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Quelle: Fotolia / Ralf Urner
GASKRAFTWERKE:
So bildet der Energiehandel die Sommerzeit ab
Am Ostersonntag wurde die Uhr wieder auf Sommerzeit gestellt. Für den Energiehandel ist dies die zweite kalendarische Anomalie in diesem Schaltjahr.
 
Alle Jahre wieder fängt am letzten Märzsonntag die Sommerzeit an. In diesem Jahr fällt er auf kommenden Ostersonntag. Wenn Europa schläft und selbst die Osternachtsmesse noch auf sich warten lässt, springt der Stundenzeiger um Punkt 2 Uhr auf 3 Uhr vor.

Der letzte Märzsonntag hat also immer 23 Stunden, der letzte Oktobersonntag, wenn auf die Normalzeit zurückgeschaltet wird, stets 25 Stunden. Der Energiehandel wurde um die Jahrtausendwende eingeführt, nachdem Erzeugung und Vertrieb vom Netz getrennt waren. Da die Sommerzeit bereits etabliert war, wurde das entstehende Day-ahead-Stromlieferprodukt für die Umstellungstage nur in 23 respektive in 25 Stundenprodukte eingeteilt.

So wird in der Day-ahead-Auktion vom 30. März 2024, dem Karsamstag, für den Ostersonntag, 31. März 2023, die Handelsstunde 3, die von 2 bis 3 Uhr nachts dauert, schlicht nicht gehandelt werden, weil es sie nicht gibt. Und am 26. Oktober 2024 werden für den Folgetag eine Stunde 3A für die Zeit von 2 bis 3A Uhr und eine Stunde 3B für die Zeit zwischen 3A Uhr und 3B Uhr unter den Hammer kommen. Das Gleiche gilt für den fortlaufenden Handel.

Die Sonntagnächte, in denen in Wirtschaft und Haushalten wenig los ist, sind für die Umstellung bewusst gewählt. Dies spiegelt sich auch im niedrigen Verbrauch wider: Laut der Plattform Smard der Bundesnetzagentur wurden beispielsweise in der Viertelstunde 1.45 Uhr bis 3 Uhr (!) am jüngsten Umstellungstag - dem 26. März 2023 - im deutschen Kraftwerkspark wegen viel Windes an Land insgesamt gut 12 Millionen kWh erzeugt. Das war eine Menge, die für die verbrauchsintensivsten Viertelstunden tagsüber gereicht hätte. Zeitgleich wurden weniger als 10 Millionen kWh verbraucht. Die Differenz ging in den Export.
 
So sah die deutsche Stromerzeugung am vergangenen Umstellungstag auf die Sommerzeit, dem 26. März 2023, in jener Viertelstunde aus, die dann von 1.45 Uhr bis 3 Uhr (!) geht: viel Wind (blau), noch ein wenig Kernkraft (dunkelbraun), naturgemäß noch keine PV (gelb)
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Quelle: Bundesnetzagentur

Die deutsche Kernkraft trug noch 0,7 Millionen kWh bei. Gut einen Monat später war der Atomausstieg vollendet. Am diesjährigen Umstellungstag 31. März wird dafür die installierte Windkraft-Leistung an Land von 57.600 auf 59.900 MW gestiegen sein und - was in der stockdusteren Nacht keine Rolle spielt -, die PV sogar um fast 11.000 MW auf 73.800 MW. Steinkohle wird weniger zur Verfügung stehen, dafür mehr Braunkohle, und Gas wird gar von 31.800 MW auf 36.300 MW gestiegen sein.

Hoffnungen auf Energieeinsparung trogen

„Der realwirtschaftliche Effekt (der Stunde weniger oder mehr) ist nur für diejenigen mess- und spürbar, die mit dieser Stunde rechnen müssen“, teilt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf Anfrage mit. Die Zeitumstellungen, so die Vereinigung der Ferngasnetzbetreiber (FNB), seien „vertraglich geregelt, (...) operativ eingespielt und laufen ohne Probleme ab“.

Die Sommerzeit gehört wie das Tempolimit oder das Trikot der deutschen Elf zu den Themen, bei denen jeder gerne mitredet. Für die Einführung hatte die EU Anfang der 80er Jahre eine energiepolitische Begründung: Man wollte nach der zweiten Ölkrise Energie sparen. Zur Bilanz teilt der BDEW mit: „Zwar wird (...) im Sommer tatsächlich an hellen Sommerabenden weniger Strom für Licht verbraucht, dafür wird im Frühjahr und Herbst in den Morgenstunden (...) mehr geheizt. Das hebt sich gegenseitig auf.“

Das sieht auch die EU mittlerweile so und überlässt es ihren Mitgliedsstaaten, wann sie die Sommerzeit abschaffen − die haben sich aber noch nicht geeinigt.

Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag (TAB), auf das der BDEW insoweit verweist, hatte in einer bis 2016 erstellten Metastudie  angegeben, dass sich mit Sommerzeit „bestenfalls nur sehr geringfügige Energieeinsparungen realisieren lassen. Bezieht man die Ergebnisse aller (...) Studien auf den nationalen Stromverbrauch der jeweiligen Länder, so ergibt sich beim Effekt (...) eine Bandbreite von -0,9 bis 1 Prozent. Auch im Bereich Raumwärme wird mehrheitlich von sehr geringen Effekten im Bereich von -0,2 bis 0,2 % ausgegangen. Im Bereich Klimatisierung liegt die Spanne (...) von -0,2 bis 9 Prozent.“ Allerdings ließen sich die Ergebnisse aus Ländern mit anderen kulturellen Gewohnheiten nicht „ohne Weiteres (...) übertragen“.

Das TAB hat daher damals zusätzlich 700 Unternehmen und Verbände aus der deutschen Energiewirtschaft befragen lassen. Ergebnis: kein Hinweis auf einen „substanziellen“ Einfluss auf den Verbrauch.

Können wir an Ostersonntag nun also länger ausschlafen oder wird uns eine Stunde weggenommen? Letzteres ist richtig: ein Zeitkredit, der genau am 27. Oktober 2024 getilgt wird. Zinslos natürlich.
 

Georg Eble
Redakteur
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Dienstag, 26.03.2024, 17:01 Uhr

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