der Fachbegriff, auf das AVA-Gelände. Der Anlagenlieferant Pentair Haffmans aus den Niederlanden habe diese Möglichkeit ins Spiel gebracht, sagt Wolfgang Veszely, der Leiter Technische Dienste bei der AVA Augsburg. Die Aufbereitung, also der hohe Reinigungsgrad des Biogases, sei für die EEG-Zertifizierung ohnehin notwendig.

Und auch wenn für die CO2-Gewinnung etwa 0,15 kWh pro Normkubikmeter Bioerdgas aufgewendet werden müssten: Die Energie sei vorhanden − und für den eigenen Anlagenbetrieb sei CO2 ein wichtiger Betriebsstoff. „In der Biogasaufbereitung werden die Ventile damit angesteuert. Und zur Inertisierung (Reinigung; d. Red.) der Aktivkohlefilter beim Wechsel wird mit CO2 der Methanrest ausgewaschen“, nennt der Leiter Technische Dienste beispielhaft zwei Anwendungen für das Gas, das im Wasser zu Kohlensäure wird.

Die Augsburger vermarkten CO2

Seit dem 1. Februar 2020 ist hier eine Tankanlage für das Flüssig-CO2 in Betrieb. „Seitdem vermarkten wir auch das CO2“, berichtet Veszely. Die Idee dafür gab es bei der AVA schon länger. So hatte ein großer deutscher Konzern für technische Gase Interesse bekundet. „Aber in den Jahren um 2013 war die Nachfrage nach CO2 aus einer Abfallverwertungsanlage nicht sehr hoch“, gibt Veszely zu bedenken. Doch ab 2018 habe sich „der Markt für unser CO2 aufgetan“, konkret beispielsweise für die Reinigung mit Trockeneis oder zum Einsatz als relativ umweltverträgliches Kühlmittel für Klimaanlagen.
 
Wolfgang Veszely ist Leiter Technische Dienste bei der AVA Augsburg
Quelle: Heinz Wraneschitz

Deshalb wurde von der Firmenleitung 2019 beschlossen, die Anlage um eine Tankanlage zur Lkw-Befüllung zu erweitern. Die ist seit dem 1. Februar 2020 in Betrieb, also auch schon wieder über zwei Jahre. Und das mit Erfolg: Im vergangenen Jahr wurden nach AVA-Angaben 4.523 Tonnen CO2 vermarktet, ein Großteil der Produktion. Der Großkunde, ein Anbieter Technischer Gase, komme mit der erzeugten Reinheitsqualität gut zurecht, weiß Veszely.

Auffällige Kernstücke der CO2-Tankanlage sind zwei Tanks für das druckverflüssigte Gas, jeder mit einem Fassungsvermögen von 50 Kubikmetern. Die sind dafür ausgelegt, die CO2-Produktion von bis zu 17 Tonnen pro Tag am Wochenende abzupuffern: Die Tanklaster des Kohlendioxid-Kunden aus dem nahen Gersthofen kommen nur während der (normalen Arbeits-)Woche auf das AVA-Gelände nach Augsburg. An dem Standort wird übrigens beileibe nicht nur Biogas aus Grünabfällen gewonnen. Das Abfallheizkraftwerk erzeugt aus dem Müll der Verbandskommunen Wärme für das Augsburger Stadtwerke-Nahwärmenetz sowie Strom. Dazu werden auch Klinikabfälle verbrannt, eine von nur zwei Entsorgungsstellen in ganz Bayern.

Biofilter ganz am Ende des Prozesses

Doch wer auf das riesige Firmengelände der AVA kommt, merkt im ersten Moment kaum, dass Abfallstoffe verarbeitet werden. Störender Geruch? Nein, danke. Dafür sorgen nicht nur Rauchgasfilter in der Müllverbrennungsanlage, dem größten Gebäude hier, sondern auch der 1.000 Quadratmeter große Biofilter neben den drei Trockenfermentern für die Biogasproduktion. Ganz am Ende, wenn bereits alle energiereichen Bestandteile aus dem Abgas herausgefiltert und wieder in den Prozess eingeleitet worden sind, „wird die Luft abgesaugt und in den Biofilter geleitet“, ist auf der AVA-Webseite zu lesen.

