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Enerige & Management > Regenerative - Wissenschaftler warnen vor Schattenseiten des Klimazolls
Quelle: Fotolia / Jürgen Fälchle
REGENERATIVE:
Wissenschaftler warnen vor Schattenseiten des Klimazolls
Welche Lehren sollte die europäische Politik aus der jüngsten Energiekrise ziehen? Wissenschaftler um Andreas Löschel geben dazu Denkanstöße.
 
Eine Gruppe von sieben europäischen Energie- und Klimawissenschaftlern hat in einer neuen Studie bewertet, wie die EU und einige Mitgliedsstaaten auf die Energiekrise von 2022 und die Abhängigkeit der Union von Rohstoffen aus kritischen Ländern wie Russland und China reagiert und die Energiewende bis 2050 kosteneffektiv bewältigt. Geht man nach ihren Ratschlägen in der vierseitigen Zusammenfassung, ist die Politik diese Herausforderungen zu häufig populistisch und verschwenderisch angegangen und hat teilweise das Gegenteil der erklärten Ziele erreicht.

Die Forscher und Politikberater um Andreas Löschel, das Ifo-Institut und die Brüsseler Denkfabrik Bruegel haben sich in der Studie „Watts Next: Securing Europe’s Energy and Competitiveness“ neben der EU-Politik die Verhältnisse in Deutschland, Spanien und Polen angesehen. Sie machen vier Gründe aus, warum deren Regierungen „sich schwertaten mit effizienten Antworten auf die Energiekrise“, während die marktbasierte Umleitung der Energieflüsse nach der Drosselung der russischen Gasexporte und der Öl- und Kohlesanktionen „gut funktioniert“ habe:
  • Zum einen fehlt(e) es an aktuellen und geeigneten Daten zur Energiespeicherung, zu Energieflüssen, Wertschöpfungsketten, Preisen und zur Verletzlichkeit von Verbrauchern.
  • Zum anderen wurden die systemischen Risiken zuvor entweder gar nicht oder auf der falschen politischen Ebene bewertet.
  • Drittens hätten die meisten Regierungen zu wenige interne und externe Experten mobilisiert, um die technisch komplexen und politisch sensiblen Fragen der Energiekrise schnell und verlässlich anzugehen.
  • Schlussendlich habe die EU-Kommission zu wenig unionseinheitliche Lösungen durchsetzen können, weil sie nicht als unabhängig wahrgenommen werde.
Ratschlag: Klimaclub statt Klimazoll

Was etwa die Klimazölle (Klima-Ausgleichsmechanismus, CBAM) angeht, warnen die Forscher davor, dass der Schuss der EU nach hinten losgeht, Importe aus Ländern ohne verpflichtenden Emissionshandel zu verteuern. Es müsse vermieden werden, dass gerade der CBAM dazu führt, dass die „schmutzigere“ Produktion Europa verlässt und nur „saubere“ Produktion in der Union bleibt , während die CO2-Emissionen der Industrie im globalen Maßstab gleich hoch bleiben.

Für die beste Lösung, um diese angeblichen Mängel zu beheben, halten die Politikberater die Gründung eines „Klimaclubs“ unter den größten sieben oder 20 Volkswirtschaften der Welt (G7 oder G20). Er solle die klimapolitische Behandlung der Industrie, vor allem der klimaintensiven, harmonisieren und koordinieren. Der damalige Chef des Ifo-Instituts, Hans Werner Sinn, hatte vor Jahren einen ähnlichen „Klimaclub“ aus den größten CO2-Emittenten EU, USA und China vorgeschlagen.

Darüber hinaus bewerten die Wissenschaftler für den Übergang Erzeugungsprämien, Differenzverträge (CfD) und andere Indizierungsoptionen als hilfreich, um die Risiken bei der Dekarbonisierung der klimaintensivsten Industrien wie Stahl, Zement, Alu und anderen Metallen zu verringern. CfD sollten aber weder verpflichtend sein, noch „exzessiv“ vom Staat bezuschlagt werden, meinen sie.

Neue Abhängigkeiten der Energiewende vermeiden

Die Abhängigkeit vom Import kritischer Rohstoffe solle die EU über die gleichnamige Gesetzgebung hinaus durch Anreize zur Kreislaufwirtschaft und zu einer heimischen Förderung mindern. Dies sei etwa bei Palladium, Platin und Praseodym der Fall, letzteres ist ein Metall der Seltenen Erden. Für die Energiewende seien vor allem Lithium, Kobalt, Graphit, Seltene Erden, Alu und Kupfer erforderlich. Genauso wichtig sei es, in diesem Zusammenhang nicht in neue strategische Abhängigkeiten hineinzugeraten, wie etwa für grüne Metalle und Wasserstoff.

Die Gasnetze sollten nach Ansicht der Sieben auch jetzt schon für die Umwidmung auf Wasserstoff oder den Rückbau umgeplant werden. Umgekehrt dürfe der Zubau grüner Kraftwerke nicht nur von den örtlichen Erzeugungsverhältnissen (Windstärke, Sonnenstrahlung) abhängen, sondern auch von den derzeitigen und künftigen Netzengpässen.

Andreas Löschel und Kollegen plädieren auch für die Einrichtung eines „strategischen Frühaufklärungsbüros“, das weltweite Krisenpotenziale und Risiken vorausdenkt und Notfallpläne erarbeitet. Dies betreffe nicht nur Energieliefer-Schocks, sondern auch Lieferketten-Unterbrechungen, Rohstoffmangel und großflächige Cyberangriffe.

Die 66-seitige Studie „Watts Next: Securing Europe’s Energy and Competitiveness“ ist auf Econpol anzusehen und herunterzuladen.  Autoren sind Frederic Gonand, Pedro Linares, Andreas Löschel, David Newbery, Karen Pittel, Julio Saavedra und Georg Zachmann.
 

Georg Eble
Redakteur
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Dienstag, 19.03.2024, 17:07 Uhr

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