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Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Wie der Big Apple grün werden will
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN ZEITUNG:
Wie der Big Apple grün werden will
New York City hat ein veritables CO2-Problem. Mit Biogas, Wärmepumpen und Offshore-Wind soll der Ausstoß von Treibhausgasen eingedämmt werden. Ein Vor-Ort-Bericht.
 
Zeitenwende in New York City: Erstmals sammelt die Metropole ihren Biomüll und will daraus Biomethan erzeugen. Außerdem steht das weltweit größte System zur Dampferzeugung für die Wärme- und Kälteversorgung in Manhattan zur Disposition. Doch die für die Energiewende notwendigen Investitionen sind enorm.
Brooklyn hat jetzt braune Biotonnen: Seit Anfang Oktober 2023 kommt die Müllabfuhr, um im größten Stadtteil New York Cities die organischen Reste aus Küchen und Gärten abzuholen. In Queens passiert das schon länger. Und die drei anderen New Yorker Bezirke Bronx, Manhattan und Staten Island folgen in diesem Jahr.

Was hierzulande kaum mehr als ein Schulterzucken auslösen würde, ist für die US-Metropole ein Quantensprung. Denn über Jahrzehnte hatte die Stadt „Milliarden Tonnen Lebensmittelreste Hunderte Meilen weit über die Staatsgrenze transportieren lassen, um sie auf Deponien zu entsorgen“, so die stellvertretende Bürgermeisterin Meera Joshi zum Startschuss des sogenannten Curbside-Programms. 
 
In den Kläranlagen am Newtown Creek in Brooklyn soll künftig Biomethan produziert werden
Quelle: Umweltbehörde New York, EPA
 

Der Hintergrund: Eine Müllverbrennung gibt es in New York City nicht. Lediglich der Anteil des enormen Müllaufkommens, der sich recyceln lässt, bleibt in Teilen in der Stadt. Der Rest wird unter hohem Transportaufwand ins Umland gekarrt. Die Bilanz: Ein verheerender CO2-Fußabdruck und auf der Deponie setzen die organischen Reste auch noch Methan frei − ein stärkeres Klimagas als CO2.

New York muss handeln. Denn die Stadt wie der Staat hinken erheblich hinter den selbst gesteckten Klimazielen hinterher. Der Bundesstaat New York will den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Das wird anspruchsvoll: 2019 waren erst 7 Prozent erreicht. 

Apfelreste und Abwasser zu Biomethan

Die braunen Mülltonnen helfen, dass der „Big Apple“ den Zielen näher kommt. Aus den Resten wie Apfelkitschen und Laub will Gasnetzbetreiber National Grid Biomethan produzieren, und zwar am Standort von New Yorks größter Kläranlage: am East-River-Ableger Newtown Creek in Brooklyn.

Dazu befreit das Abfallunternehmen Waste Management den Biomüll von Fremdstoffen wie Plastik und bereitet ihn unter Zugabe von Wasser zu einem sämigen Schlamm auf: rund 190.000 Liter pro Tag. Diese Flüssigkeit wird mit dem Klärschlamm gemischt und wandert in einen der silbernen Gärtürme, wo Bakterien die Mixtur in 30 Tagen zu Biogas zersetzen. Das Gas will National Grid schließlich zu Biomethan aufbereiten und in sein Netz einspeisen.

Gleichzeitig plant die Stadt die Modernisierung ihrer übrigen 13 Klärwerke. Das ist dringend geboten, denn noch fackeln die meisten einen großen Teil des Biogases ab. Stattdessen sollen die Kläranlagen künftig 100 Prozent der anfallenden Energie nutzen und mancherorts ebenfalls organischen Biomüllschlamm zu Methan aufbereiten.

Noch ist die grüne Bilanz für New York überschaubar: National Grid schätzt, dass das saubere Gas vom Newtown Creek gut 5.000 New Yorker Haushalte mit Wärme versorgen kann. Angesichts von 8 Millionen Einwohnern kaum mehr als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Ineffizienz in Reinform: dampfender Asphalt

Die wirklichen Herausforderungen liegen nicht in Brooklyn, sondern auf der anderen Seite des East River. Im südlichen Manhattan, nahe der Wall Street, sind sie mit bloßem Auge zu sehen. Hier steigt die Ineffizienz gen Himmel: Über mannshohe orange Schlote quillt Wasserdampf aus dem Asphalt. Der stammt von der Kondensation von Wasser (beispielsweise nach Regen) auf heißen und teils undichten Rohren, die den Untergrund Manhattans durchziehen.

Sie gehören zu einem der größten Wasserdampfnetze der Welt. Es bringt heißen Dampf zu Gebäuden wie dem Empire State Building, dem World Trade Center, aber auch Wohnhäusern. Es ist so etwas wie das zentrale Fernwärme- und -kältenetz New Yorks für mehr als 1.500 Gebäude in der Stadt und mehr als 125 Jahre alt. Den Dampf erzeugt New Yorks Versorger Con Edison in Kraftwerken, die zu 95 Prozent mit Erdgas befeuert sind. Im Winter, wenn Gas knapp zu werden droht, kommt auch Heizöl zum Einsatz. 