Der Biofilter sieht aus wie ein großes, 1,5 Meter tiefes Schwimmbecken, in das Rindenmaterial von umstehenden Bäumen gefallen sind. Tatsächlich aber sind das, was man da sieht, Teile ganz normalen, gerissenen Wurzelholzes. Mikroorganismen, die darauf leben, helfen die Luft auf natürlichem Wege zu filtern. So beschreibt die AVA-Öffentlichkeitsarbeit die Funktion dieses „natürlichsten Filters der Welt“, der eine Geruchsbelästigung für die Mitarbeitenden genauso wie für die Nachbarschaft verhindert. 
 

Biogasanlage der AVA

Laut AVA-Fachmann Wolfgang Veszely ist die von Pentair Haffmans gelieferte Biogasanlage „methanschlupffrei“. Das ist nicht gerade normal. Denn „bei Biogasanlagen können nennenswerte Mengen an Methan entweichen, und zwar nicht nur durch Leckagen, sondern durch den Methanschlupf gewisser Anlagenkomponenten“, erklärt der promovierte Physiker Rüdiger Paschotta. Der Betreiber des neutralen Infoportals „Energie-Lexikon“ weiß um die Unterschiede der verschiedenen Aufbereitungsverfahren, damit Bioerdgas als Biomethan in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Und je nach Methode „entweichen gewisse Anteile des Methans in die Abluft. Bereits Werte von einem Prozent sollten jedoch nicht toleriert werden, da sie die Klimabilanz der Biogasnutzung erheblich verschlechtern.“
Warum seine Anlage methanschlupffrei arbeitet und gleichzeitig CO2 absondert, erklärt der niederländische Hersteller so: „Durch ein Mehrfach-Membransystem können 99 Prozent des CO2 aus dem Biogas entfernt werden. Haffmans zweistufiges Membransystem in Kombination mit einem kryogenen System vermeidet somit jeglichen Methanschlupf. Auf diese Weise werden gleichzeitig Biomethan und reines, flüssiges CO2 erzeugt.“
Wie das in Augsburg konkret funktioniert? Laut Veszely wird das CO2 auf rund minus 25 Grad Celsius abgekühlt. Dabei wird es flüssig, während das noch enthaltene Methan gasförmig bleibt. Somit lassen sich beide Stoffe nahezu vollständig trennen. Das abgetrennte Methan wird dem Biomethankreislauf zugeführt, das gereinigte CO2 geht in die Speichertanks.
Um komplett auszuschließen, dass Methan in die Atmosphäre gelangt, werde bei der AVA die Abluft aus Abluftströmen, die Spuren von Methan enthalten können, in die Verbrennungskessel im Müllheizkraftwerk geleitet. „Und auch das Kondensat wird dort in den Verbrennungsraum eingedüst“, ergänzt Veszely.
 
Ein Lkw bei der CO2-Anlage der AVA
Quelle: Heinz Wraneschitz
Wie was aus dem Grünabfall wird

Elf Mitarbeitende der AVA sind direkt der Biogaserzeugung zugeordnet. Sie haben allein im Jahr 2021 dafür gesorgt, dass in den Fermentern 93.880 Tonnen Grünabfall vergoren wurden. Ins Erdgasnetz wurden daraus genau 44.173.242 kWh Biomethan eingespeist. Außerdem wurden 4.523 t CO2 vermarktet. Dazu produzierte man 19.300 t Fertigkompost und 20.486 t flüssiges Gärprodukt für die Landwirtschaft. Ausgelegt ist die Anlage auf 105.000 Jahrestonnen, es gibt also noch Annahmepotenzial.
Laut Wolfgang Veszely soll die Anlage zur Kompostabsiebung weiter optimiert werden, etwa um Störstoffe wie Folienreste zu entfernen. Unter anderem, weil „die Vermarktung von Kompost an die Biolandwirtschaft immer schwieriger“ werde trotz eingehaltener (Kunststoff-)Grenzwerte. „Der Bau einer neuen Feinaufbereitungsanlage ist bereits beauftragt“, sagt Veszely. Mit der sogenannten Nahinfrarot (NIR)-Detektion soll dann der bereits gesäuberte „Produktstrom nochmals auf Kunststoff überprüft werden“. Die kamerabasierte NIR-Technologie macht es möglich, mit einem für Menschen nicht sichtbaren Lichtspektrum in einem Wellenlängenbereich zwischen 700 und 2.500 Nanometern bestimmte Moleküle in Schwingungen zu versetzen und zu detektieren.
  
 
 

Heinz Wraneschitz
© 2024 Energie & Management GmbH
Donnerstag, 28.09.2023, 09:05 Uhr

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