Das muss sich ändern, um die Klimaschutzziele zu erfüllen: eine Mammutaufgabe, die weder profan noch günstig ist. Zuvorderst geht es um die Sanierung des Pipelinenetzes zur Minimierung der Leckagen und Verluste. Doch das bringt laut Con Edison nur einen Bruchteil der nötigen CO2-Einsparungen. Deshalb sollen Wärmepumpen die Dampfversorgung ablösen. 

Die komplette Stilllegung des Netzes steht im Raum. Alternativ könnte das System in abgespeckter Form auch regenerative Gase einsetzen wie grünen Wasserstoff oder Biomethan, schlägt Con Edison vor. Das wäre auch die kostengünstigere Variante, verglichen mit der kompletten Elektrifizierung der Wärme. Noch ist allerdings unklar, wo die nötigen Volumina an sauberen Gasen herkommen sollen. New Yorks Biomüll wird dafür kaum reichen.

1.000 MW Photovoltaik bis 2030

Große Ziele verfolgt die Stadt auch bei der Elektrifizierung. 2040 soll ausschließlich grüner Strom im Netz fließen. Bis 2030 will die Stadt 1.000 MW Photovoltaik angeschlossen haben. Derzeit sind rund 450 MW in Betrieb. Zum Vergleich: Berlin hatte zum Jahresanfang 2023 rund 300 MW installiert und München laut den Stadtwerken München aktuell rund 100 MW.

Wichtigste grüne Stromquelle der Zukunft soll aber Offshore-Wind werden. Farmen mit 9.000 MW Leistung bis 2035 sind vor Long Island und Massachusetts geplant, um die Energiewende in New York zum Erfolg zu führen.

Nicht nur in New York sind die Herausforderungen gewaltig. Der Nachholbedarf in Sachen Klimaschutz und Infrastruktur ist in den ganzen USA enorm. So bezifferte die Vereinigung der amerikanischen Ingenieure ASCE die Lücke zwischen dem, was die öffentliche Hand für Infrastruktur wie Netze und Straßen ausgibt, und dem tatsächlichen Bedarf im Jahr 2020 auf 2,6 Billionen US-Dollar − bezogen auf den Zeitraum bis 2029. 

Der Grund: Über Jahrzehnte hat das Land chronische Defizite aufgebaut. Die USA geben gerade einmal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Infrastruktur aus. In China sind es 4,8 Prozent, in Japan 1,1 Prozent und in Deutschland 0,8 Prozent.
In diesem Lichte betrachtet sind die von der US-Regierung in den vergangenen Jahren angekündigten Programme nur die logische Konsequenz zum partiellen Ausgleich dieser Diskrepanz. Da ist zum einen das Gesetz zu Infrastruktur, Investment und Beschäftigung (Infrastructure Investment and Jobs Act) von 2021, das vor dem Hintergrund des Klimawandels über zehn Jahre 1,2 Billionen Dollar in die Reparatur und Modernisierung der nationalen Infrastruktur pumpen soll.

2022 schickte US-Präsident Biden den Inflation Reduction Act (IRA) hinterher, der helfen soll, den Folgen steigender Inflation durch Investitionen in neue, grüne Technologien zu begegnen. Dafür sind knapp 400 Milliarden Dollar vorgesehen. Dabei bevorzugt das Programm Produkte, die zumindest in Teilen in den USA gefertigt werden. Weil es damit auch Unternehmen von Europa in die USA lockt, betrachten es viele hierzulande mit Sorgen.

Dabei sorgt der IRA nur dafür, dass die USA einen Teil ihrer Rückständigkeit aufholen können. Und für die Erreichung der Klimaziele ist er nach Meinung von Wissenschaftlern nicht ambitioniert genug. „Der IRA verdoppelt zwar die Geschwindigkeit, mit der wir unsere Emissionen mindern, er müsste aber das Tempo verdreifachen, um die Ziele für 2030 zu erreichen“, sagt Jesse Jenkins, Assistenzprofessor für Klimatechnologie an der Princeton University.

„Geld reicht nicht aus“

Auch für Volkswirt Jörn Quitzau von der Hamburger Berenberg Bank sind die geplanten Ausgaben dann nicht mehr „sehr spektakulär“, wenn man die Summen auf einzelne Jahre runterbricht. Denn die 1,6 Billionen Dollar aus den beiden Programmen verteilen sich über eine Dekade. „Dazu kommt, dass der Bedarf enorm ist, auch was das Bildungssystem und das soziale Netz betrifft. Da ist ein gewaltiger Investitionsschub nötig und da reicht das Geld letztlich nicht aus.“

Auch die Verbraucher werden tiefer in die Tasche greifen müssen. So sind allein 7 Milliarden Dollar nötig, um die CO2-Emissionen aus dem Dampfsystem New Yorks bis 2031 um 20 Prozent zu senken, rechnet Con Edison vor. Gegenfinanziert werde das vor allem durch höhere Wärmepreise.
 
In Queens und Brooklyn gibt es bereits Biotonnen, die New Yorker Stadtteile Bronx, Manhattan und Staten Island sollen 2024 folgen
Quelle: Oliver Ristau
 

Oliver Ristau
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Montag, 11.03.2024, 08:59 Uhr

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